Serie: 50 Jahre Porsche 911 – Teil 5

Ausfahrt mit dem Porsche 996

Constantin Bergander

verfasst am Sun Apr 14 13:03:55 CEST 2013

Vor 50 Jahren hat Porsche ein Auto erfunden: Auf der IAA 1963 durfte die Welt zum ersten Mal den 911er bewundern. Das tut sie nun seit fünf Jahrzehnten. Wir widmen dem erfolgreichsten Sportwagen aller Zeiten eine Serie. Und je 50 Zeilen zum 50. Jubiläum.

Ausfahrt mit dem Porsche 966: So günstig ist kein anderer Elfer.
Quelle: Porsche

Weissach – Im 911-Stammbaum gilt der 996 als Ausreißer. Er ist wie ein pubertierender Jungspund, der alles besser weiß als seine Eltern. Die biedere – pardon – traditionsbewusste Fangemeinde rümpfte die Nase: Nach 34 Jahren entwickelte sich der 911 tatsächlich weiter. Schluss mit schlanken Formen, vorbei die Ära der runden Scheinwerfer. Und obendrein ein Kühlwasserkreislauf im Motor! Liebhaber verspotteten den 996, nannten ihn aufgrund der Lampenform „Spiegelei“.

Das "Spiegelei": 996-Scheinwerfer.
Quelle: Porsche

Porsche 996: Innovation vor Tradition

Dabei war eine gründliche Überarbeitung längst überfällig. Die Grundform des Motors stammte beim 996-Vorgänger 993 noch vom 911-Urmodell, selbst die Karosseriemaße hatten sich kaum verändert. Dementsprechend fielen die Änderungen zum 996 sehr umfangreich aus.

Der Wunsch nach immer besseren Fahrleistungen ließ sich nicht mit den Abgasnormen und dem Prinzip der Luftkühlung vereinbaren. Der 996 übernahm deshalb (unter anderem) die Wasserkühlung aus dem kurz vorher erschienenen Porsche Boxster. Die Kühlrippen an den Zylinderköpfen entfielen und machten Platz für zwei zusätzliche Nockenwellen: Pro Zylinder kümmerten sich erstmals vier Ventile um den Ein- und Auslass von Gemisch und Abgasen. Die Leistung des Basis-Boxers stieg auf 300 PS.

Schon beim Vorgänger hatte Porsche die „Kanonenrohr“ genannten Kotflügel entschärft. Beim 996 fielen die letzten Rundungen einer besseren Aerodynamik zum Opfer. Das senkte den cW-Wert auf einen Wert von 0,3.

Porsche 996 GT3: Bis zu 381 PS stark.
Quelle: Porsche

Viel Porsche für wenig Geld

Ziffern auf Papier vermitteln keine Emotionen. 300 PS gibt es heute in der Kompakt-Klasse, der cW-Wert ist geschenkt. Doch eine Zahl macht mich neugierig: Gebraucht gibt es den Porsche 996 für unter 20.000 Euro. Immer noch viel Geld, sehr viel Geld für einen mindestens neun Jahre altes Auto. Aber der Preis macht den 996 greifbar. Es sind keine 100.000 wie bei einem neuen Elfer, keine 50.000 wie bei einem G-Modell in Top-Zustand. Das hässliche Entlein kostet so viel wie ein neuer Kompakter des Mutterkonzerns, weniger als alle Vorgänger und Nachfolger. Der Einstieg in den 911-Mythos erscheint plötzlich bezahlbar.

Die Neugierde lässt meinen Blick über das verzinkte Blech schweifen. Die Front ist tatsächlich Geschmackssache, dafür wirkt das Heck stimmig. An der Silhouette hat Porsche fast nichts verändert. Und im Innenraum ist endlich richtig Platz: Der Radstand wuchs gegenüber dem Vorgänger um 18, die Breite um 10 Zentimeter. Armaturen und Navigationssystem wirken modern, Sitze und Türtafeln gefallen. Leider hat der Erstbesitzer meines Testwagens die Farbwahl verbockt – helles braun passt nicht in diesen Sportler.

MOTOR-TALK-Redakteur Constantin Bergander ist zum 50. 911-Jubiläum alle Generationen gefahren.
Quelle: Porsche

Technik stört den Mythos nicht

Wie üblich begehe ich den Porsche-Anfänger-Fehler: Ich suche das Zündschloss auf der rechten Seite. In allen Zuffenhausenern startet man den Motor links – ein Relikt aus alten Le-Mans-Zeiten. Der Anlasser dreht die Schwungscheibe, sechs Zylinder boxen seitwärts und die Kurbelwelle treibt Klimakompressor, Lichtmaschine und Wasserpumpe an. Letzteres merke ich natürlich nicht. Dafür aber die Drehfreude des 24-Ventilers hinter mir. Und den Komfort des 996, der fast an einen Gran Turismo erinnert. Die beiden Kühler hinter der vorderen Stoßstange stören höchstens Idealisten.

Fahrdynamisch steht der 996 seinen luftgekühlten Ahnen in nichts nach. Er beschleunigt, bremst und lenkt, wie es sich für einen 911 gehört. Begleitet vom heiseren fauchen des Doppelnockers denke ich kurz darüber nach, wie sich dieses Auto in meinem Alltag schlagen würde. Wahrscheinlich würde ihn meine Freundin sofort konfiszieren. Dafür ist er mir dann doch zu teuer.

Quelle: MOTOR-TALK

Das "Spiegelei": 996-Scheinwerfer.
Quelle: Porsche
Porsche-Teststrecke in Weissach: Der 996 liegt vorne, dicht gefolgt von einem 993.
Quelle: Porsche
MOTOR-TALK-Redakteur Constantin Bergander ist zum 50. 911-Jubiläum alle Generationen gefahren.
Quelle: Porsche
Größer, breiter, komfortabler und mit Wasser im Heck: Porsche 996
Quelle: Porsche
Porsche 996 GT3: Bis zu 381 PS stark.
Quelle: Porsche
Die Vollfett-Stufe: Porsche 996 GT2 mit bis zu 483 PS.
Quelle: Porsche
320 PS aus 3,6 Litern Hubraum: Porsche 996 4S.
Quelle: Porsche
Die Luft ist raus: Der Porsche 996 setzt auf Wasserkühlung.
Quelle: Porsche