Mazda 6: Rekordversuch in Papenburg

Da ist das Ding!

Constantin Bergander

verfasst am Tue Oct 21 17:55:13 CEST 2014

Drei Mazda 6 Limousinen, 23 Rennfahrer und ein Ziel: Beim Rekordversuch in Papenburg fielen 20 Geschwindigkeitsrekorde. Zwei MOTOR-TALKer waren dabei.

175 PS, acht Fahrer, 24 Stunden Vollgas: MOTOR-TALK startete in Papenburg zum Rekordversuch mit einem Mazda6
Quelle: Michael Podlogar

Papenburg – „Mindestens 210 km/h“ sollen wir fahren. „Dann fällt der alte Rekord“, hat die nette Dame von Mazda gesagt. Der stammt aus dem Jahr 2004. Damals fuhr ein Honda Accord mit 140 PS über 24 Stunden eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 209,824 Stundenkilometern. Der bis dato Schnellste Serien-Diesel mit 2,0 bis 2,5 Litern Hubraum.

Team 2 mit dem Rennstrecken-tauglichen Mazda 6 Diesel
Quelle: Robert W. Kranz / Rallyewerk
Wir wollen, müssen schneller sein. Unser Auto mit der Startnummer 2 und dem MOTOR-TALK Logo auf dem Dach soll den Rekord nicht einstellen – es soll ihn überrunden. Acht Namen stehen auf den hinteren Seitenscheiben. Wir sind uns alle sicher: „Den Titel holen wir uns.“

Am Abend vor dem Start rechnen wir genau nach. Unser Mazda 6 mit 175 PS rennt laut Fahrzeugschein 223 km/h Spitze. Etwa fünf Stundenkilometer ziehen wir im Kopf für Boxenstopps und Fahrerwechsel ab. 215 Sachen muss der GPS-Tacho an der A-Säule also mindestens anzeigen. Das sollte klappen.

Teamchef Michael Podlogar will davon nichts wissen. „Mindestgeschwindigkeit ist Vollgas“, ruft er in die Runde. „Wer den Fuß vom Gas nimmt, kriegt Ärger.“ Botschaft verstanden: Das Pedal muss aufs Blech.

Mazda 6 Rekordversuch: Vollgas in Papenburg

Der Rekord soll auf dem Hochgeschwindigkeitsoval in Papenburg fallen. Zwei Geraden, zwei Steilkurven, 12,3 Kilometer Länge. „Zwischen 180 und 250 km/h wirken in den Kurven keine Seitenkräfte auf die Autos“, erklärt Michael während der Proberunde im baugleichen Testwagen. Beim Einfahren lenkt er sanft nach außen, nach der Kurve nach innen. „Sonst könnt Ihr die Hände vom Lenkrad nehmen“, sagt er im Auto – und demonstriert es gleich. Der Mazda hält die Spur.

Für optimale Reibwerte beträgt der Luftdruck auf allen Reifen rund 3,5 bar
Quelle: Robert W. Kranz / Rallyewerk
Insgesamt wollen wir an diesem Wochenende 20 Rekorde brechen. Durchschnittsgeschwindigkeiten nach einem Kilometer, einer Meile, einem Tagesmarsch. Doch alle Teams schielen auf einen ganz bestimmten Wert: Gesamtsieger ist, wer nach einem Tag den höchsten Tempo-Schnitt vorweist. Alle Fahrer arbeiten miteinander, aber jeder will der Schnellste sein.

Trotzdem müssen wir die Regeln der FIA achten. Das Fahren im Windschatten ist beim Rekordversuch verboten; wer sich einen Strömungs-Vorteil verschafft, der bekommt eine Durchfahrts-Strafe. Noch schlimmer: Das langsamere Fahrzeug muss den Schnelleren vorbei lassen. Das kostet ungefähr eine halbe Minute Zeit.

Hinzu kommen die Sicherheitsvorkehrungen für Rennstrecken. Die Autos bekommen einen Überrollkäfig aus Stahl, eine Löschanlage, einen Vollschalensitz und Fünfpunkt-Renngurte, jeweils mit FIA-Genehmigung. Alle Fahrer tragen feuerfeste Unterwäsche, einen Rennanzug, Fahrer- sowie Handschuhe, Sturmhaube und Helm.

