Blinder Schrauber baut alte Trabant wieder auf
"Licht brauche ich nicht"
Auch wenn er selbst nie einen auf der Straße fahren durfte, ist das Basteln an alten Trabis ist Bernd Röthigs liebstes Hobby. Das Besondere daran: Röthig arbeitet, ohne zu sehen, denn er ist blind.
Leipzig - Bernd Röthig sitzt in einer kleinen Garage in Leipzig und bastelt an der Hinterachse seines alten, weißen Trabants. Draußen ist ein Gewitter aufgezogen, es wird langsam dunkel in Garage Nummer 53. Licht macht der Hobby-Mechaniker dennoch nicht: Der 52-Jährige sieht nichts, wegen einer Netzhautablösung ist er seit seinem zwölften Lebensjahr blind. Das hält Röthig allerdings nicht von seinem liebsten Hobby ab. Er selbst nennt sich „Autoschrauber“, und ist damit vermutlich in Deutschland der einzige, der ohne Augenlicht an Autos schraubt.
Jede Schraube schon mal bewegt
Zwei alte Trabis hat Röthig mittlerweile wieder in Schuss gebracht. Alles geht nach Gefühl. „Ich habe jede Schraube in den Autos schon bewegt.“ Der weiße Kombi aus dem Jahr 1965 wird der dritte wiederaufgebaute Wagen sein. „Das ist das Auto meiner Kindheit“, erzählt der 52-Jährige.
Er sei unter der Woche im sächsischen Chemnitz in die Blindenschule gegangen. Sein Vater hat ihn mit einem Trabant aus Leipzig dorthin gefahren. „Der Trabi war am Montag das letzte Stück zu Hause und am Samstag das erste“, sagt Röthig. Daher hängt sein Herz so an der „Pappe“, wie das DDR-Auto oft spöttisch genannt wird.
Auch in seinem Beruf nutzt er die Hände, Röthig arbeitet als Physiotherapeut. Aber einmal in der Woche, immer donnerstags, zieht er sich abends in seine Garage zurück und schraubt. Einen Motor einbauen, Achsen wechseln, Keilriemen tauschen - alles kein Problem. „Der Trabant ist ja ein mit relativ einfachen Mitteln gebautes Auto.“ Nur die Elektrik lässt er von einem Kumpel machen. Mit den Autos verwirklicht er sich einen Traum. „In einem anderen Leben wäre ich sicher nicht Physiotherapeut“, sagt er. Könnte er sehen, wäre er vielleicht Automechaniker geworden.
Vielleicht wäre er Automechaniker geworden
Röthig hadert nicht mit seinem Schicksal. „Es ist, wie es ist. Es ist ein anderes Leben, nicht besser und nicht schlechter“, sagt der 52-Jährige. Er kommt gut zurecht. Keinesfalls will er sich als etwas Besonderes betrachten. „Man muss aufpassen, dass man nicht zu sehr als der Vorzeige-Blinde hingestellt wird.“ Ein Großteil der sehbehinderten Menschen seien Altersblinde. Wer später im Leben sein Augenlicht verliert, hat es schwerer, damit zurechtzukommen. „Für sie ist es eine ähnlich große Leistung, wenn sie wieder den Weg zum Bäcker oder zur Post finden.“
Ob es noch andere blinde Autobastler in Deutschland gibt, kann niemand genau sagen. „Ich persönlich kenne keinen blinden Autoschrauber, aber warum soll das nicht möglich sein?“, sagt Peter Brass, Mitglied im Präsidium des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes (DBSV). Menschen ohne Sehvermögen hätten alle möglichen Leidenschaften: „Blinde Menschen können zwar nicht gucken, aber ansonsten können Sie ganz Vieles und haben auch die unterschiedlichsten Hobbys - Surfen, Bergsteigen, Ins-Kino-Gehen.“
Die Trabis bleiben in der Familie
Röthig will seinen weißen Trabi P 60 bis Ende des Jahres fertig und wieder fahrbereit haben. Etwa 10.000 Euro sei der Wagen dann wert. Und bleibt in der Familie, denn verkaufen will Röthig die Pappe nicht. Genauso wenig, wie seine anderen beiden „Schätzchen“.
