Carlos Tavares: PSA Peugeot Citroën-Chef im Exklusiv-Interview
"PSA braucht vor allem globale Autos"
Vor Apple und Google hat er keine Angst, und zur Elektromobilität seine eigene Meinung: Carlos Tavares, CEO von PSA Peugeot Citroën, im Exklusiv-Interview mit MOTOR-TALK.
Frankfurt am Main – Carlos Tavares, 57 Jahre alt, ist seit März 2014 der mächtigste Automanager Frankreichs. Der gebürtige Portugiese übernahm PSA Peugeot Citroën, nachdem er zuvor 33 Jahre bei Renault gearbeitet hatte – dort aber nicht an Carlos Ghosn vorbeikam.
Wir treffen Carlos Tavares auf dem Citroën-Stand bei der IAA 2015. Auf dem Fahrersitz der Studie „Cactus M“ sitzt ein scharfsinniger Mann, ein kühler Rechner und glühender Petrolhead.
Bei der Frage nach seinem favorisierten Rennauto hält sich Tavares nicht mit Serienmodellen auf. Kein PSA-Modell fällt ihm ein, auch kein Bolide seiner Ex-Arbeitgeber Renault oder Nissan. Zuerst denkt Tavares an einen GP2-Formelrenner, den er kürzlich fuhr: "600 Kilo, 620 PS, ein V8-Sauger mit vier Litern Hubraum“. So redet jemand, der Autos liebt. „Ein sehr, sehr schnelles Auto“, freut sich der PSA-Chef.
"Das Internet ist primär ein neues Feature"
MOTOR-TALK: Herr Tavares, weg von Rennwagen, hin zur Serie. Welches Auto fahren Sie gerade?
Carlos Tavares: Einen Peugeot 508. Im Dienst habe ich einen Chauffeur und arbeite im Auto, privat fährt meine Familie einen 508 Kombi.
MT: Wie stark verändert das Internet Ihre Autos?
Tavares: Marginal. Das Internet ist primär ein neues Feature. Ein unverzichtbares zwar, aber da gibt es noch andere. Viele Kunden wollen durchgängig mit ihren Freunden und ihrer Familie verbunden bleiben, egal ob zuhause, im Auto oder im Büro. Das liefern wir, und damit ist das Thema eigentlich bearbeitet.
MT: Trotzdem herrscht Unruhe in der Branche. Auch bei Ihnen? Werden die großen Internet-Unternehmen wie Google und Apple Partner der Autoindustrie bleiben oder Wettbewerber werden?
Tavares: Ich nehme an, sie werden Partner. Aus einem einfachen Grund: Diese Unternehmen werden von intelligenten Menschen geführt. Warum sollten sie in eine Industrie einsteigen, wo man sehr viel investieren muss, der Gewinn aber relativ niedrig ist und das Risiko sehr hoch? Ich vermute daher nicht, dass die Manager dieser Unternehmen dieses Risiko eingehen wollen, sondern dass sie Partnerschaften mit uns suchen, denn wir haben in dieser schwierigen Branche das Fachwissen und langjährige Erfahrung.
MT: Stichwort Partner: Für das Druckluft-Hybridsystem „Hybrid Air“ haben Sie keinen gefunden. Planen Sie noch mit der Technologie?
Tavares: Hybrid Air haben wir gemeinsam mit einem deutschen Zulieferer entwickelt. Dieser konnte keinen weiteren Autohersteller dafür gewinnen, der sich das Investment mit uns teilen möchte. Daher verfolgen wir das derzeit nicht weiter.
Inzwischen sehen wir noch ein Problem mit Hybrid Air: Politiker könnten sich entscheiden, eine bestimmte Technologie zu fördern anstatt technologieoffene Umweltziele zu setzen. Das wäre für uns ein großes Risiko, wenn wir eine Technologie verwenden, die sonst niemand hat – denn dann stehen wir in der Ecke.
Ein Auto darf nicht nur vom Tank bis zum Reifen sauber sein
MT: Über Hybrid- und Elektroantriebe reden wir schon lange. Wann setzen sie sich durch?
