40 Jahre BMW 2002 Turbo
Das Beste, was man aus Abgasen machen kann
Dieser BMW, was für ein Auto. Einst diskutierte über ihn der Deutsche Bundestag, wegen seiner aggressiven Optik war er umstritten wie kein anderer Star der IAA 1973. Ein Rückblick.
Köln - Alles nur üble Nachrede, billige Legendenbildung. Kein serienmäßig ausgelieferter BMW 2002 Turbo räumte als böser Drängler mit Spiegelschrift auf dem Frontspoiler die Autobahn frei. Nur auf Pressebildern, Prospekten oder nachgerüstet trug der kompakte Münchner Muskelmann die umstrittenen Aufkleber mit dem Schriftzug „2002 turbo“. Noch vor der Premiere auf dem Podium der IAA 1973 ließ BMW diesen Schriftzug entfernen. Seinen Zweck hatte er längst erfüllt.
Der erste Europäer mit Abgasturbo und Kriegsbemalung
Das erste europäische Serienfahrzeug mit Abgasturbolader war schon vor dem offiziellen Debüt weltbekannt. Sportwagenenthusiasten aus Japan, aber auch aus Angola, Guatemala oder Panama bestellten den BMW 2002 Turbo ungesehen.
All das passierte, nachdem Presse und Politiker leidenschaftlich über den Auftritt dieses neuen Automodells gestritten hatten. Ein Fahrzeug, das zu seiner Zeit als gesellschaftlich inakzeptabel galt.Warum das so war? 1970 verzeichnete die bundesdeutsche Unfallstatistik mit mehr als 21.000 Verkehrstoten einen Allzeit-Negativ-Rekord. Es setzte die erste Ökoisierung des Kfz-Marktes ein. Kampagnen für mehr Verkehrssicherheit und neue Gesetze erzielten erste Erfolge, die Autohersteller präsentierten neue Sicherheits-Forschungsfahrzeuge. Und dann kam dieses Auto mit Kriegsbemalung?
Der Bundestag debattierte über Kotflügel und Streifen
Der wilde Auftritt des Spitzenmodells der BMW-02-Serie reichte sogar zu einer Anfrage im Deutschen Bundestag. Spoiler, Streifen und aufdringliche Kotflügelverbreiterungen – so etwas galt nicht mehr als politisch korrekt, auch die Opel Manta mit mattschwarzen Hauben oder spoilerbewehrte Ford Escort RS gerieten unter Beschuss der Kritiker.
BMW selbst war damals vielleicht ähnlich mutig wie heute mit dem i-Projekt. Die Münchener scheuten sich nicht vor dem, was man heute Shitstorm nennt und genossen die Aufmerksamkeit, die die sieben Jahre alte 02-Baureihe im Rahmen der Turbo-Präsentation erhielt.
Ein zweiter Turbo erwacht
Tatsächlich debütierte gleichzeitig der Porsche 911 als Turbo, jedoch nur als Prototyp. Ganz neu war die Turbotechnik damals nicht mehr. Allerdings wussten nur Insider, dass die ersten Serienautos mit Turbolader aus der Heimat des Rock'n’Roll stammten. Während Elvis Presley mit „Blue Hawaii“ und Chubby Checker mit „Let's twist again“ im Jahr 1962 die Radiocharts stürmten, rockte General Motors mit Turbotechnik in den Modellen Oldsmobile Jetfire und Chevrolet Corvair Monza Spyder die V8-Szene.
Anders als Elvis und Chubby Checker tanzten und rockten die Turbolader aber nur kurze Zeit, denn die neuen Autos stellten die vertraute V8-Welt auf den Kopf: Im Drehzahlkeller und in der Mitte kaum Leistung, stattdessen obenrum - mit verzögertem Ansprechverhalten - eine Kraftexplosion, an die sich die Amerikaner nicht gewöhnen mochten. So gelang dem Druckmittel Turbo der Durchbruch in Europa, dort wo es bislang kaum hubraum- und drehmomentstarke Kraftwerke gab. Motorenmagier wie Tuner Michael May entwickelten ab Ende der 1960er-Jahre Turbo-Kits, etwa für Coupés wie den Ford Capri, vor allem aber für Rennsportfahrzeuge.
