Defender-Produktion in Solihull: Von der Gegenwart in die Vergangenheit
Antiquierte Produktion trifft historische Fertigung
Als wäre die Produktion des Defenders nicht anchronistisch genug, hat Land Rover im Stammwerk noch einmal die Fertigung aus Gründertagen aufgebaut. Wir waren dort.
Solihull/Großbritannien - Wer hier rein will, braucht normalerweise Warnwesten und Schutzkleidung. Zwar geht es bei der Produktion des Land Rover Defender im Stammwerk Solihull vergleichsweise gemütlich zu. Auch ohne funkensprühende Roboter ist ein Mindestmaß an Arbeitsschutz Pflicht. Hier nieten gut 200 Mitarbeiter pro Schicht die letzten Defender zusammen, bevor die Produktion zum Jahreswechsel endgültig eingestellt wird.
Das nahende Ende versetzt plötzlich alle Welt in große Sentimentalität: Jeder will noch einmal sehen, wie der vielleicht berühmteste Geländewagen der Welt gebaut wird. Dennoch darf die Arbeit nicht ins Stocken geraten. Denn die Uhr tickt.
Eine historische Produktion in der Produktion
Erst zum Ende der gut dreistündigen Werksführung geben sich die Briten großzügig und bitten noch einmal in eine improvisierte Garderobe. Mitten drin in der Halle, umschlossen vom in Zeitlupe laufenden Fließband, fliegen die Warnwesten in die Ecke. Stattdessen händigt Roger Crathorne graue Kittel aus. Denn jetzt nimmt der Mann, den sie alle nur „Mr. Land Rover“ nennen, seine Gäste mit auf den zweiten Teil einer Zeitreise und entführt sie in die Keimzelle der Firma: Die „Celebration Line“.
Auf einer Fläche so groß wie zwei Tennisplätze, hat Crathorne zusammen mit ein paar Kollegen noch einmal die ursprüngliche Produktion aufgebaut. Wenn man im grauen Kittel der Gründerväter entlang der Rollböcke und Werkbänke schlendert, die vergilbten Konstruktionsskizzen und Montageanleitungen sieht, dann wird klar, dass die altertümliche Serienfertigung draußen in der wirklichen Welt schon ganz schön modern ist.
Und dass es vielleicht doch langsam Zeit wird, dass ein neuer Defender kommt. So traurig es auch ist: Ein Auto, das unter solchen Bedingungen entwickelt und gebaut wurde, das passt besser ins Museum als in unsere Zeit. Und man kann sich einfach nicht vorstellen, wie man den Wagen und seine Produktion so modernisieren könnte, dass er vielleicht doch noch eine Zukunft hätte.
Mit solchen Fragen will sich Crathorne lieber nicht beschäftigen. Das macht ihn nur traurig. Statt dessen schwärmt er von der Vergangenheit und davon, wie alles begann: „In einer Fabrik genau wie dieser wurden vor 67 Jahren die ersten Autos gefertigt “, erzählt das wandelnde Archiv der Briten, ihr Geschichtspfleger, der Treiber hinter dem Projekt „Celebration Line“ und Hausherr in diesem musealen Verschlag.
Grauer Kittel statt greller Warnweste
Er hängt den Besuchern eigenhändig die grauen Kittel um, die Namen der Designer des Urmodells tragen. Erklärt ihnen die Stechuhr, mit der damals noch die Arbeitszeit erfasst wurde und führt sie dann in den Teil der Halle, in dem die Zeit stehen geblieben scheint. Wenn hier nicht alles so blitzblank wäre und sogar nach frischer Farbe riechen würde, könnte man fast meinen, hier hätte seit der letzten Schicht der Herren Wilks & Co wirklich niemand mehr einen Finger gekrümmt.
Dass hier alles so authentisch aussieht, kostete Crathorne und seine Kollegen viel Arbeit. Die Celebration Line ist kein Überbleibsel aus der Vergangenheit, sondern nagelneu aufgebaut, „Jetzt, wo die Produktion des Defender unweigerlich zu Ende geht, hatten wir den Eindruck, dass wir schnellstmöglich noch einmal alles zusammen tragen und die Geschichte für die Zukunft sichern mussten“, erzählt Crathorne.
Seit der Entscheidung für Celebration Line hat er sich durch Archive und Sammlungen gewühlt, ist durch Keller und Lager gekrochen und hat überall in der Land Rover Community gebettelt, bis er alle Exponate zusammen hatte. Aus den Lehrwerkstätten der Army, von ehemaligen Zulieferern und aus der eigenen Asservatenkammer stammt die beachtliche Dokumentation, den Rest baute Land Rover kurzerhand im alten Stil nach. Genau wie Ingenieure damals beim Kipptest können sich Besucher nun in einen Prototypen setzen und ausprobieren, wie sich eine Schräglage von 45 Grad anfühlt.
Ein Teil der Investitionen kommt durch den Eintritt von 45 Pfund wieder herein. Dennoch darf man getrost bezweifeln, ob die Celebration Line noch einmal so eine Rendite abwirft wie damals, als die Produktion zum ersten Mal aufgebaut wurde. Für die Fertigung des Land Rover hatten die Gebrüder Wilks vom Rover-Aufsichtsrat eine Basisinvestition von 74.000 Pfund verlangt und bereits im ersten Produktionsjahr 45 Millionen Pfund damit eingenommen.
