Porsche Macan S Diesel: Test

Anti-Porsche mit viel Nutzwert

verfasst am Sun Apr 05 11:36:54 CEST 2015

Dieser Porsche ist auf den ersten Blick nichts für Porsche-Fans. Trotzdem verkauft er sich wie warme Würstchen. Wird es etwa Zeit, alte Prinzipien über Bord zu werfen?

Berlin – Es scheint, als hätten vor allem Nicht-Porsche-Fans auf so ein Auto gewartet. Der Macan hat alles, was ein traditioneller Porsche-Fan nicht braucht: hohe Sitzposition, V6-Motor, Diesel und Platz für fünf Personen. Trotzdem (oder gerade deswegen?) war das SUV im vergangenen Jahr Porsches zweiterfolgreichstes Modell nach dem 911. Was kann der Macan sonst noch? Wir haben das SUV mit Dieselantrieb getestet.

1. Gang: Die Basis

Der Porsche Macan steht auf der gleichen Plattform wie der Audi Q5. Doch das sieht man dem Macan nicht an. Sechszylinder-Diesel, die Achsen und das Siebenstufen-Doppelkupplungsgetriebe stammen aus dem Audi-Regal. Allerdings wurden die Bauteile so verändert, dass sie eine Verwandtschaft gut kaschieren. Das Cockpit schmiegt sich eng um den Fahrer, wie ein guter Turnschuh um die Füße: Nike Air Jordan statt Adidas Samba.

2. Gang: Das Beste

Von Innen wird der Unterschied noch deutlicher. Die Verarbeitung ist besser, die Sitze sind schmaler und die Instrumente erinnern an andere Porsche-Modelle: mittiger Drehzahlmesser, ansteigende Mittelkonsole und ein Zündschloss, das dort sitzt, wo es für Fans der Marke hingehört: links neben dem Lenkrad.

Der 3,0-Liter-Diesel ist eine vernünftige Motorisierung. Aber nicht nur. Denn 258 PS und vor allem 580 Newtonmeter Drehmoment stehen ab 1.750 Umdrehungen bereit. Ein Tritt aufs Pedal und der Macan sprintet aus dem Stand in 6,3 Sekunden auf Tempo 100. Bei 230 km/h ist Schluss. Das sind zwar keine Sportwagen-Werte, aber in der SUV-Diesel-Klasse hat der Macan damit die Haube vorne.

Wer es auf der Autobahn mit rund 140 km/h langsamer angehen lässt, kommt mit 7,2 Liter auf 100 Kilometer aus. Da werden Boxster-, Cayman- und Elfer-Fahrer neidisch. Auch wenn wir mit einem Durchschnittswert von 8,6 Litern Diesel die NEFZ-Norm von 5,9 Liter deutlich verfehlt haben.

Trotz der hohen Karosserie macht die Fahrt über die Landstraße Spaß. Für schnelle Kurvenkombinationen bei freier Strecke hat Porsche die Gesamtübersetzung und die Abstimmung des Siebengang-Doppelkupplungsgetriebes geändert. Es wählt und schaltet schneller als im Audi. Dazu passen die optional erhältlichen variablen Dämpfer (1.154 Euro) und das Torque Vectoring (1.487 Euro). Die Luftfederung schafft eine weite Spreizung zwischen „knüppelhart“ und „sofaweich“. Die Abstimmung ist gelungen.

3. Gang: Das Schwächste

Die neue Abstimmung des Doppelkupplungsgetriebes stößt beim Komfort an seine Grenzen. Beim langsamen Anfahren ruckelt es. Die Segelfunktion, bei der sich der Gang auskuppelt und die Drehzahl es Motors auf Leerlaufniveau absinkt, benötigt einen Tick zu lange, um wieder auf Touren zu kommen. Das nervt auf der Autobahn.

Trotz Allradantrieb ist das SUV kein Winterauto. Zumindest nicht, wenn er über Nacht auf der Straße parkt: die Seitenscheiben frieren zu. Sie lassen sich erst wieder öffnen, nachdem der Innenraum aufgeheizt ist. Unpraktisch ist auch, dass die Heckklappe nur von Innen oder mit der Fernbedienung zu öffnen ist.

