Kurz vor Verjährung: Polizei schreibt offenen Brief an Unfallfahrer
"Und diese Angst verjährt nie"
Seit 2010 sucht die Polizei nach einem Autofahrer, der in der Halloween-Nacht einen jungen Mann überfuhr und Fahrerflucht beging. Kurz vor Beginn der Verjährung appelliert sie an sein Gewissen - und erhält einen anonymen Brief.
Bochum - Fünf Jahre nach einem tödlichen Autounfall versucht die Bochumer Polizei mit einer ungewöhnlichen Aktion, den bis heute flüchtigen Fahrer zu finden. Auf ihrer Internetseite veröffentlicht die Polizei einen Brief an den Täter und appelliert mit eindringlichen Worten an sein Gewissen und das von möglichen Mitwissern. Der Grund für diesen Schritt: Bei dem Unfall in Witten in der Halloween-Nacht 2010 wurde ein 20-Jähriger von einem Auto überrollt und getötet. Am 2. November wird die Straftat verjährt sein. Bis zum späten Samstagvormittag habe sich jedoch niemand auf den am Freitag veröffentlichten Polizei-Appell gemeldet.
Der 20-jährige Mann war 2010 am frühen Morgen auf dem Heimweg von einer Halloween-Party überfahren und ohne Hilfe zurückgelassen worden. Eine Krankenschwester fand ihn später tot. Mehrere Monate lang hatte die "Ermittlungskommission Christian" nachgeforscht. In mehr als 400 Wittener Haushalten wurde laut Polizei nach Hinweisen gefragt, mehr als 2.500 Autos wurden überprüft, rund 15.000 Handy-Verbindungsdaten aus der Tatnacht rund um den Unfallort ausgewertet. Trotz einer ausgesetzten Belohnung und eines Zeugenaufrufs 2014 bei "Aktenzeichen XY" ist der flüchtige Fahrer bis heute unbekannt.
Update: Anonymer Briefeschreiber meldet sich bei Polizei
Nach dem Aufruf der Polizei hat sich am Wochenende ein anonymer Briefeschreiber an die Polizei gewandt und wichtige Hinweise auf das Umfeld des Täters gegeben. "Die Person ist inzwischen vernommen worden", sagte am Dienstag ein Polizeisprecher. In dem Brief, der in der Nacht zum Samstag hinter dem Scheibenwischer eines Polizeiwagens gesteckt hatte, schrieb der Verfasser, er wolle sein "Gewissen bereinigen". "Die Angaben werden derzeit überprüft", hieß es. Details nannte die Polizei nicht.
Der Staatsanwalt betonte, wenn es sich um fahrlässige Tötung mit Fahrerflucht handele, könne der Fahrer nicht mehr belangt werden. Sollte sich aber herausstellen, dass eine unterlassene Hilfeleistung mit für den Tod des jungen Mannes ausschlaggebend gewesen sei oder die Tat sogar vorsätzlich begangen wurde, gebe es keine Verjährung. Die Staatsanwaltschaft will auf jeden Fall weiterermitteln lassen.
Hier der Brief der Polizei im Wortlaut:
"Sind Sie eine Frau oder ein Mann und wie soll ich Sie überhaupt anreden? Ich weiß es nicht! Ich weiß allerdings, dass Sie vor knapp fünf Jahren auf der Rüsbergstraße in Witten-Herbede einen Fußgänger, der erst 20 Jahre alt war, mit einem Pkw überrollt und getötet haben. Danach fuhren sie einfach weiter. Und ich weiß auch, dass es keine 72 Stunden mehr dauert, bis diese skrupellose Unfallflucht verjährt sein wird, die in der Bevölkerung immer noch Entsetzen und Empörung auslöst.
Sie werden durch die umfangreiche Berichterstattung der Fernseh- und Radiosender sowie der Printmedien Jahr für Jahr erfahren haben, dass der Verunglückte am 1. November 2010 nach einer Halloweenparty auf der Burg Blankenstein zu Fuß auf dem Heimweg war und zum Unfallzeitpunkt (04.25 Uhr) sein Elternhaus fast erreicht hatte. Dann haben Sie den Wittener überfahren, sich nicht um ihn gekümmert und sind weitergefahren. Wir wissen, dass sie in dieser Nacht mit einem Opel Corsa (Baujahr 2001-2006) unterwegs waren. Ermitteln konnten wir Sie trotz größter Bemühungen sowie einer ausgelobten Belohnung in Höhe von 5.000 EUR bislang nicht.
Wir gehen davon aus, dass Sie sich in den zurückliegenden Jahren bei Freunden oder Bekannten "offenbart" haben. Aber Sie und Ihre Mitwisser haben unseren Appell, endlich bei der Polizei "reinen Tisch zu machen", bislang nicht wahrgenommen. Ja, Sie alle haben den Druck bislang ausgehalten, der seit fünf Jahren auf Ihnen lastet. Wie Sie sich in dieser Zeit gefühlt haben, wenn es an Ihrer Tür geschellt hat oder das Telefon klingelte - wir wissen es nicht!