Ab Werk bestellbar waren Abgasturbolader erst mit dem BMW 2002, eine Aufrüstung, die die Bayern zeitgeistig bewarben: „Das Beste, was man aus Abgas machen kann, ist Leistung.“ An Abgasen hat es dem 2,0-Liter-Vierzylinder damals kaum gemangelt, denn die Turbine katapultierte die PS-Ausbeute um 30 Prozent nach oben.
Endlich im Club der 200er
Mit 170 PS griff der BMW 2002 Turbo nach der Krone des schnellsten deutschen Seriensportlers. Tatsächlich sprintete der 1.080 Kilogramm leichte Zweitürer in 6,9 Sekunden auf Tempo 100 und ließ damit fast alle Porsche 911er hinter sich. Die Spitze lag bei 210 km/h, BMW kam mit der 02-Serie so endlich in den prestigeträchtigen „Club 200“. Schließlich musste der bisherige 2002-Toptyp mit der berühmten Kennung „tii“ sogar nominell schwächere VW-Porsche 914/6 oder vermeintlich profane Ford Capri RS davon ziehen lassen.
Ein Krieg in Israel sorgt für den Fehlstart
Warum BMW den turbobeflügelten Autobahnstürmer ausgerechnet zur ersten Ölkrise (mit vorübergehenden Tempolimits von 80 bzw. 100 km/h und Sonntagsfahrverboten) lancierte? Weil niemand, nicht mal die Israelis selbst, damals mit dem einen Monat später ausbrechenden Yom-Kippur-Krieg rechnete. Entsprechend standen auf der IAA noch viele neue Leistungsträger. Deren Absatz war dann entsprechend desaströs. BMW selbst verkaufte auch nur 1.672 Turbo-Modelle.
Auch, weil der Wagen mit einem Kaufpreis von 20.780 Mark sehr teuer war. Dafür gab es alternativ bereits Oberklasse-Limousinen wie den BMW 2500 oder Mercedes-Sechszylinder-Coupés, bzw. Achtzylinder-Sportwagen wie den Triumph Stag. Sogar das Sportwagen-Urmaß Porsche 911 rückte in Reichweite.
Der Turbo war kein Säufer
Keine negativen Auswirkungen auf die Bestelleingänge dürfte der Spritkonsum des Turbos gehabt haben. War der Normverbrauch von 9,7 Liter auf 100 Kilometer doch eher bescheiden und galt ein Turbozuschlag von 100 Prozent als zeitgemäß. Noch Mitte der 1970er-Jahre waren Testwerte von 17 bis 22 Liter für
Tempobolzer die Regel. Spätere Spartechnik, wie die beim BMW 2002 Turbo serienmäßige Benzineinspritzung, dienten zunächst vor allem der Leistungssteigerung.Das Aus für den ersten bayerischen Turbobläser kam deshalb nicht überraschend. 1975 startete die erste BMW-3er-Reihe. Die 2002er verschwanden, allein der 1502 durfte als neues BMW-Einstiegsmodell noch zwei weitere Jahre vom Ruhm seiner Geschwister zehren. Der Orkan, den der erste europäische Serienturbo entfachte, sobald die Drehzahlmessernadel die 4.000er-Marke passierte, bleibt unvergessen - und wird heute von Fans mit Preisen teils jenseits der 45.000 Euro bezahlt. Sofern überhaupt ein 2002 Turbo zum Verkauf steht.