Tavares: Die Elektrifizierung von Antrieben wird weitergehen, vielleicht auch schneller als bisher. Mir ist ein zusätzlicher Aspekt genauso wichtig, wenn wir von sauberer Mobilität sprechen: Saubere Energie. Ein Auto darf nicht nur vom Tank bis zum Reifen sauber sein, die Elektrizität muss auch nachhaltig produziert werden.
MT: Das kann die Autoindustrie nicht alleine leisten. Wer sind Ihre Partner?
Tavares: Die Regierungen müssen die Voraussetzungen für eine saubere Energieversorgung schaffen. Wenn Sie ein Elektroauto mit Strom aus Kohlekraft versorgen, beträgt der CO2-Ausstoß dieses Autos rund 140 g/km. Das hat nichts mit „Zero Emission“ zu tun. Deshalb müssen wir beide Entwicklungen vorantreiben.
MT: Welche Autos braucht PSA demnächst? Was machen Sie anders als bisher?
Tavares: PSA muss vor allem globale Autos bauen. Zu oft haben wir die Kreativität unserer Entwickler in zu vielen, regionalen Projekten verwässert. Jetzt verfolgen wir eine Kernmodell-Strategie: Weniger Modelle, und jedes muss vom ersten Tag an global gedacht sein. Das betrifft das ganze Fahrzeug: Plattform, Modell, Motoren, Ausstattungen. Das Ergebnis passen wir natürlich dennoch auf die einzelnen Märkte an.
MT: Ein Beispiel: Gibt es bei Citroën noch Platz für eine große Limousine? Kommt ein neuer C5?
Tavares: Citroën kann sich für solch ein Modell entscheiden. Nichts hält sie davon ab. Aber es muss profitabel sein. Unprofitable Vorschläge sind das einzige Tabu, das es bei PSA gibt. Denn wir müssen die Zukunft unserer Firma schützen, und unsere Fähigkeit, Gewinne in neue Produkte zu investieren.
"Neue Modelle? Das dauert nicht mehr lange"
MT: Wie stark kommen Sie selbst mit neuen Entwicklungen in Berührung?
Tavares: Ich bin sehr nah dran. Mindestens alle zwei Monate fahren unsere Vorstände selbst Prototypen, testen neue Entwicklungen, vergleichen mit Wettbewerbern.
Aus Management-Perspektive muss ich den Markenchefs trotzdem Freiraum lassen. Sie müssen am Ende die Story ihrer Marke mit ihren Produkten schreiben. Ich muss also die Balance finden zwischen Kontrolle und der Autonomie, die meine Teams brauchen, um ihr Potenzial zu entfalten.
MT: Wenn Sie vier Jahre in die Zukunft schauen: Was ist einzigartig an einem Citroën, was an einem Peugeot?
Tavares: Was einen Citroën einzigartig machen wird, sehen Sie an dem Auto, in dem wir sitzen. Er ist menschlich, optimistisch, komfortabel und smart. Technologie ist bei Citroën kein Selbstzweck, sondern trägt zu diesen Eigenschaften bei. Alles ist simpel und einfach zu benutzen. Ein Peugeot muss ganz anders sein, viel strenger. Er wird exzellent entwickelt und hochwertig produziert. Kein Angeberauto, aber sehr elegant, robust und hochwertig. DS wird die automobile Entsprechung französischen Luxus.
MT: Bis Sie diese Autos haben, dauert es noch ein paar Jahre. Wird das kurzfristig ein Problem?
Tavares: Zwischen 2016 und 2020 werden wir eine große Zahl neuer Modelle vorstellen. Das dauert also gar nicht mehr lange.
MT: Herr Tavares, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
(Das Interview führten Björn Tolksdorf und Timo Friedmann)
Schade, das man das "Hybrid-Air" eingestellt hat.
Na mal schauen, was da denn demnächst kommt 😆
Ups, das hab ich daraufhin jetzt erst mal hier nachgelesen..
http://www.automobil-produktion.de/.../
Bzw.
http://www.nzz.ch/wir-haben-die-technologie-im-griff-1.18536105
Hmmm..
PSA braucht also globale Autos.
Das stimmt....PSA bzw. die Anteilseigner brauchen das fuer die Rendite.
