Daimler setzt doch auf umstrittenes Kältemittel
Ab 2017 verwendet Mercedes R1234yf
Seit 2012 sucht Daimler nach Wegen vorbei am umstrittenen Kältemittel R1234yf. Vergebens? Ab 2017 kühlen alle Baureihen außer E- und S-Klasse mit der brennbaren Chemikalie.
Stuttgart – Das ist ein Hammer: Daimler setzt ab 2017 in den meisten Baureihen nun doch das Kältemittel R1234yf ein. Jene Substanz also, deren Einsatz Daimler seit 2012 vehement ablehnte. Begründung damals: Der Stoff ist brennbar, und bei internen Tests der Stuttgarter stellten die Techniker die Freisetzung hochgiftiger Flusssäure fest.
Als erster (und bisher einziger) Hersteller lehnte Daimler es öffentlich ab, die Substanz in Klimaanlagen zu füllen. Dafür riskierte der Konzern hohe Strafen seitens der EU und ihrer Mitgliedsstaaten. Medial geriet dieser Kältemittelstreit in Vergessenheit, doch die Uhr tickte weiter.
Nur noch bis zum 1. Januar 2017 dürfen Autohersteller das klimaschädliche Kältemittel R134a in älteren Autos verkaufen. Für neue Fahrzeugtypen ist diese Frist bereits 2011 abgelaufen. Einige Hersteller erkämpften sich die Schonfrist bis 2017 mit Tricksereien bei der Typzulassung. Das führte dazu, dass Frankreich zeitweise den Verkauf bestimmter Modelle mit dem alten Klimamittel R134a verbot.
Einsatz nur in E- und S-Klasse
Warum jetzt die Kehrtwende? Und ist es überhaupt eine Kehrtwende, die Daimler da hinlegt? 2013 einigte sich die deutsche Autoindustrie auf CO2 als umweltfreundliches und nicht brennbares Kühlmittel für Klimaanlagen. Am Tisch saßen neben Daimler auch BMW, Audi, VW und Porsche.
Das Problem: Es gab keine serienmäßig einsetzbaren Klimaanlagen auf CO2-Basis. Unter Hochdruck begann die Entwicklung. Nun teilt Daimler mit: Pünktlich zum Januar 2017 kann und wird der Hersteller die ersten Fahrzeuge mit CO2-Klimaanlage ausrüsten.
„Dank ihrer besonders schnell verfügbaren und hohen Kälteleistung sorgen CO2-Klimaanlagen selbst bei sehr heißen Außentemperaturen in kurzer Zeit für ein angenehmes Wohlfühlklima im Fahrzeuginnenraum“, schreibt der Hersteller. Es gibt nur ein Problem: Zum Stichtag kann Daimler diese Anlagen nur „für seine Top-Modelle realisieren“. Die neue E-Klasse sowie die S-Klasse erhalten die „nachhaltige Premiumlösung unter den Klimasystemen.“ Die neue E-Klasse, die im Januar 2016 vorgestellt wird, macht den Anfang.
Sicherheitssysteme für übrige Baureihen
Ein flottenweiter Einsatz, sagt Daimler, sei dagegen zum Stichtag nicht darstellbar – jenem Stichtag, zu dem der Verkauf der bisherigen R134a-Klimasysteme eingestellt werden muss. Um die entsprechende EU-Richtlinie einhalten zu können, wird Daimler sämtliche übrigen Baureihen von A- bis C-Klasse, von GLA bis GLE und Co. auf das „böse“ Kältemittel R1234yf umstellen.
Es handle sich dabei um das „bislang einzige in industriellem Maßstab produzierte Kältemittel“, mit dem die EU-Richtlinie umsetzbar sei. Um den einst selbst diagnostizierten Gefahren gerecht zu werden, will Daimler die betroffenen Baureihen besonders sicher machen: So separiere eine Schutzeinrichtung im Fall eines Crashs das Kältemittel-/Luftgemisch von heißen Motorteilen. Diese werden gleichzeitig von einem Gasgenerator heruntergekühlt, der das Gas Argon versprüht.Ob es sich dabei um eine Übergangslösung handelt, konnte ein Daimler-Sprecher auf Nachfrage nicht sagen: „Diese Lösung ist der aktuelle Stand“, sagte der Sprecher zum Einsatz der von den Chemieriesen Honeywell und DuPont vertriebenen Substanz R1234yf.
R1234yf weit verbreitet
Im Streit um das Kältemittel hatte die EU-Kommission Druck auf die Bundesregierung ausgeübt und im Januar 2014 ein Verfahren wegen der Verletzung von EU-Recht eingeleitet, weil das Kraftfahrtbundesamt Mercedes-Modellen mit dem alten Kältemittel die Zulassung für den Straßenverkehr erteilt hatte.