Chronik des BMW 2002 Turbo:
1972: BMW präsentiert den Turbo, einen aufregenden Sportwagen mit turboaufgeladenem Vierzylinder, der allerdings Prototyp bleibt. Jedoch nimmt der 1978 lancierte BMW M1 Anregungen aus dem BMW Turbo auf
1973: Weltpremiere feiert der BMW 2002 Turbo im September auf der Frankfurter IAA. Die Preise sollen bei 18.720 Mark starten. Nur auf Presse- und Werbefotos ist der Typenschriftzug in Spiegelschrift zu sehen. Die Serienfahrzeuge verzichten auf diese Aufkleber. Im ersten Jahr werden nur einzelne Fahrzeuge als Vorserie produziert. Serienmäßige Farben sind Chamonix (weiß) und Polaris (silber)
1974: Bestes Verkaufsjahr für den BMW 2002 Turbo. Die Preisliste beginnt bei 20.780 Mark. Einzelne Fahrzeuge werden auch mit Sonderlackierungen ausgeliefert, darunter Schwarz und Taiga (grünmetallic), Inka (orange) oder Verona (rot)
1975: Planmäßiger Produktionsauslauf. Bis auf die Basisversion BMW 1502 wird die 02-Serie durch den neu vorgestellten BMW 3er ersetzt
Technische Daten des BMW 2002 Turbo:
BMW 2002 Turbo (1973-1975), mit 2,0-Liter-(125 kW/170 PS)-Vierzylinder-Benziner mit mechanischer Kugelfischer-Benzineinspritzung und Abgas-Turbolader, Vierganggetriebe, Vmax 211 km/h, 0-100 km/h in 6,9 Sekunden. Bremsanlage mit innenbelüfteten Scheibenbremsen vorn und Trommelbremsen hinten, Bereifung 185/70 VR13. Leergewicht 1080 kg, Leistungsgewicht 6,35 kg/PS. Länge 4,22 Meter, Breite 1,62 Meter, Höhe 1,41 Meter.
Produktionszahlen:
Insgesamt 1.672 Fahrzeuge, davon 624 Einheiten ausgeliefert in Deutschland, 356 Einheiten in Italien, 180 Einheiten in Frankreich, 117 Einheiten in Japan, 110 Einheiten in die Schweiz, 68 Einheiten nach Großbritannien und 63 Einheiten nach Schweden
ich erinnere mich gern an diesen BMW. Das war damals ein ganz scharfer Hund!
Meine Tante hatte mal so einen gefahren, heute unbezahlbar 😆
Habe ich schonmal erwähnt, dass ich klassische BMWs aus der Zeit mag?
Ich finde die klasse! Den CSL im Hintergrund sogar mehr als den Turbo. 😊
Richtiges Auto zur falschen Zeit. Zehn Jahre später wäre dieses Auto wieder der Hit gewesen, zwischen all den Turbo-Capris und Porsche 935. Aber da hatte BMW bekanntlich schon ein ganz anderes Eisen im Feuer. 😊
nach heutigen Massstäben ist dieses Auto wohl eher durchschnittlich motorisiert und auf keinen Fall so schnell im Graben wie man es damals ebenso für den 911er Turbo immer gerne zum Besten gab. Ich frage mich ehrlich gesagt immer, ob die Leute damals so schlecht oder wir heute so gut fahren können😉 Der vielzitierte Turbobums, der einen mit seiner Hinterhältigkeit sofort und unwideruflich in den Graben befördert, wird heutzutage an diesen Fahrzeugen vergeblich gesucht.
Ja, aber die Autos sind heute mehr als deutlich schwerer geworden. da hat dieser kleine Flitzer schon beachtliche Beschleunigungswerte.
Mit einem Leistungsgewicht von 6,3kg / PS ist der 2002 turbo auch heute noch eine Ansage. Erst recht in der Kompaktklasse.
Ich persönlich fand die Neue Klasse immer schon sehr schön, der Turbo war das Topmodell, nachdem sich alle Jungs die Finger geleckt haben (und keiner hat ihn je bekommen).
Wenn ich mir hier aus den Bildern im Artikel einen aussuchen könnte würde ich aber auch den CSL nehmen.
Man darf aber nicht vergessen, wie mies die Reifen damals waren!
Heftige Rutscher gehörten bei sportlicher Fahrweise zum Tagesgeschäft 😆
Ja, dann stelle dir mal diesen kleinen Flitzer mit Modernen Reifen vor, an der Ampel ärgere ich damit M3 er 😆
Ich hatte fünf 02er, vom 1802 bis 2002tii, der Turbo, damals wie heute unerreichbar. 1974 waren 20000 Mark das, was heute 100000 € sind. Der Durchschnittslohn für einen KFZ Mechaniker lag bei ca. 5,70 Mark.
