Heute sprachen die mächtigsten Männer bei VW vor mehr als 20.000 Mitarbeitern. Ihre Botschaften klingen optimistisch, doch der Konzern steht stark unter Druck.
Wolfsburg – VW-Chef Matthias Müller verteidigt seine Belegschaft. Gegen die Presse, die Gerüchte, das schlechte Gefühl. Manche Medien würden einseitig berichten, andere die Nachrichten zuspitzen. „Das haben Sie, haben diese 600.000 Menschen im Konzern aber nicht verdient", sagte Müller heute morgen bei einer Betriebsversammlung im Stammwerk Wolfsburg vor rund 20.000 Beschäftigten. Nach Herstellerangaben hatten insgesamt nur wenige mit dem Dieselskandal zu tun. In sechs Wochen will die US-Anwaltskanzlei Jones Day erste Ergebnisse ihrer Nachforschungen veröffentlichen. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt derzeit gegen 17 Verdächtige. Müller machte den Beschäftigten Mut. Sie sollen den Skandal „nicht als Bedrohung, sondern als Chance“ sehen. „Gemeinsam müssen wir die notwendigen Veränderungen angehen, um Volkswagen zukunftssicher zu machen.“ Mit Blick auf Berichte in den vergangenen Tagen und Wochen verteidigte Müller den Verlauf der internen Ermittlungen zu den Ursachen und Verantwortlichen der weltweiten Abgas-Affäre: „Falls Sie in den letzten Tagen gelesen, gesehen oder gehört haben, dass etwas verschleppt oder vertuscht worden ist, kann ich mit bestem Gewissen sagen: Nein, das ist nicht der Fall." Klageerwiderungsschrift: VW verteidigt sich in BraunschweigQuelle: dpa/Picture Alliance Volkswagen-Aktionäre klagen derzeit gegen VW. Sie werfen dem Konzern vor, nicht rechtzeitig von börsenrelevanten Ereignissen erfahren zu haben. VW sei verpflichtet gewesen, solche Informationen unverzüglich in einer sogenannten Ad-hoc-Meldung zu veröffentlichen. So hätte sich finanzieller Schaden für die Aktionäre vermeiden lassen. VW sieht sich im Recht und erklärt in einer Klageerwiderungsschrift, verantwortliche Personen hätten die volle Tragweite der Diesel-Thematik spät erfahren. Vor der Veröffentlichung des Skandals durch die US-Umweltbehörden EPA und CARB sei man von 500.000 schadhaften Fahrzeugen und kursneutralen Maßnahmen zur Ausbesserung ausgegangen. Danach habe man umgehend eine Meldung herausgegeben. Das Landgericht Braunschweig entscheidet bald, ob diese Darstellung genügt. Mittlerweile ist bekannt, dass Ex-VW-Chef Martin Winterkorn schon 2014 von Unregelmäßigkeiten erfahren hat. Fraglich ist, wann genau ein weltweiter Skandal abzusehen war. Weil: Leiharbeiter unterstützenIn Wolfsburg geht es bereits um Jobs, besonders um die der Leiharbeiter. Ihre Sicherheit hängt nach Überzeugung von VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh an den drohenden Strafen der US-Behörden. "Sollte die Zukunftsfähigkeit von Volkswagen durch eine Strafzahlung in bislang einmaliger Höhe nachhaltig gefährdet werden, wird dieses auch dramatische soziale Folgen haben - nicht nur an unseren US-amerikanischen Standorten, sondern auch in Europa und anderswo", sagte der Arbeitnehmervertreter. "Wir hoffen sehr, dass die US-Behörden auch diese soziale und beschäftigungspolitische Dimension letztlich im Blick haben." Müller hatte bisher zugesichert, dass die Arbeitsplätze der Stammbelegschaft sicher seien. Der Konzern beschäftigt in Deutschland etwa 7.000 Leiharbeiter. Einige Verträge sollen auslaufen. Das stehe bisher aber nicht im Zusammenhang mit dem Abgas-Skandal. Aufsichtsrat und der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil wollen den Leiharbeitern Alternativen anbieten: „Ich habe die klare Erwartung, dass über die Autovision alle Möglichkeiten genutzt werden, den betroffenen Arbeitnehmern Beschäftigungsmöglichkeitenan anderer Stelle zu eröffnen und die Möglichkeiten der Autovision in dieser Hinsicht offensiv zu nutzen", sagte Weil im öffentlichen Teil einer Betriebsversammlung im VW-Stammwerk in Wolfsburg. Die Autovision ist innerhalb des VW-Konzerns unter anderem für die Betreuung und Vermittlung von Leiharbeitern zuständig. Quelle: dpa/Picture Alliance Glücklicherweise sei der Arbeitsmarkt in Niedersachsen "derzeit ausgesprochen aufnahmebereit", sagte der SPD-Politiker. Weil betonte, dass die Gründe für die "schmerzlichen Abbauprozesse" in den Werken in Hannover und Emden auf enttäuschenden Entwicklungen einzelner Produkte basierten. Bei der Aufarbeitung der Krise dürfe nicht der Fehler gemacht werden, „jetzt die Falschen zu bestrafen": „Die Beschäftigten müssen sich wegen der aktuellen Krise keine Vorwürfe machen." Ein Ende des Skandals ist noch nicht abzusehenNoch am Vorabend hatte Weil vor neuen Hiobsbotschaften gewarnt. „Wir werden in diesem Jahr immer mal wieder mit unangenehmen Nachrichten im Zusammenhang mit „Dieselgate“ konfrontiert werden“, sagte der Ministerpräsident am Dienstag bei einer Betriebsversammlung im Volkswagen-Stammwerk in Wolfsburg. Details zu seiner Warnung nannte Weil nicht. Die Strafen - vor allem in den USA – sind noch nicht absehbar. In den Vereinigten Staaten gibt es noch keinen Plan für einen Rückruf der betroffenen Autos. Zu den finanziellen Folgen der Affäre sagte Weil: „Der Schaden wird unterm Strich mit Sicherheit kein geringer sein. Das kann man heute schon sagen.“ Neue Fahrzeuge und eine Kaufprämie für E-AutosVW-Markenvorstand Herbert Diess blickte in seiner Rede optimistisch in die Zukunft. Der neue Tiguan sei eine „große Chance“. 15.000 Exemplare seien bereits bestellt, die Mannschaft sei „bestens vorbereitet“. |