Bentley Continental GT Speed: Test
„Zu viel“ auf Englisch
Dieser Gentleman trägt Turnschuhe: Mit dem Zusatz „Speed“ wird der Bentley Continental GT zum bärenstarken Gran Turismo – oder zum beleibten Sprinter.
Berlin – Wer in diesem Auto hinter einem Toyota Prius fährt, der fühlt sich schuldig. Schuldig am Elend der Welt. Denn Weltverbesserer finden, dass dieses Elend entscheidend in den Brennräumen von Hubkolbenmotoren entsteht. Der Continental GT Speed hat zwölf davon. Sechs pro Zylinderbank, in doppelter VR-Bauweise. Bei Bentley (soll heißen: VW) nennt sich das „W12“.
Ökologisch betrachtet sind das mindestens acht Gründe, dieses Auto nicht zu kaufen. Auf jedem gefahrenen Kilometer verbrennt „der schnellste Bentley aller Zeiten“ ein kleines Saftglas voll Super Plus zu fast einem halben Kilogramm CO2 – fünf Mal so viel wie der japanische Hybrid.
1. Gang: Die Basis
Das liegt aber nur zum Teil am drittgrößten PKW-Motor des VW-Konzerns. Der Bentley selbst ist ein Gigant, ein Koloss. Gut 2,3 Tonnen Gewicht lasten auf vier 275er-Reifen. Der riesige Kühlergrill ragt so weit in den Himmel, so dass der Bentley dem Wind einen ähnlichen Widerstand entgegenstellt wie ein Ford Mondeo Turnier – trotz der flachen Continental-Dachlinie. Das Gegenteil einer Stromlinienkarosse, aber immerhin schnittiger als ein Audi RS6.Als erster neu entwickelter Bentley unter dem VW-Dach teilt sich der Continental seine Plattform mit einem Wolfsburger aus Dresden. Der Phaeton stiftet Basis und Grundmotor.
2. Gang: Das Beste
Zwei Turbolader in Handballgröße verdichten die Luft im Ansaugtrakt des Sechs-Liter-Aggregats. Mehr Luft und mehr Sprit produzieren im GT Speed 625 PS. Dazu kommen 800 Newtonmeter.
Der Anlasser stottert nicht, er dreht. Frei wie eine Flugzeugturbine auf dem Weg zur Startbahn. Zwei Zylinderbänke potenzieren jenen rotzigen Sound, der Golf-VR6-Fahrer so begeistert. Aus zwei flachen Auspuff-Endrohren dringt ein tiefes Grollen nach außen, laut blubbernd und dumpf pröttelnd. Eine Geräuschkulisse, gegen die alle Priuse dieser Welt im Chor keine Chance haben.
Vergessen sind Schuldgefühle, Schadstoffe, das Elend. Bei einem Tritt aufs Gas zwingt ein breites Grinsen das grüne Gewissen ins letzte Eck der Hirnwindungen. Nach einem Blinzeln passiert man automobile Gutmenschen im Straßenverkehr. Der Bentley hängt brutal am Gas und fast könnte man sein Gewicht vergessen. Zumindest so lange das Ziel geradeaus liegt.3. Gang: Das Schwächste
Nur wehe, die nächste schnelle Kurve kommt. Erstaunlich lange bleibt der Bentley stabil. Doch mit einer Idee zu viel Ambition zerrt das Stahlgetüm an den Gummis, dann schiebt der britische Bulle über die Vorderachse - trotz hecklastiger Allrad-Abstimmung. Der Antriebs-Klotz sitzt weit vorn und wiegt fast 300 Kilogramm.
Und er kostet Geld. Viel Geld. Bentley gibt an, dass die Ventile 14,5 Liter Sprit pro 100 Kilometer in die Brennräume spritzen. Das redaktionsintern beste Ergebnis waren knapp 13 Liter Durchschnittsverbrauch auf einer Strecke von 20 Kilometern. In der Alltags-Praxis verbrennt der Continental selten weniger als 20, eher mehr als 25 Liter.