Ich hatte das große Glück mal ein Kundenfahrzeug probefahren zu dürfen. Der Turboschub war wirklich brandgefährlich, der 02er sowieso leicht auf der Hinterachse und wenn in einer langgezogenen Kurve plötzlich 30% mehr Leistung anlagen, uiuiui.
Drift war da noch die harmloseste Variante. Selbst der 2002tii stand häufiger quer als gewollt.
Auf jeden Fall ein automobiler Meilenstein und lockt mir auch heute noch ein wehmütiges Lächeln auf die Lippen.🙁
Mein X5 hat nahezu 3 x soviel Leistung, aber auch nahezu 3x soviel Gewicht!!
Oldiemäßig getröstet hab ich mich mit einem Amimodell der späten 60er bzw. frühen 70er Jahre.
Die Reifen von damals haben das Prädikat "Holz" verdient. 😉
Das ist so. In der Hinsicht gab es mehrere Quantensprünge in der Entwicklung.
Ein damaliger Mono-Turbo-Motor hatte eine Leistungsentfaltung von unter aller Sau. Das muss auch mal so gesagt werden, und das steht ja auch so im Artikel. Auf einmal kommt die Keule. Das Auto ist somit im Grenzbereich weitaus schwerer zu bewegen, weil die Leistungsentfaltung nicht linear ist wie bei einem vergleichbaren Sauger.
Wenn man das nicht gewohnt war und dann auf einer Landstraße (die damals auch enger waren als heute) mal mit etwas schmackes in die Kurve ging, den Stempel runterdrückte (weil ja nix passierte im unteren Drehzahlbereich), dann drehte sich das Heck komplett weg.
Das ist natürlich eine Gewöhnungssache, und führt selbstverständlich immer auf den Bediener zurück.
Die Maschine an sich tat nämlich genau das was sie sollte.
Aber stell dir vor, dass das höchste aller Gefühle 100 PS sind - das war die Leistung von Sportwagen! Kein Scherz! Und damit war man schon richtig flott unterwegs. Die Alltagsmöhren kamen mit 50 PS aus. Und die Supersportwagen hatten eben über 200 PS, waren dafür aber preislich gesehen auch für die meißten unerreichbar.
Das mit dem Turbo erinnert mich irgendwie an die Kawasaki GPz 750 mit Turbo, die hat auch öfter ihren Reiter abgeworfen, weil auf einmal Power da war. 😆
Und das mit vergleichsweise zahmen 100 PS und 223 km/h Spitze!!😱😆
Mit dem 732i Turbo, der als 745i verkauft wurde, zeigte BMW auch in der Oberklasse, wo der Hammer hängt.
Mitte der 90er Jahre standen für mich der 2002 tii und der 732i mit Turbo zur Auswahl.
Letzterer machte mir mehr Spass, da man dem 7er nicht ansehen konnte, was drin steckt.
Heutige winzige Turbomotore sind oft damit überfordert, Mittelkasse Fahrzeuge mit selben oder mehr Leergewicht des 7ers oder W116ers / W126ers zu bewegen. Ohne Turbo wären sie auf 6-8 Zylinder Saugmotore mit 2,8 bis 4,5L der 7er und S Klasse angwiesen, um vom Fleck zu kommen.
Endlich mal ein Bericht über dieses interessante Fahrzeug. Es zeigt für mich vor allem eines: BMW´s als Neuheit gepriesene Technik (nämlich 2.0 Liter Vierzylinder mit Turbolader im 328i statt eines 2.8 oder 3.0 Sechszylinders ohne Turbolader) gab es schon vor 40 Jahren. Alles wiederholt sich eben, allerdings mit dem Unterschied, dass man heutzutage wohl (im Gegensatz zu damals) nie mehr zu den erheblich besseren R6 - Saugern (leiser, laufruhiger, harmonischer in der Kraftentfaltung, wohltönender) wechseln wird. Das ist der große Unterschied zu damals: Rückschritt, welcher als Fortschritt verkauft wird.