Reportage: Auto-affine Start-ups in Berlin
Akkus auf Rädern und Sprachsteuerung für alle
In Berlin suchen unzählige Start-ups nach dem nächsten großen Ding. Wir haben zwei innovative Unternehmen aus der Autobranche besucht und stellen ihre Ideen vor.
Von Haiko Prengel
Berlin – Wenn Holger Weiss morgens in sein Auto steigt, wartet dort schon sein Assistent auf ihn. Genauer: Er klebt an der Windschutzscheibe. „Hey Chris“, begrüßt Weiss seinen Adjutanten, „habe ich neue Nachrichten?“ Und ob, antwortet Chris. „Du hast 83 neue Nachrichten.“
Als Geschäftsführer eines vielversprechenden Berliner Start-ups ist Holger Weiss eben ein oft kontaktierter Mann. Das Gute daran: Als Miterfinder des ersten quasi vollumfänglichen Sprachassistenten speziell für Autofahrer kann der 48-Jährige sein Handy in der Hosentasche lassen. Sein digitaler Assistent übernimmt. So bleiben die Hände am Steuer und die Augen auf der Straße.
Hello Chris: Digitaler Assistent für das Auto
Berlin gilt als deutsche Start-up-Metropole. Aus dem ganzen Land ziehen Kreative in die Szeneviertel der Hauptstadt, um an dem florierenden Netzwerk teilzuhaben und die eigenen Ideen umzusetzen. Vom Boom der Digitalwirtschaft profitieren insbesondere die Autohersteller. Ob vernetzte Mobilität oder Forschung an neuen Batterien für Elektroautos: Auf dem Feld der sogenannten Automotive-Start-ups tut sich eine Menge.Der Sprachassistent Chris wurde im Hinterhof eines alten Kreuzberger Gewerbehofs ausgetüftelt. Wo früher eine Druckerei war, liegt heute das Büro von German Autolabs. Was das junge Unternehmen erfunden hat, ist mehr als eine lustige Spielerei: Durch seine intelligenten Sprachfunktionen könnte der digitale Assistent dabei helfen, ein gravierendes Problem zu lösen. Er verhindert die potenziell lebensgefährliche Nutzung von Mobiltelefonen beim Autofahren.
Nur schnell eine Nachricht beantworten, ein Telefonat führen oder das Navi einstellen: Laut Bundesverkehrsministerium ist inzwischen jeder zehnte Verkehrstote auf Ablenkung zurückzuführen. „Und der ADAC hat errechnet, dass es mehr Tote im Straßenverkehr durch Smartphone-Nutzung gibt als durch Alkoholmissbrauch“, sagt Holger Weiss, CEO von German Autolabs.
Der Assistent arbeitet auf Zuruf
Der studierte Betriebswissenschaftler arbeitete schon Anfang der 2000er-Jahre für die Automobilindustrie, indem er praktische und bezahlbare Navigationsgeräte mitentwickelte. Damals kosteten Navis noch mehrere Tausend Euro und waren Oberklasse-Fahrzeugen vorbehalten.Die Idee mit dem Sprachassistenten kam Weiss im eigenen Auto, einem älteren VW Touran. „Ich habe mich oft selbst mit dem Handy am Steuer erwischt“, gibt er zu. „Da dachte ich, das kann doch eigentlich nicht sein.“ Also begann er, an einem Assistenten für die Nachrichtenübermittlung im Auto zu arbeiten. 2016 gründete Weiss zusammen mit seinem Partner Patrick Weissert das Start-up German Autolabs.
Damit der Sprachassistent funktioniert, ist lediglich ein bluetoothfähiges Smartphone notwendig. Unterstützt werden die Betriebssysteme Android und iOS. Über Spracherkennung und Gestensensor kann man als Autofahrer berührungslos mit Chris kommunizieren. Der Assistent reagiert sowohl auf Sprachbefehle als auch auf Wischbewegungen, mit denen man zum Beispiel im Adressbuch weiterblättern oder die Lautstärke anpassen kann.
„Chris spricht aktiv mit Dir“, heißt es in der Produktwerbung. Tatsächlich sind kleine Dialoge mit dem Assistenten möglich. Auf Aufforderungen, etwa einem Kontakt im Adressbuch eine Nachricht zu schreiben, reagierte Chris bei einer Testfahrt binnen Sekunden. Wenn man Musik hören möchte, wünscht man sich Titel oder Album und der digitale Beifahrer spielt die entsprechenden Songs.
Aktuell versteht Chris deutsch und englisch, weitere Sprachen sollen folgen. Die Sprach- und Soundausgabe erfolgt über einen eigenen Lautsprecher. Langfristig soll er sich mit Autoradios koppeln. Für ältere Fahrzeuge ohne moderne Standards bekommt er einen FM-Transmitter.