Der Defender muss neuen Modellen weichen
Das wird Crathorne nicht mehr schaffen. Doch die Mühe für die Celebration Line hat sich gelohnt. Denn seit die Halle aufgebaut ist, sind die Führungen so gut gebucht, dass es für große Gruppen langsam eng wird. Und auch Einzelpersonen müssen sich sputen. Nur bis zum Ende des Jahres kann man sich noch anmelden und zur Zeitreise in Solihull starten. Danach ist vorerst Schluss.
Wenn die Defender-Produktion zum Jahreswechsel endgültig ausläuft, dann muss auch die Celebration Line erst einmal weichen: „Wir brauchen die Hallen für neue Modelle“; sagt Crathorne, während im Hintergrund schon die Gabelstapler die wenigen alten Werkzeuge rauswerfen, um Platz für ein Heer von Robotern zu schaffen.
Das soll dann Autos wie den Jaguar F-Pace oder den Discovery Sport bauen. Dann ist in Solihull auch kein Platz mehr für die Celebration Line, und selbst mit Warnwesten und Schutzkleidung haben Besucher hier dann nichts mehr verloren. Doch irgendein Plätzchen für die Keimzelle der ganzen Company wird sich schon finden, ist Crathorne überzeugt, „Jetzt, wo wir diese historische Werkstatt endlich wieder beisammen haben, werden wir sie nicht wieder zerschlagen.“
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Schade, die 2m und mehr an Fahrzeughöhe passt nicht durch mein Garagentor...
Ansonsten wäre der Defender auch mal was nettes für paar Jahre.
Der Neuzeitliche Müll kostet nur viel Geld und bietet kaum Platz und noch weniger Rundumsicht.
Andreas, hol dir doch den Lada Niva/Taiga. Kriegt man schon für unter 10000 flocken und ist ein ähnliches Kampfschwein 😆
Bei dem sieht's aber wohl nicht so gut aus mit der Ersatzteilversorgung.
Dann kauft man halt zwei 😆😆😆
Was mich mal interessieren würde, warum wird der Wagen eingestellt? Gibt es keinen Absatz mehr oder sind das wieder so ein paar lausige Vorschriften die da wo der Landi wirklich arbeitet eh nicht von nutzen sind?!
@MrMinuteMan: Durch den Aufbau und die Form des Fahrzeugs ist ein adäquater Fussgängerschutz nicht gewährleistet, wodurch es bei Unfällen zu schwersten Verletzungen kommen kann. Zudem ist auch die Motorisierung nicht mehr zeitgemäss, die Motoren erfüllen kaum mehr die Anforderungen an einen modernen, effizienten und umweltfreundlichen Antrieb des 21. Jahrhunderts.
Also irgend son EU-Gedödel. Als ob im bayrischen Wald beim Holzmachen oder im indonesischen Jungle jemanden die Abgaswerte oder der Fußgängerschutz interessieren. Zumal bei vielen dieser Autos, gerade in zweit und Drittweltländern, jede komplexe Technik wohl nach kürzester Zeit verrecken würde aufgrund von Terrain und den "Mechanikern vor Ort".
Da geht eine Legende. Aber trotzdem Danke für die Antwort 😊
Finde ich eine coole Sache. Und die Werkstatt hätte danach bestimmt noch Platz im Heritage Motor Centre. Irgendwann schaue ich mir das auch mal an!
Schade ist es schon, dass einer der letzten echten Geländewagen und so ein Klassiker eingestellt wird. Aber alles hat mal ein Ende. 😉 Wenn gleich es sicher nicht an den Motoren liegt, da hat man sich schon bei der Nutzfahrzeugabteilung von Ford bedient und die bauen auch weiterhin Transporter. Ob die nun aber im Busch zu reparieren sind ...
Es ist ja auch nicht so, dass der Defender das einzige Arbeitstier wäre. Toyota dürfte in diesem Bereich schon seit geraumer Zeit vorn liegen.
In der Tat, das tun sie.
Welcher Hersteller baut denn noch solche Arbeitstiere ? Eben.
Schau dir mal die IS Propaganda Videos ein bißchen genauer an - da findest du nur Toyotas ...
Ein Freund von mir hat seinerzeit einen L109 SIII mit Dieselmotor gekauft und ist damit anderthalb Jahre durch Afrika getourt.
Das Biest brach an allen Ecken und Enden auseinander und musste unterwegs jede Schweißstation ansteuern um den Rahmen wieder zusammenzubraten.
Eins muss man dem Ding zu Gute halten, egal was kaputt war oder mal wieder von den Einheimischen geklaut worden war, irgendwie war die Fuhre immer nach fahrfähig und ließ sich auch im hintersten Winkel der Welt mit den primitivsten Mitteln reparieren.
Kuriositäten am Rande. Der sparsame Dieselmotor erwies sich in weiten Teilen Afrikas als Problem, Diesel war nicht überall zu bekommen, und, das Fahrzeug war vor Fahrtantritt noch in Feuerwehrrot lackiert worden. Wie dann in Tansania festgestellt wurde, reagieren Elefanten recht aggressiv auf rote Autos. Da gabs ein ordentliches Loch im Aufbau.
Der Wagen blieb dann letztlich in Namibia zurück und finanzierte den Rückflug.
Die Land Rover sind ja nicht so legendär wegen ihrer Zuverlässigkeit, sondern weil man sie eben immer irgendwie am laufen halten kann. Zumindest die Älteren.
Schade drum.
Denke, dass nicht so viele von verschrottet werden. Die Defender werden noch in Jahrzehnten den Gebrauchtwagenmarkt erfreuen.
Jaja, wie sagt man...
"always sick but never dies". 😎
Sehr sogar. Ich mag die Kiste und hatte immer viel Spaß dabei, ihn zu fahren, auch wenn es ziemlich eng hinterm Lenkrad ist.