Dabei könnte sparen so einfach sein. An der Ampel schlürft der Motor munter weiter den Tank leer (knapp drei Liter pro Stunde). Beim Bremsen entsteht genug Wärme, um ein Haus zu heizen – oder eine potenzielle Hybrid-Batterie zu laden. Das mag man einem übergewichtigen Sprinter (oder einem kraftvollen Gran Turismo) verzeihen. Einst waren es aber genau diese Autos, die mit technischer Brillanz imponierten. Heute, im Jahr 2014, gehört zu technischer Brillanz mehr als nur sehr schnelles Geradeaus fahren.
4. Gang: Das Überflüssigste
Es ist der Überfluss, der dieses Auto so durstig macht. Und so besonders. Viel Gewicht, viel Kraft, viel Komfort. 0,6 Millimeter dünnes Furnier von 14 ausgewählten Baumarten, Leder von nordeuropäischen Kühen, vernäht in der Bentley-Heimat Crewe. Ein Mitarbeiter arbeitet 25 Stunden lang an den 1.700 Euro teuren Kontrast-Nähten auf den Sitzen des Continental GT. Jeder Schreiner lernt bei Bentley vier Jahre lang, bis er alle Arbeitsschritte perfekt beherrscht. Von der ersten bis zur letzten Schraube dauert die Produktion des Coupés 108 Stunden.Da passt es so gar nicht, dass an der unpassendsten Stelle gespart wurde. Zum Beispiel an den Schaltwippen. Die stammen vom Phaeton und sehen lächerlich aus. Die linke stört beim Blinken, die rechte beim Wischen und beide sind nie dort, wo man sie gerade benötigt.
Ähnlich fehl am Platz: Das antiquierte Navigationssystem (aus dem VW-Baukasten) und viele Knöpfe aus schnödem Plastik. Ein unschöner Kontrast zum sonst schönen Innenraum.
5. Gang: Das Wissenswerte
Trotzdem gelingt dem GT Speed ein Spagat zwischen Sport und Luxus. Das Fahrwerk federt je nach Modus sanft bis hart, das Achtgang-Automatikgetriebe von ZF schaltet schnell und weich. Das Gewicht wird von der enormen Leistung scheinbar leicht gehalten. Nur der Reifendruck passt nie in allen Fahrsituationen.
Für sanftes Gleiten und gleichmäßigen Gummi-Abrieb empfiehlt Bentley ein niedriges Niveau (hinten: 2,3 bar). Ab 120 km/h erhöht ein ausfahrbarer Heckspoiler den Anpressdruck auf der Hinterachse. Bei Höchstgeschwindigkeit drückt der Wind mit 120 Kilogramm auf dem Coupé-Hintern. Das und die zusätzliche Belastung durch die Geschwindigkeit erfordert ab Tempo 270 einen höheren Druck (hinten: 3,4 bar). Ein Ingenieur möge sich hierfür bitte eine automatische Lösung ausdenken.
6.: Das Besondere
Bentley fährt man nicht nur aus Überzeugung. Sondern auch, um gesehen zu werden. Und dieser GT Speed zieht Blicke auf sich. Vor einem Einfamilienhaus in Brandenburg wirkt er, als wäre die Queen persönlich zu Besuch. In der Stadt ragt er mit seiner Breite von 2,12 Metern weiter auf die Straße als alle anderen.Ein Rentner erkundigt sich nach der Leistung – und wird nach der Antwort für einige Sekunden sprachlos. Ein Mechaniker kommentiert die Enge des Motorraums: „Da passt nicht mal ein Marder dazwischen“, und freut sich aber dann über die gut zugänglichen Pollenfilter. „Aber einen Lader möchte ich da trotzdem nicht tauschen.“ Jeder möchte mitfahren, niemand stört sich am Verbrauch oder am Preis.
Ausrollen: Fazit und Preis
Der liegt so hoch, dass man sich gedanklich sofort vom schnellsten Coupé aus Crewe verabschiedet: Rund 211.000 Euro ruft Bentley in der Basisversion auf. Dafür gibt es Kraft wie in einem Lamborghini, Luxus wie in einer Mercedes S-Klasse und den Charme eines britischen Autos. Ab sofort leistet der Motor übrigens 10 PS mehr. So wird aus dem 330-km/h-Coupé ein 331-km/h-Coupé. Überflüssig, klar. Aber das mögen wir manchmal.