Kunden wollen keine globalen PSA genauso wenig wie sie globale Cheeseburger, globale Konsumgueter und globale sonst irgendetwas wollen.
The Moose
Hehe, global, das ist DIE DENKE, sollte ich auch mal ggü dem Nachbarn anstimmen.
Oder wenn das Toilettenpapier zu neige geht...
Ja die Franzosen und saubere Autos.
Ein Auto das in Frankreich gefertigt wird wo der Atomstromanteil bei 80% liegt mag ich sowieso nicht.
Neben dem Manager-Lifestyle-Geplapper liest sich der Mann sehr vernünftig.
Endlich mal jemand, der bei dieser aufgebauschten Internetwelle nicht mitschwimmt und diese Hysterie um Autos von Apple und Google souverän beiseite wischt.
Er sieht das "Vernetzte" am Auto als das, was es ist: Eine Zusatzausstattung.
Der liest sich wie ein moderner französischer Lopez - Rendite, Rendite, Rendite...
Das man die Kosten im Blick haben muss ist unbestreitbar richtig, aber der Mann hat markentechnisch mehr kaputt gemacht, als den Konzern zukunftsorientiert aufzustellen.
Die Rendite ist irgendwann wahrscheinlich top, aber mit einer verfahrenen Modellpalette/-politik wird man trotzdem keinen Blumentopf beim Kunden gewinnen!! Allein der Blödsinn mit jetzt 3 Marken. Besser wäre man hätte die jetzigen 2 Marken gestärkt, denn dieses ewige Markengerangel verunsichert doch die Kunden mehr als alles andere. Heute so, morgen wieder ganz anders...
Die Formel ist doch ganz einfach: baut einfach gute bezahlbare Autos, welche trotzdem technisch innovativ und chic sind. Vielleicht auch mal wieder nach Kundenwunsch! D.h. keine schwachsinnigen Ausstattungspakete, keine marktfremde Motor-/Getriebekombinationen oder ganz einfach auch mal ein Schiebedach als Option ;-)
100% richtig was Du hier schreibst. Ich war 25 Jahre PSA Kunde, und es wurde für mich immer schwieriger ein passendes Modell zu finden. PSA produziert am Kunden vorbei, egal auf wieviele Marken sie ihren Konzern aufteilen. Mich würde nur mal interessieren, wieviele Kunden Peugeot verloren hat wegen dem doofen 208/308 Cockpit. Mir ist schleierhaft welcher Kunde sich ein solches PlayStation Lenkrad gewünscht hat!!! Schade für die eigentlich sonst ganz passablen Automobile.
Sehr pragmatisch, gefällt mir!
Nun müssen aber endlich die neuen Autos auch so kommen!
Nur sehe ich zu Eurem letzten Interview mit PSA-Deutschland-Chef Albéric Chopelin (das IMHO inhaltsleeres Management-Bullshit-Bingo par excellence war) wenig Gemeinsamkeiten. Mal sehen, was das für die Zukunft bedeutet. 😉
Dann kaufst Du sicher auch keine Autos aus Deutschland, wo der Atom-/Kohlestromanteil bei über 63% liegt, zusammen mit Erdgas sogar über 70%?
Mir gefallen einige Franzosenautos, zumindest optisch.
Qualitativ sehe ich aber auch in aktuellen Modellen noch Defizite. Die Qualität im Innenraum ist eher mäßig, Verarbeitung und Materialien entsprechen nicht den Anspruch von Autokäufern aus Deutschland. Auch die Standard-Fahrwerke treffen nicht mein Geschmack
Die Franzosen werden in so manchen Kategorien von den Koreanern geschlagen, aber irgendwie sehe ich keine Bemühungen oder eine Qualitätsoffensive. Man scheint sich fast nur auf das Design eingestellt zu haben
'globale Autos' das ist sowas wie 'one size fits all'
Passt allerdings niemandem so richtig und wird daher nicht gekauft.
Wer viel reist, der sieht schon deutliche Unterschiede und Vorlieben in den Märkten.
Einheitsbrei hilft da garnicht.
Frank
Wie, im 508 kann man noch nicht vom Fahrersitz aus arbeiten?