Notstrom per Fahrrad: Chargery
Hinter dem Steuer am Smartphone zu hängen, das könnte Christian Lang nicht passieren. Denn der 31-Jährige besitzt gar kein eigenes Auto. In Berlin vertraut er vor allem auf das Fahrrad, um mobil zu sein. Genau das ist der Kern seines Start-ups Chargery: Das junge Unternehmen bietet einen mobilen Ladeservice für Elektroautos an – mit dem Fahrrad.„Die Idee hatte ich nach der Lektüre eines Technologie-Newsletters“, erzählt Lang. Darin stand ein Beitrag über einen Lieferservice für Benzin in England. Das kam ihm sinnlos vor. Ein Auto zu betanken, dauert schließlich nur wenige Minuten. „Einige Tage zuvor bin ich aber ein Elektro-Auto mit geringer Reichweite gefahren. Von meiner Wohnung war die nächste Ladesäule 15 Fußminuten entfernt. Und jeden Tag morgens und abends da hinlaufen, das hat genervt. Da dachte ich: Für E-Autos wäre das doch super.“
Wenn man das Büro von Chargery besucht, wundert man sich, wie man in so einer Atmosphäre überhaupt arbeiten und sich konzentrieren kann. Ein schrilles und penetrantes Surren erfüllt die Räume. Das kommt von den Dutzenden Akkus, die hier mit neuem Saft aufgeladen werden, rund um die Uhr.
Ökostrom für liegengebliebene Stromer
Chargery hilft dabei mit, die Elektromobilität in Berlin voranzubringen. Der Senat hat sich vorgenommen, die Metropole zu einer Vorzeigestadt auszubauen. Doch Elektroautos sieht man auf den Straßen noch selten, was auch am schleppenden Ausbau des Netzes mit Ladesäulen liegt. Rund 650 Stationen sind in der Millionenstadt öffentlich zugänglich, bis 2019 will der Senat die Zahl auf 1.600 erhöhen. Ein ambitioniertes Ziel.„Eigentlich gibt es immer zu wenig Ladesäulen, weil ja die Zahl der Elektroautos kontinuierlich steigt“, findet Lang. Mit seinen mobilen Ladestationen stopft das Start-up zumindest einen Teil der Versorgungslücke: Steht im Umkreis von drei bis fünf Kilometern ein Elektroauto mit leerer Batterie, schwärmt bei Chargery ein Fahrradkurier aus.
Der hat einen frischen Akku dabei, um den Wagen wieder zu laden. Die Ladestation befindet sich dabei im Fahrradanhänger. Die Energie bezieht Chargery von einem Energieunternehmen, das nachhaltig produzierten Strom garantiert.
Momentan dauert es noch etwa vier Stunden, bis ein Elektroauto mit Öko-Strom aus dem Fahrradanhänger wieder aufgeladen ist. Bei Chargery tüfteln sie aber schon an einer neuen Generation von Aufladestationen, die den Zyklus auf weniger als eine Stunde reduzieren sollen, erklärt Mitgründer Paul Stuke.
Sieben mobile Ladestationen und mehr als 150 Akkus sind derzeit bei Chargery im Einsatz. Pro Fahrradanhänger können täglich drei bis vier E-Autos versorgt werden. Mit der neuen Generation an Ladegeräten könnte diese Zahl deutlich erhöht werden.
Stromlieferung ohne Emissionen
Und warum das Ganze per Fahrrad? Aus zwei simplen Gründen, erklärt Lang: „Zum einen ist ein Fahrrad in Städten wie Berlin das schnellste Fortbewegungsmittel. Zum anderen möchten wir die Energie emissionsfrei zum jeweiligen Elektrofahrzeug bringen.“Mit DriveNow hat Chargery bereits einen prominenten Großkunden gewonnen. Seit knapp einem Jahr laden die Fahrradkuriere die Fahrzeuge von BMWs Carsharing-Tochter tagtäglich mit neuem Saft aus erneuerbaren Energien auf. Darüber hinaus sind die Berliner derzeit mit einigen Automobilherstellern im Gespräch, um eine Kooperation auszuloten.
Chargery sitzt in Berlin-Mitte. Der Bezirk galt lange als der Nukleus der deutschen Start-up-Szene. Nerds und Kreative sind hier immer noch in Scharen anzutreffen, zum Beispiel im St. Oberholz am Rosenthaler Platz. Das Café wurde als Hotspot der digitalen Bohème berühmt.