Apropos Kosten: Der Macan S Diesel kostet mindestens 58.442 Euro. Für den vergleichbar motorisierten Q5 3.0 TDI Clean Diesel verlangt Audi 52.790 Euro. Das sind rund 6.000 Euro weniger. Wen das nicht stört, der braucht nur noch eines: Geduld. Kunden warten mindestens ein halbes Jahr auf einen bestellten Macan.

4. Gang: Das Überflüssigste

Man muss schon leidensfähiger Porsche-Fan oder Flugingenieur sein, um die breite Mittelkonsole praktisch zu finden. Die wirkt mit den vielen Knöpfchen und Tasten wie aus einem Airbus entliehen – und sorgt in den ersten paar Tagen für Verwirrung.

5. Gang: Das Wissenswerte

Porsche entwickelte den Macan, um neue Kunden anzulocken, vor allem Käufer, denen ein 911er oder ein Cayman zu unpraktisch ist. Das SUV-Segment wuchs in Deutschland vergangenes Jahr laut Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) um 20,6 Prozent. Dazu hat auch der Macan beigetragen. Seit Februar verkaufte Porsche in Deutschland 5.447 Macan, davon knapp 40 Prozent an Privatkunden.

Damit ist das neue Modell beliebter als der größere Cayenne, von dem in zwölf Monaten 5.374 Fahrzeuge verkauft wurden. Weltweit hat der Macan mit 44.636 ausgelieferten Fahrzeugen 24 Prozent Anteil an allen ausgelieferten Porsche-Modellen. In Deutschland ist übrigens noch immer der 911er das meistverkaufte Stuttgarter-Modell (7.056 Fahrzeuge).

6. Gang: Das Besondere

Was macht einen Porsche zu einem Porsche? Sind es Heckmotor, Boxer, zwei Türen und Benzin im Tank? Hardcore-Fans lehnen den Porsche Macan ebenso ab wie Cayenne und Panamera. Aber wer ein sportliches SUV sucht, kommt am Macan nicht vorbei. Neben dem starken Motor ist es das Allradsystem, das auf der Straße Spaß bereitet.

Statt Quattro-Antrieb wie beim Audi setzt Porsche auf einen voll variablen Allradantrieb. Das lässt die Kraft zu 100 Prozent an die Hinterachse – bei Audi ist das nicht möglich. Bei Vollgas in Kurven geht das SUV ganz leicht in den Drift, bevor die Stabilitätskontrolle greift. Das macht Spaß – und süchtig. Durch eine Mischbereifung mit vorne schmaleren Reifen arbeitet die Lenkung sehr direkt.

Dazu kommt die Porsche Torque Vectoring (PTV Plus) genannte elektronisch gesteuerte Verteilung des Antriebsmoments an die Hinterachse. Dabei wird abhängig von Lenkwinkel und -geschwindigkeit, Gaspedalstellung und Geschwindigkeit das Lenkverhalten durch gezielte Bremseingriffe am kurveninneren Hinterrad verbessert. Ein geübter Macan-Fahrer lässt sich von einem Boxster-Piloten nur selten abschütteln.

Fazit

Doch klar bleibt: 1,9 Tonnen bleiben sehr viel Gewicht. Die hohe Sitzposition mag bequem sein, der Asphalt ist aber für Kurvenschnüffler zu weit entfernt. Und deshalb wird der Macan wohl keinen echten Porsche-Fan überzeugen. Macht nichts, denn er hat offensichtlich schon viele eigene Anhänger gefunden.

Technische Daten Porsche Macan S Diesel

  • Modell: Porsche Macan S Diesel
  • Motor: 3,0-Liter-V6-Turbodiesel
  • Getriebe: Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe
  • Leistung: 258 PS
  • Drehmoment: 580 Nm
  • Verbrauch laut NEFZ: 5,9 l/100 km (Diesel)
  • CO2: 164 g/km
  • Verbrauch im Test: 8,6 l/100 km (Diesel)
  • 0 – 100 km/h: 6,3 s
  • Höchstgeschwindigkeit: 230 km/h
  • Kofferraumvolumen: 500 - 1500 l
  • Länge x Breite x Höhe in m: 4,68 x 1,92 x 1,62
  • Leergewicht: 1.880 kg
  • Preis: ab 58.442 Euro