Noch einmal, wir wissen aber sehr wohl, dass am 2. November, also in weniger als 72 Stunden, eine der schlimmsten Verkehrsunfallfluchten in der Geschichte des Bochumer Polizeipräsidiums verjährt sein wird. Doch eins steht fest! Auch nach der Verjährung werden Sie Ihre Schuldgefühle sowie die Angst, verraten oder entdeckt zu werden, nie mehr loswerden. Und diese Angst verjährt nie! Können Sie und Ihre Mitwisser damit bis zum Ende des Lebens klarkommen? Wohl kaum!
Deshalb sollten Sie und Ihre "Vertrauten" sich bis zum Ende des 1. November im Bochumer Verkehrskommissariat (Tel.: 0234 / 9099) oder in der Wittener Polizeiwache (Tel.: 02302 / 209-3821) melden.
Wie soll ich mich in diesem offenen Brief von Ihnen und Ihren Mitwissern verabschieden? Ich weiß es nicht - vielleicht mit einem "Bis bald"!"
Sowas kann verjähren? Welchen Sinn hat das denn?
Natürlich nur zur nationalen Sicherheit, der Flüchtige könnte ja ein Terrorist sein!
Seit wann verjährt eigentlich Mord? Dazu zähle ich Fahrerflucht (auch wenn es der Gesetzgeber nicht tut).
Bin auch sehr erstaunt, daß so was verjähren kann...
So lange er keine Steuern hinterzogen hat, ist das wohl halb so schlimm 🙄
Gewissen, Moral und Anstand sind ein Auslaufmodell.😕 Der Ruf wird ungehört verstummen... Leider.
Perfekt! Alles gesagt.
ich finde den Brief nicht gut. Viel zu angriffig, so wird sich der Täter bestimmt nicht melden.
Die Idee hingegen ist sicher in Ordnung, aber die Wortwahl ist - zumindest für mich - nicht optimal oder sogar schlecht.
Auch ich kann es nicht nachvollziehen, dass es verjähren kann und so schnell.
Habe eben geschaut, Mord verjährt nicht und Totschlag erst nach 20/30 Jahren. Verstehe nicht, warum es hier nach 5 Jahren passiert.
Abgesehen von der Frage wieso das verjährt - müsste man mal abändern, ist der einzige Punkt für mich nur der:
Selbst wenn er sich meldet, er lebt doch schon so oder so mit dem Druck für den Rest seines Lebens.
Nicht falsch verstehen - er sollte sich absolut seiner Verantwortung stellen aber wenn er nachdenkt wird er wohl auch auf den Gedanken kommen:
"Stelle ich mich, werde ich bestraft aber das macht es nicht ungeschehen und lässt mich (vielleicht) nicht besser schlafen, denn schuld bin ich so oder so immer - der Mensch ist tot und ich bin Schuld" wird er sich sagen.
Also selbst wenn sie verjährt ändert sich für sein Gewissen, einen Menschen getötet zu haben, nichts.
Daher nehme ich einfach an, es wird sich auch keiner melden.
Wegen der Verjährung.
Unter was fällt es?
Mord ist Vorsatz.
Unterlassene Hilfeleistung -> Check
Fahrlässige Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen? -> da es keine Absicht war (davon ist wohl auszugehen?) wird das Strafmaß einfach ein geringeres sein.
Darum wohl die 5 Jahre.
Fällt unter §§222, 142 StGB und dieses Delikt verjährt nunmal nach fünf Jahren gemäß §78 StGB. Finde ich auch unbefriedigend, ist aber so.
Für einen Mord braucht man übrigens eines von den sechs Mordmerkmalen neben dem Vorsatz. Für eine fahrlässige Tötung reicht der Eventualvorsatz 😉
Trotzdem, Verjährung nach 5 Jahren??? Ist für mich nicht nachvollziehbar, egal was entsprechende Gesetzestexte aussagen. Ich glaube auch nicht, daß sich der Verursacher jemals melden wird. An das Gewissen appellieren wird leider m.M.n. in solchen Fällen nichts bringen. Wer jahrelang mit so einer Schuld leben kann, wird sich durch Appelle nicht genötigt sehen, seine Schuld rechtlich einzugestehen. Die Angst vor Strafe ist größer als sein Gewissen zu erleichtern. Auch nach der Verjährung glaube ich nicht , daß sich der Täter jemals melden wird.
Ich weiß nicht, ob die Verjährung im Strafrecht wie im Zivilrecht zum Jahreswechsel verjährt. In dem Fall wäre es ein kluger Schachzug: Der Täter meldet sich im November unter der Gewißheit, es sei verjährt, dann ist es das gar nicht - voila.
Es gibt so vieles in unseren Gesetzen, was nicht nachvollziehbar ist...
Und am schlimmsten ist "Tateinheit". Gäbe es das nicht, könnte man fahrlässige Tötung, unterlassene Hilfeleistung und Fahrerflucht addieren - inkl. der Verjährungsfristen!
Und selbst wenn der Täter sich melden würde, was für eine Strafe droht denn?
Wegen Tateinheit wird nur der schlimmste Punkt bemessen und das ist wohl die fahrlässige Tötung und dafür gibt es bis zu 5 Jahre Haft oder Geldstrafe. Mit nem guten Anwalt werden daraus 12 Monate auf Bewährung!
MT scheint wohl schon zu wissen, dass es ein Mann war.
Stimmt, ist mir gar nicht aufgefallen!
Darf man so was denn, bei dem heutigen Gender-Wahn? Aja, das diskriminiert ja nur Männer... das ist ja was anderes 😉