Ein wenig gehe ihm dieser aufgeblasene „Start-up-Shit“ auf die Nerven, sagt Paul Stuke. „Am Ende geht es doch darum, dass eine Idee auf die Straße kommt, dass der Service funktioniert und die Kunden zufrieden sind.“
Chris debütiert auf der IFA
Liefern will bald auch German Autolabs in Kreuzberg. Zur Elektronik-Messe IFA, die am Freitag (31. August 2018) unter dem Berliner Funkturm beginnt, will das Start-up seinen Sprachassistenten Chris offiziell launchen. Dann wird die Hardware ab sofort zu kaufen sein, zu einem Preis von 300 Euro.
Es könnte also sein, dass Assistent Chris demnächst an vielen Windschutzscheiben klebt und dafür sorgt, dass Autofahrer beim Nachrichtenschreiben und Telefonieren ihre Hände am Steuer lassen. Mittelfristig könnte das intelligente System sogar ab Werk und integriert in Neufahrzeuge eingebaut werden, hofft Holger Weiss. „Wir sind schon mit den Herstellern im Gespräch.“
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TOP Ideen! Richtig klasse.
Vor allem mit dem Sprachassi...die ganze Touch Thematik ist so etwas von daneben...frage mich immer noch wer sich so etwas für das Auto ausgedacht hat!
Also in Berlin ist das sicher nicht immer zutreffend. Fährt man mit dem Fahrrad regelkonform, hängt man nämlich auch zu häufig an den Ampeln fest. Ampelfreie Kreuzungen sind zunehmend eine Rarität.
Und nicht regelkonform zu fahren erhöht das Risiko eines Unfalls. Selbst die Fußwege sind nicht mehr frei von Rädern. In den letzten Monaten gab einige Situationen, in denen ich fast als Fußgänger von Radlern angefahren worden wäre. Ich überlege schon, mir eine passende Rechtschutzversicherung zu beschaffen.
Das schnellste Verkehrsmittel durch Berlin ist der Regionalexpress gefolgt von der S-Bahn (wenn es keine Weichenstörung oder einen Notarzteinsatz gibt).
Was kann "Chris" denn, was "Siri" oder "OK Google" nicht auch schon können? Lautstärke ändern? Radiosender ändern? Eine echte Fahrzeugintegration ist nicht vorhanden. Aber an der Windschutzscheibe ist ja, neben Navi, Handy und jetzt Chris, sicherlich noch Platz. Den Verkehr beobachten und sich sogar darauf zu konzentrieren? Warum? Und Gesten? Gibt's bei BMW und sind aus meiner Sicht unnötig. Nicht alles, was machbar ist, ergibt einen Sinn.
Und Chargery? Für Notfälle mag das interessant sein, aber ob es sich lohnt, eine Fahrradfotte aufzubauen für überschaubare Einzelfälle? Wer mit der täglichen Reichweite eines eFahrzeugs nicht klarkommt oder zuhause bzw. vor Ort nicht verlässlich laden kann, der wird sich sicherlich nicht ein eFahrzeug zulegen, weil es einen Fahrradkurrier gibt, der kommt und dann in *VIER* Stunden das Auto laden kann (was soll der Kurier denn als Stundenlohn verdienen, während er daneben steht und wartet?). Selbst eine Stunde wäre nicht zielführend. In Notfällen akzeptabel, um zur nächsten Säule zu kommen, aber nicht als Grundversorgungsmodell wie es hier vorgestellt wird.
Wieviele Fahrzeuge lädt Chargery denn aktuell täglich und was kostet der Service?
Für mich sind das nette Ideen, aber ich glaube kaum, das beide in 2-3 Jahren noch existieren werden.
Sehe ich ähnlich wie du. Die mobilen Ladestationen sind zu langsam und einfach nicht rentabel. Schöne Idee, aber wird sich sicherlich nicht durchsetzen.
Bei Chris sehe ich nun auch keinen wirklichen Mehrwert. Wer ein normales Handy dorthin hängt, der kann doch mit den mal guten oder schlechten Sprachassistenten auch alles machen...
Also einen Batterieauto mit Batterien aufzuladen die vorher auch aufgeladen werden müssen?! Kranker gehts nimma oder? Wirkungsgrad?
Bzgl. Sprachsteuerung: Mein Handy reagiert auf "Hey Siri" ... wozu dann dieses komische Ding?
Äh ja, total verrückt! Das wäre ja so, als wenn man ein Fahrzeug mit Kraftstoff auftankt, durch ein anderes Fahrzeug, welches selber Kraftstoff braucht! Verrückt!
Ernsthaft: Der Wirkungsgrad ist immer noch deutlich besser als bei einem Verbrenner, und den Ansatz mit der Fahrradauslieferung finde ich gut, auch wenn ich nicht recht weiß, wie das ganze gewinnbringend funktionieren soll.