Zwei MOTOR-TALKer in Team 2

MOTOR-TALKer Frank hat die Rekordjagd-Qualifikation auf dem Hockenheimring gewonnen. Gemeinsam mit ihm vertrete ich, Constantin aus dem MOTOR-TALK-Redaktionsteam, die Community beim Rekordversuch. Frank kennt das Renn-Procedere besser als ich: Im vergangenen Jahr startete er bei einem VLN-Lauf auf dem Nürburgring. Sechs Stunden lang rasten er und seine Teamkollegen mit einem Porsche 944 durch die Eifel. Heute sitzt deshalb jeder Handgriff.

Die Haube hebt sich: Bei Tempo 230 pfeift der Wind unter das Blech und drückt nach oben
Quelle: Robert W. Kranz / Rallyewerk
Etwas routinierter als der Rest trainiert er mit seinen Mitfahrern den Fahrerwechsel in voller Montur. Gurte lockern und öffnen, Sitz zurückschieben und aussteigen. Ein Helfer kümmert sich um Funkverbindung und Tankklappe, hilft beim Einsteigen und Anschnallen. Der Wechsel dauert zu Beginn 90 Sekunden, nach einigen Versuchen eine halbe Minute. Der Tankvorgang selbst dauert doppelt so lang. Es fühlt sich an wie Surf-Übungen am Strand.

Das zahlt sich in den Abendstunden aus: Extremsportler Joey Kelly fährt zu dicht vor einem anderen Mazda. Wir entscheiden uns gegen den Überholvorgang und holen Joey früher in die Box - zu früh für seinen Nachfolger. Der stürmt überrascht von der Toilette ins Auto und klemmt sich beim Helm-Aufsetzen die Ohren ein. Trotz Hektik und Verspätung verlieren wir nur vier Sekunden.

12,3 Kilometer, zwei Steilkurven, drei Teams

Knapp 90 Minuten dauert ein Einsatz, ein „Stint“ auf Rennfahrer-Deutsch. 26 Runden und 320 Kilometer fährt ein Mazda 6 mit einer Tankfüllung, manchmal 27. Dann pumpt die Boxencrew knapp 60 Liter Diesel in den Serien-Tank. Bei Dauer-Volllast schießen die Einspritzdüsen 19 Liter pro 100 Kilometer in die Brennräume. Auf der Straße soll es weniger als ein Viertel (4,5 Liter) davon sein.

In der Steilkurve sucht sich der Mazda seine Spur. Lenkeingriffe kosten hier viel Zeit
Quelle: Robert W. Kranz / Rallyewerk
Drei Autos mit insgesamt 23 Fahrern teilen sich das Hochgeschwindigkeits-Oval. Theoretisch sind sie genau gleich schnell, praktisch gibt es Unterschiede. Team 2 fährt im langsamsten Auto. Nach 100 Kilometern liegt der Geschwindigkeits-Schnitt bei 223,505 km/h, 400 Kilometer später bei 222,062. Die anderen Mazda fahren marginal schneller. 0,5 km/h Spitze fehlen uns zum zweit-schnellsten Team. Fast ein Stundenkilometer auf Team 1. Im Alltag denkt man über so etwas nie nach. Hier entscheidet es die Zieleinfahrt.

Wir versuchen, die Zeit auszugleichen. Mehr Tempo in der Box, mehr Gefühl in der Kurve, eine Spur mit besserem Wind. Es hilft kaum. Mit steigender Luftfeuchtigkeit in der Nacht sinkt unsere Geschwindigkeit. Dem Motor fehlt der Sauerstoff.

Keine Spur von Resignation

Wir bleiben motiviert, rasen weiter, am Limit des Autos. Mein Helm schlägt gegen den Überroll-Käfig, die Morgensonne blendet in der Steilkurve. Ich bin zu groß für das Auto, blicke durch einen schmalen Spalt zwischen Helm und Visier. Mit acht Kilometern Restreichweite fahre ich von der Strecke, etwas zu

"Das packen wir" - Frank und Constantin motivieren sich gegenseitig
Quelle: Robert W. Kranz / Rallyewerk
schnell. Ich verschätze mich, sehe die Markierung zu spät, bremse voll. Das Heck wird leicht, die Warnblinkanlage schlägt Alarm. Der Mazda schlingert, eine Pylone fliegt aus der Reihe. Auf den letzten Zentimetern erreiche ich die vorgeschriebene Geschwindigkeit von 30 km/h. Anhalten, abschnallen, aussteigen, Frank abklatschen, voll tanken, ausatmen. Wenn die anderen Teams ausfallen, muss unsere Zeit stehen.