Lieber fährt er damit ein paar Mal im Jahr zu Trabi-Treffen. Zu den Treffen begleiten den sechsfachen Vater seine Frau oder sein 26-jähriger Sohn. Den hat er mit seiner Autoleidenschaft angesteckt. Sie sitzen hinterm Steuer - denn selbst auf der Straße fahren, das kann Röthig zu seinem Bedauern nicht.
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Quelle: dpa
Meinen heftigsten Respekt an den Mann, ich wüsste nicht wie ich weiterleben würde wenn mir mein Augenlicht abhanden kähme. Ich finde es auch top wenn Leute trotz Handicap weiter Ihre Träume verfolgen.
Bei der Mechanik kenne ich das manchmal wenn man im Motorraum arbeitet und kaum mit den Händen hinkommt, Muttern und Schrabbeln ranfummeln ohne zu sehen wo. Kabelfarben kann man dann ja auch schlecht sehen
Sich zu Hause zurecht zufinden wo alles seinen Platz hat dürfte noch einigermaßen einfach sein, draußen wo alles lärmt und viel rumfährt und läuft stelle ich mir das schon viel schwerer vor. Abgesehen davon wird mir extrem unwohl wenn ich als Beifahrer mal für ein paar Minuten die Augen zumache und nicht sehen kann was passiert, da wird mir sogar übel.
Hut ab, wirklich toll, wenn man sich durch so eine massive Einschränkung nicht von seinen Interessen und Hobbys abhalten lässt. Dieser Mann ist ein tolles Beispiel für jeden Menschen!
Riesengrossen Respekt!
Auch an seine Helfer.
ist er nicht.
blind, richter und autoschrauber
Meinen Respekt.
Ich denke, mit viel Geduld würde der gute Mann auch weit mehr als Trabant richten können.
So oder so, Hut ab.
Meinen tiefsten Respekt!
geiler Typ also es gibt Leute die haben es gelernt und schaffen es nicht mal Ölfilter zu verbauen ohne ihn zu Schrotten und dann kommt er und baut ganze Autos wieder auf ohne im wahrsten Sinne des Wortes hinzusehen.
Ich ziehe meinen Hut Sir!
Das ist begeisternd: Der Herr hat nicht nur eine enorme treibende Kraft, sondern er strahlt diese noch nach außen. Motto: "Was auch passiert, ich mache weiter." Toll. 😊 Und Autoschrauberei ist eben ein tolles Hobby.
Den allergrößten R E S P E K T meinerseits, ich ziehe meinen Hut.😊
Endlich mal wieder ne schöne Geschichte, die auch zu Motor-Talk paßt, anstatt olle schäbige Berliner Taxen zu promoten.
Wie klein werden beim Lesen dieses Berichts die eigenen Probleme, die man manchmal zu haben glaubt.
Ein echter "stiller Held des Alltags".
Gruß
electroman
Wofür trägt er eigentlich die Schutzbrille?
Weil eine Verletzung am Auge nicht sein muss! Auch wenn er nix mehr sieht braucht man keine Wunden!
Nicht böse sein! Aber intelligent ist die Frage nicht. Wenn man glühende Funken in die Augen bekommt, schmerzt das heftig. Egal ob das Auge funktionstüchtig ist oder nicht.
Meinen allerhöchsten Respekt und Bewunderung für diesen Mann.
Blinde Physiotherapeuten können oft Verspannungen und andere Unregelmäßigkeiten oder pathologische Veränderungen ertasten, die Sehenden mangels ausgeprägten Tastsinn verschlossen bleiben. Diese Eigenschaft kommt beim Reparieren natürlich auch sehr zu Gute.