"Wenn man das Büro von Chargery besucht, wundert man sich, wie man in so einer Atmosphäre überhaupt arbeiten und sich konzentrieren kann. Ein schrilles und penetrantes Surren erfüllt die Räume."
Nach Hauptsache keiner von der Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz liest hier mit und stattet den Jungs da einen Besuch ab.
In Autos gehören keine "smarten" Handy-Assistenten, sondern Handy-Störsender die nur noch Notrufnummer ermöglichen.
Die Leute sollen sich gefälligst aufs Autofahren konzentrieren und nicht während der Fahrt telefonieren. Wer telefonieren will, soll rechts ranfahren und im Stand telefonieren. Die meisten Leute nehmen sich viel zu wichtig mit ihren Handys - nicht nur im Auto. Kann der Like auf Facebook nicht mal eine halbe Stunde warten?
Immer mehr Blödsinn im Auto die nur noch mehr Probleme erzeugen und weiteren Blödsinn erfordern.
Baut wieder Knöpfe und Schalter ein die man auch ohne hinzugucken benutzen kann, statt diese dämlichen Touchdisplay!
Es gibt Länder in Europa, da kassierst Du eine ordentliche Strafe, wenn Du "Chris", wie im Bild gezeigt, montierst.
Wer hängt sich so die Scheibe zu?
Das Ding sieht aus wie nur ein Fahrradanhänger (keine Pedale, kein Lenker, kein Sattel, kein E-Antrieb, da fehlt das Zugfahrzeug auf den Fotos😆), da muss keiner daneben stehen und warten, abkoppeln, anschließen und ab zum nächsten Akkupacktransport😉
Was sich durchsetzt oder nicht, wer weiß das schon ... über Handys mit Touchdisplay wurde auch gespottet und dann kam der Apfel Steve um die Ecke und hat seine Interpretation vorgestellt ...😜
Eigentlich ähnlich wie die ganzen Foodkuriere, die Hauptfirma, Investoren und Aktionäre werden kugelig rund vom Geld. Der "Selbstständige" Student/Nebenjobber ohne Absicherung ist halt ne kleine Leuchte, fällt er aus kommt der nächste der eine ZZeit lang die Packs durch die Stadt radelt, wohlhabend werden die nicht...
In Berlin sollten sie lieber nach Stopfen für deren Haushaltslöcher suchen, anstatt pseudocool nach dem "nächsten großen Ding".
In Zeiten von Nullzinsen mögen geschäftsuntaugliche Hipster ja noch irgendwie überleben können, aber auch die EU wacht irgendwann mal auf und dreht den allen den Hahn zu. Nur... bleibt dann noch irgendwer in Berlin übrig? 😆
Das was sie beschreiben und als Vergleich heranziehen gibt es wirkich. Nennt sich Luftbetankung ... vornehmlich bei Kampfjets verbreitet.
Meinen PKW muss ich selbst zur Tankstelle fahren ... irgendwie will keiner der Tanklaster zu mir nachhause kommen für die 60l.
Sprachs und stolperte über den nächsten Kuhfladen 😆
du, mir wäre es manchmal auch lieber, diese ganzen Landeier würden bleiben, wo sie herkommen. Andererseits sind wir in Berlin so weltoffen, dass wir auch den letzten Schwaben oder Bayern oder Hessen aufnehmen, der nur ein klein wenig geistige Freiheit und Weiterentwicklung sucht. Und genau diesen Drang nach Kreativität, Innovationen und Individualismus kann diese Stadt befriedigen und befördern. Schwer vorstellbar auf dem Land, aber ist so 😉
Zu den Ideen:
Powerpack für das iPhone habe ich, brauche ich auch oft. Funktioniert sicher auch gut für e-Mobile. Hab mich eh schon oft gefragt, wie die DriveNow-i3s so alle geladen werden, wenn ich sie fast leer abstelle.
Und damit hat chargery ja nun den Primus schon mal gewonnen. Ich drücke die Daumen!
Hello Chris: Naja, als Nachrüstlösung für alte Fahrzeuge könnte das klappen. Meine Fahrzeuge haben eigene Sprachbediensysteme. Siri lässt sich auch über das MFL bedienen. Für mich käme nur eine vollintegrierte Lösung in Frage. da ist das Startup ja dran. Bin gespannt!
Finde den Assistenten irgendwie sinnlos mein C-Max ist von 2011 und ich kann per Sprache sogar die Klimaanlage bedienen. Wenn man telefonieren will dann sagt einfach die Nummer oder den Namen des Gesprächs Partner. Anstatt das Geld für sinnlose Alufelgen auszugeben sollte man lieber das Kreuz an der richtigen Stelle der aufpreis Liste machen.