Die Untersuchungen liefen weiterhin, hieß es nun aus Brüssel. Nach dem Einlenken des Autobauers dürften sie jedoch bald hinfällig werden. Viele Importeure, aber auch BMW, Opel und Ford setzen das umstrittene Kältemittel in neu typzugelassenen Modellen ein. Für Aufsehen sorgte Mazda: Der japanische Hersteller bot Kunden im Jahr 2013 an, Modelle vom Typ CX-5 auf das alte Mittel R134a umzurüsten.
🙁
Was für ein Aufwand...
Pff, wen interessiert's, brennt's halt ein bisschen bei nem Crash 🙄
...kann jeder machen/kaufen was er will...
Tja, da war man minimal zu langsam. Aber immerhin nur eine kurzzeitlösung. E bekommt es ab Markstart und S ab Mopf. Bei den anderen Modellen dürfte es aber meist auch nur ein Zeitraum von maximal zwei Jahren sein.
Und immerhin: MB ist der einzige Hersteller, der standhaft geblieben ist.
Idioten.
Wenn die anderen Hersteller, die da am Tisch saßen auch auf CO2 umstellen oder auch Tesla, könnte sich das auch für die Masse lohnen.
Sehr gut. Das reduziert die Instandhaltungskosten im Alter doch erheblich, weil man a) selbst auffüllen kann (ungiftig) und b) CO2 drastisch günstiger als R1234yf sein wird. Wenn sich die ersten Skaleneffekte einstellen, wird das mit dem MFA 2 sicher auch kommen.
Jop. Wenn die Kiste anfängt zu brennen, ist doch egal was dabei rauskommt. Ob das Kältemittel Flusssäure freisetzt, ist angesichts den Schadstoffen die beim verbrennen von Plastik im Autobrannt entstehen, völlig nebensächlich. Wer das einatmet ist auch ganz ohne Klimaanlage nach wenigen Atemzügen tot.
Nein, eben nicht. Und zwar genau dann nicht, wenn das freigesetzte Gas Flusssäure ist. Man muss das Zeug nämlich nicht einatmen, Hautkontakt reicht, was bei einem gasförmigen Stoff ziemlich schwer zu vermeiden ist...
Einfach mal Flusssäure googeln!
Dann wird klar, wieso ein gewissenhafter Hersteller das Zeug unmöglich mit den bisherigen Techniken einsetzen konnte. Ich finde es sehr gut, dass MB standhaft geblieben ist bis zuletzt und nun als Übergangslösung, wo es sich nicht mehr vermeiden lässt, das Zeug zwar einsetzt, aber mit großem zusätzlichem Aufwand dafür sorgt, dass es sich nicht entzünden würde. Bestärkt mich darin, MB zu fahren. Offenbar ist man dort nicht nur an den Crashtest-Ergebnissen, sondern wirklich an der Sicherheit der Insassen interessiert.
"R1234YF".... BEST. NAME. EVER.
Denk ich mir jedes Mal wenn ich da drüber nen Bericht lesen muss. Auch wenns nichts zum eigentlichen Thema beiträgt.
Bitte einmal "Flusssäure" googeln. Das Gas, was hier entsteht, ist ziemlich fies. Man muss es nicht einmal einatmen, um daran jämmerlich zugrunde zu gehen, Hautkontakt reicht...
Der Kompressor arbeitet bei einer CO2-Klimaanlage mit wesentlich höherem Druck als bei einer R1234yf-Klimaanlage. Das dürfte sich eigentlich auch auf den Verbrauch auswirken. Bei der E- sowie die S-Klasse fällt das nicht so auf.😊😆
Der Druck ist völlig egal, wenn das Druckverhältnis gering ist. Die Antriebsleistung ist z.T. sogar deutlich geringer, weil kleine Druckverhältnisse bei gleichzeitig kleinem Verdichter gefahren werden können (isentroper Verdichterwirkungsgrad). Problem bei CO2 sind hohe Außentemperaturen, damit eintretende hohe Verdichtungsendtemperaturen und die überkritische Prozessführung. Die führt dann zu kleinen spezifischen Kälteleistungen und eben da ist das Problem. Die hohen Drücke sind fast nebensächlich.
Klar, wenn sonst kein Argument zieht, wird die Verbrauchskeule rausgeholt. Ein sauberer Diesel verbraucht auch richtig viel Diesel.
Ich bin froh, dass Mercedes die CO2-Klimaanlage weiter entwickelt. So kommt etwas Bewegung in den Markt. Bisher gingen gute Neuerungen immer von der Oberklasse aus.