Nach 20 Stunden ist klar: Den 24-Stunden-Rekord holen Team 1 oder 3. Wir trösten uns. Unser Auto ist zuerst gestartet. Wir haben alle Rekorde gebrochen, von der ersten Achtel-Meile bis zum letzten Zentimeter. Sechs Minuten lang konnten wir sie halten. Dann haben die anderen Autos die gleiche Distanz erreicht.

Geschenkt – das Endergebnis ist eine Leistung von allen Fahrern, Helfern, Organisatoren, Autos. Wir haben 24 Stunden lang durchgehalten, sind im Durchschnitt 220,182 km/h gefahren, inklusive aller Stopps. Team 1 war mit 221,072 km/h kaum schneller. „Serienstreuung“, trösten wir uns. Alle jubeln, jeder hat gewonnen.

Weltrekord nach 24 Stunden

Die vorläufigen Ergebnisse: Sobald die FIA diese Zahlen bestätigt hat, halten wir insgesamt 20 Weltrekorde
Quelle: MOTOR-TALK
Unsere Autos müssen jetzt zerlegt werden. Die FIA prüft, ob Bohrung, Hub, Verdichtung, Turbolader und Nockenwellen stimmen. Wenn alles passt, sind unsere Geschwindigkeiten, unsere Rekorde offiziell. Immerhin: Fünf von 20 Bestmarken hat Auto 2 gesetzt. Wir waren die schnellsten nach 201, 500, 1.000, 1.604 und 10.000 Metern. Team 3 hat sechs Rekorde geholt, Team 1 die übrigen acht.

Alle Autos haben durchgehalten, laufen nach dem Rennen auf der Start-Ziel-Gerade mit ruhigem Leerlauf kalt. Vom Dauereinsatz erzählt nur noch die wilde Beklebung – und der Insektenschwarm auf der Frontscheibe.

(Alle Geschwindigkeiten vorbehaltlich der Anerkennung durch die FIA (Subjects to FIA homologation))

23 Fahrer, drei Autos, je 175 PS und 20 Rekorde: Mazda-Rekordversuch in Papenburg
Quelle: Robert W. Kranz / Rallyewerk
Vor dem Rennen: Das Fahrerbriefing
Quelle: Robert W. Kranz / Rallyewerk
Training: Team 2 übt den Fahrerwechsel
Quelle: MOTOR-TALK
Team 2 mit dem Rennstrecken-tauglichen Mazda 6 Diesel
Quelle: Robert W. Kranz / Rallyewerk
Für optimale Reibwerte beträgt der Luftdruck auf allen Reifen rund 3,5 bar
Quelle: Robert W. Kranz / Rallyewerk
Alles wird dokumentiert: Die FIA überwacht den Rekordversuch akribisch
Quelle: Robert W. Kranz / Rallyewerk
Die Haube hebt sich: Bei Tempo 230 pfeift der Wind unter das Blech und drückt nach oben
Quelle: Robert W. Kranz / Rallyewerk
In der Steilkurve sucht sich der Mazda seine Spur. Lenkeingriffe kosten hier viel Zeit
Quelle: Robert W. Kranz / Rallyewerk
Boxenstopp bei Team 2
Quelle: Robert W. Kranz / Rallyewerk
Nach dem Stint: Constantin ist geschafft, aber erleichtert
Quelle: Robert W. Kranz / Rallyewerk
Frank entspannt nach seinem Einsatz in Papenburg
Quelle: MOTOR-TALK
Hektik in der Box: Beim Tankstopp muss alles schnell gehen
Quelle: Robert W. Kranz / Rallyewerk
"Das packen wir" - Frank und Constantin motivieren sich gegenseitig
Quelle: Robert W. Kranz / Rallyewerk
Constantin raus, Frank rein: Gegen halb 9 ist noch alles offen
Quelle: Robert W. Kranz / Rallyewerk
MOTOR-TALK Logo auf dem Dach, acht Namen an der Seitenscheibe: Der Mazda 6 von Team 2
Quelle: Robert W. Kranz / Rallyewerk
Teamleiter Michael Podlogar berichtet von seinem Stint: Windböen in den Steilkurven
Quelle: MOTOR-TALK
MOTOR-TALKer Frank und MT-Redakteur Constantin nach dem Rennen in Papenburg
Quelle: MOTOR-TALK
Schaulaufen nach 24 Stunden: 3 Mazda 6 haben einen Tag Vollgas gegeben
Quelle: Robert W. Kranz / Rallyewerk
Die vorläufigen Ergebnisse: Sobald die FIA diese Zahlen bestätigt hat, halten wir insgesamt 20 Weltrekorde
Quelle: MOTOR-TALK