Übrigens: Ohne den Zusatz "Speed" wird der Continental GT 22.600 Euro günstiger. Der fährt mit 575 PS aus dem gleichen Motor (mit anderer Abstimmung) immerhin 318 km/h schnell.
Bentley Continental GT Speed: Technische Daten
- Motor: 6,0-Liter W-Zwölfzylinder mit zwei Turboladern
- Getriebe: Achtgang-Automatik von ZF
- Leistung: 625 PS
- Drehmoment: 800 Nm
- Verbrauch: 14,5 l/100 km (NEFZ)
- CO2: 338 g/km
- Testverbrauch: 20,4 l/100 km
- 0 – 100 km/h: 4,2 s
- 0 – 160 km/h: 9,0 s
- Höchstgeschwindigkeit: 330 km/h
- Länge x Breite x Höhe in m: 4,81 x 1,94 x 1,39
- Leergewicht inklusive Fahrer: 2.320 kg
- Kofferraum: 358 l
- Grundpreis: 211.582 Euro
- Testwagenpreis: 243.860,75 Euro
Quelle: MOTOR-TALK
Tolles Auto! Jedoch Armatur und die Schaltkulisse schauen aus wie im IV-er Golf, das hätte besser gelöst werden können.
Oh man, der Innenraum ist doch wohl hoffentlich nur ein Witz? Die A-Tafel erinnert an Skoda Octavia oder so was.
Das hatte schon in den 80ern etliche Audi Quattros auf dem Schrott landen lassen.
Gas geben, wenn er über die Vorderräder schiebt, nimmt man Gas weg, braucht man an eine Kurvenfahrt keinen Gedanken mehr zu verschwenden, dann gehts in oder durch den Gegenverkehr.
Was soll man denn auch groß anders machen? Ist eben ein Cockpit, ein elegantes noch dazu.
Sehr schönes Auto, auch wenn ich mir für das Geld vermutlich etwas anderes Britisches holen würde 😉
Wie im 4er Golf ? Brille ???? Oder meinste den VI (6) er ???
Des weiteren gehört Bentley zum Volkswagen Konzern 😉
Halten wir also fest: Grottiges Fahrwerk, Technik, die in diesem Jahrtausend wirklich nichts mehr zu suchen hat (z.B. Automatikgetriebe mit Stufen!), Insgesamt ineffizienter Antrieb, gegen den selbst eine frühe Dodge Viper als Spritsparwunder durchgeht (die Ur-Viper habe ich auf unter 10 Liter gekriegt), auf einige Leute billig wirkendes Interieur (siehe die Vergleiche mit VW und Skoda), ... was kommt als nächstes?
Auf jeden Fall scheint Bentley wenn ich das so lese deutlich nachgelassen zu haben. Ich kenne zwar aus eigener Erfahrung "nur" den Arnage, aber solche Eindrücke hinterließ der bei mir nicht.
Die Radiosenderwahl des Testers gefällt mir!
\m/ 😊
Das nenne ich doch mal einen echten "Fortschritt durch Technik mit stilistischer Rückwärtsrolle".
Haben "wir" den Karren nun neu entwickelt oder nach Griff in die Regale einen blechernen Formentraum wahr werden lassen?
Um W12 zu fahren, genügt ja schon ein A8.
Aber das Problem an der VAG-Massenware ist die extrem kurze Neuwagennutzungszeit, bis ein neues Auto ein gefühlter Altwagen ist. Wenn der Aschenbecher voll ist, wird meist schon das Nachfolgemodell in stark veränderter Formensprache angeboten.
Ein Bentley hingegen ist nahezu zeitlos. Der hat auch nach 5 oder 8 Jahren noch einen ungetrübten Gesellschaftsfaktor und würde auch einen nackten Fahrer gut angezogen aussehen lassen.
