Motorrad News
British Steel im Twin-Viertakt
Triumph Bonneville - kein anderes Motorrad verkörpert so sehr das britische Empire wie sie: Die Bonneville ist trotzig, rückständig und zeigt Anflüge von Größenwahn - aber sie ist auch liebenswert, stets bemüht und immer sehr unterhaltsam. Entweder man liebt sie oder man hasst sie.
Triumph Bonneville-Besitzer Dietmar Beck kratzt sich ratlos am kahlen Kopf. "Irgendwann hat es doch mal funktioniert?, murmelt der 48-Jährige und nestelt an dem kleinen Kippschalter im verchromten Lampengehäuse, um die Beleuchtung von Tacho und Drehzahlmesser zu aktivieren, die der Fotograf nun ablichten möchte. Vergeblich. Der Fürst der Finsternis hat wieder zugeschlagen.
Mechanisches Wesen mit empfindsamer Seele
Die Lucas-Elektrik der Triumph Bonneville - mit Plus an Masse, wie es sich im Vereinigten Königreich gehört - ist bekannt für ihre Kapriolen, und der beste Umgang damit ist Gelassenheit. In schweren Fällen hilft ein elektronisches Vielfach-Messgerät. Damit sollte der Triumph Bonneville-Besitzer selbstredend auch umgehen können, ebenso mit einem gut sortierten Werkzeugsatz in Zoll-Maßen. Bevor einer dumm fragt: Nein, eine eigene Drehbank ist nicht nötig. Naja, sehr selten jedenfalls.
Wie alle echten Liebhaber-Motorräder ist auch eine Triumph Bonneville nicht wirklich ein Motorrad, sondern eher ein mechanisches Wesen mit einer empfindsamen Seele. Und die will eben umsorgt werden. "Sie wollen, dass man sich Mühe gibt, und sie belohnen einen dafür", schreibt Ted Simon in seinem Buch "Jupiters Fahrt". Von 1973 bis 1977 reiste der Brite mit einer 500er-Triumph um die Welt, und die Begründung für seine Fahrzeugwahl war ebenso simpel wie pragmatisch: "Die Triumph ist eine bewährte Konstruktion, schwer kaputt zu kriegen und einfach zu reparieren."
Eine Triumph muss her
Als ich das Buch zum ersten Mal las, war ich noch im Kleinkraftrad-Alter, doch mir war klar: Eine Triumph muss her. Mangels Geld wurde es zunächst die japanische Kopie (eine Yamaha XS 650: Sie war schwerer, langsamer, ging aber genauso oft kaputt). Bald folgte tatsächlich eine Tiger 100 von 1968, die aber nie wirklich lief. Irgendwann gab ich auf.
Das Einzige, was ich noch von damals übrig habe, ist eine alte Wachsjacke von Belstaff (noch aus Stoke-on-Trent und nicht Gott-weiß-woher) mit einem Triumph-Sticker. Die Belstaff passt noch, prima, schließlich ist für heute abend Regen angesagt. Becks Triumph Bonneville lehnt vor der alten Backsteinmauer so lässig auf dem Seitenständer, wie es nur eine Triumph kann. Es ist ein 1976er Modell, im Grunde das letzte Aufbäumen der grandiosen Baureihe und einer Firma, die damals schon auf beinahe ein Jahrhundert zurückschauen konnte.
Gegründet wurde die Triumph Cycle Company 1886 von dem deutschen Einwanderer Siegfried Bettmann, 1902 rollte das erste Motorrad aus dem Werk im englischen Coventry. 1937 präsentierte Chefingenieur Edward Turner dann die 500er-Speed Twin mit einem kompakten Zweizylinder, der für alle Konkurrenten zum Vorbild und zum Synonym für britischen Motorradbau wurde. 19 Jahre später fegte der Amerikaner Johnny Allen in einer stromlinienförmig verkleideten 650er-Triumph mit stolzen 214 Meilen über den Salzsee bei Bonneville im US-Staat Utah, weshalb die sportlichsten Triumph-Modelle mit zwei Vergasern fortan Bonneville hießen.
Diese fuhren bis in die frühen siebziger Jahre ganz vorne mit, doch dann geriet auch Triumph in den Strudel, der die britische Motorradindustrie in den Abgrund riss, ein Wirtschaftskrimi biblischen Ausmaßes. Im September 1973 besetzten die Triumph-Arbeiter das Werk in Meriden vor den Toren von Coventry für 18 Monate, danach regierte eine Arbeiter-Kooperative. Doch die Motorradwelt hatte sich weiter gedreht, daran konnten auch 750 cm3, Fünfganggetriebe und je eine Scheibenbremse in Vorder- und Hinterrad nichts ändern. Für Entwicklungen fehlte das Geld.
Als der E-Starter kam, wendeten sich auch die treuesten Fans ab
Zu Beginn der Achtziger war die Triumph Bonneville längst ein Anachronismus, 1983 war Schluss. Zuletzt hatte man sogar einen Elektrostarter angeboten, wodurch sich auch die treuesten Fans - und nur die kauften eine Triumph - mit Abscheu abwendeten. Völlig zu recht übrigens: Vergaser ordentlich fluten, ein kräftiger Tritt auf den rechtsseitigen Kickstarter, schon bollert der stoßstangengesteuerte Paralleltwin der Triumph Bonneville selbstbewusst aus den (nicht originalen) Roadster-Tüten.
Kupplung ziehen, erster Gang unten, zweiter, dritter, das Getriebe der Triumph Bonneville schaltet so kurz und trocken wie in den besten britischen Roadstern. Schon nach wenigen Metern beginnt die Magie des Motors zu wirken: Die Art und Weise, wie der Langhuber seine Leistung lässig aus dem Drehzahlkeller schüttelt, ist einmalig und entschädigt für vieles. Isle of Man-Fahrwerk. Dazu kommen sensationell geringe 197 Kilo vollgetankt und ein spurtreues Fahrwerk der Triumph Bonneville, das für Straßen wie den TT-Kurs auf der Isle of Man entwickelt wurde - und dessen armdickes Rahmenhauptrohr nebenbei bemerkt das Öl für die Trockensumpfschmierung beherbergt.
Mögen auf der Autobahn auch die Krümmer glühen und vor lauter Vibrationen alle Schrauben abfallen - auf kurvenreichen Landstraßen zweiter und dritter Ordnung gibt es wenige Motorräder, die so viel Lebensfreude vermitteln wie eine Triumph Bonneville, die dumpf grollend von einer Biegung zur nächsten eilt. Wer braucht da eine Instrumentenbeleuchtung?
Quelle: Motor Klassik
Und man kann sie in leicht modernisierter Gestalt immer noch (bzw. wieder) neu kaufen😊.
😜
schön geschrieben😉
Schöne Hommage an ein „Richtiges Motorrad“, vielen Dank dafür.
Mit der Lucas-Elektrik, gerade im Motorradbereich, hatte ich auch schon einige überraschende Momente, seit dem gab es bei uns in der Werkstatt nur noch den Begriff:
„Lucas, Erfinder der Dunkelheit“
Twilight - Cruiser
in GB heisst es "lucas, the prince of darkness)😆
Mein Nachbar hat sich eine Enfield gekauft. Am British Steel Twin war ihm zuviel Plastik dran...