Und ob das Fahrwerk wirklich so schlecht ist wie beschrieben, läßt sich aus der (Er)fahrung von ein oder zwei Fahrern und wenigen Kilometern nicht hinreichend aussagekräftig beurteilen.
Insofern, und da sei im wesentlichen auf den Designverfall der Mutterkonzernproduktpalette verwiesen, ist ein Auto für eine viertel Million Euro sicherlich keine billige Anschaffung, aber im Vergleich zu ähnlichen Fahrzeugen zielgerichteter Statusargumentation doch recht günstig.
Die Karosserieform ist so abgrundtief konservativ und "britisch", daß es schon wieder klassische Fahrzeugerotik ist. Doch...., ich gebe zu, die Form gefällt mir.
Innen sieht es tatsächlich so aus, als hätten wir alles schon mal irgendwo gesehen.
Kraftstoffverbrauch - nun gut, ich könnte mir nicht vorstellen, mit diesem Auto Jahreslaufleistungen von 30000km mit nahezu ausschließlich privatem Nutzungsprofil zu fahren. Da würde bei mir kein geistiger "Rotstift" mehr ausreichen, da bräuchte es schon einen nachfüllbaren Faserschreiber Edding superbreit.
Aber das Auto hat einen, ich muß dafür bald mal ein neues Wort erschaffen, "männlichen Pussyfaktor"
Außer die grottig knittrige Ladeflächenbodenabdeckung. Das geht besser - muß ich nur bei meinem "Schiff" gucken.
Ein wenig Kritik noch an die MT-Redaktion:
Wenn ihr schon eine Motorleistung im Jahre 2014 in PS angebt - und dies ausschließlich - dann wäre doch eine Preisangabe in DM, besser noch in Reichsmark längst überfällig. Oder die Fahrzeuglänge in "Fuß". Bayrischer Fuß oder preußischer - das sei euch überlassen. Den Meter gibt es ja nun auch noch nicht so lange.
Merke: Wer trotz stetiger Bewegung auf seinem bisherigen Standpunkt verharrt, fällt irgendwann in ein Loch. In diesem Sinne: Normen sind dazu da, daß wir gemeinsam weiterkommen 😊
Den Continental GT finde ich zwar irgendwie schick, aber für das richtige "haben-will"-Gefühl fehlt dann doch was.. Mir würde der Rolls Royce Wraith eher liegen. Allerdings werde ich beide Autos nie besitzen.. 😉
Ich muss aber sagen, mir gefällt der Stil des Artikels leider nicht. Einige Formulierungen erschweren das flüssige Lesen erheblich und ich habe mir bei jeder gedacht, dass man das auch anders hätte schreiben können.. "zu viel" halt 😉
Das interessiert mich einfach nicht und ich hätte mir an dieser Stelle einfach eine konkrete Zahl gewünscht, mit der man etwas anfangen kann. Stattdessen fängt man an zu grübeln, wie denn hier ein kleines Saftglas definiert wird 😉
Warum setzt du dich auf die Straße? Davon bekommt man einen dreckigen Arsch. Sowas machen Kinder, aber nicht Leute, die mit solchen Werten umgehen. Soll das cool sein? Ich hoffe, du hast dich anschließend nicht noch mal auf die hellen Polster gesetzt.😕
Ich finde ja interessant, dass der W12 laut MT weniger CO2 ausstößt als mein Fiesta. Der Bentley soll gerade mal 118g/km ausstoßen und das bei fast 15l Norm-Verbrauch.
Guckt mal nach 😉 .
Also die Schaltwippen sind hier wirklich mit Abstand das kleinste Problem.
Wieso wird ein fehlendes Start/Stopp System bemängelt? Wer sich so ein Auto kauft, dem ist der Verbrauch egal. Aber die Käufer mögen wohl dafür das schöne Brummeln des Motors an der Ampel. Und es ist auch nicht jedermanns Sache, dass der Motor an jeder Ampel spontan ausgeht und wieder gestartet wird bevor man anfahren kann. Das entspricht nicht der Klasse dieses Fahrzeugs.
Der hat ´nen CO2 Abscheider wie für Kraftwerke geplant ist 😉