Kfz-Mechatroniker in der JVA Siegburg
Das Blech der Hoffnung
An keinem Ort der Welt ist das Auto so fern wie im Knast. Und dennoch ist es ein Hoffnungsträger. MT-Reporter Fabian Hoberg begleitete zwei Gefangene bei ihrer Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker in der JVA-Siegburg.
Quelle: MOTOR-TALK, diane39 - stockphoto.com
Von MOTOR-TALK Reporter Fabian Hoberg
Siegburg - Die Landesstraße 333 führt ins Siegburger Stadtzentrum. An der Kreuzung Marcel-Charpantier-Straße, schräg gegenüber von Aldi, liegt der wohl dicht besiedelste und gleichzeitig einsamste Ort Siegburgs: die alte Justizvollzugsanstalt. Jeden Tag rauschen hier 10.000 Autos vorbei. Die Menschen jenseits der roten Backsteinmauer lauschen sehnsüchtig dem Geräusch. Es kriecht gedämpft über dunkle Flure, durch dicke Holztüren, bis in die Zellen. Das Rauschen trägt den Klang von Normalität hinein, von Alltag.
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Ausbildung hinter Gittern
Damals war Siegburg ein Knast wie die Hölle. Für manche ist er das heute noch. Im Gegensatz zur biblischen Variante endet die irdische Hölle an der L333 irgendwann einmal. Und was kommt dann? Was tun Menschen, die ein Leben im Kittchen hinter sich haben, deren Bestrafung vorbei ist? Das Gefängnis Siegburg bemüht sich, seine Gefangenen auf ein Leben danach vorzubereiten. Zum Beispiel mit der Obstkiste „Lustige Gänse“, die die Gefangenen hier basteln. Im Knastladen kostet sie 10 Euro.
Andere Häftlinge wühlen in den Eingeweiden von Autos. Im Dreck, im Öl. Ihre Arme sind verziert mit Schrammen und Beulen. Schwer zu sagen, ob diese Spuren von den Karren oder anderen Knackis stammen. Zwei, die hier schrauben, sind Sven und Axel (Namen von der Redaktion geändert). Sie kämpfen nicht nur mit Autos, mit der Einsamkeit und dem Verurteiltsein. Sie kämpfen auch für ein neues Leben - als Auszubildende in der Kraftfahrzeug-Werkstatt der Anstalt.
Quelle: MOTOR-TALK / Fabian Hoberg
Es riecht nach Öl, Benzin und Kaffee
Der 30-jährige Kfz-Meister Christoph Simons ist der Ausbilder in der JVA-eigenen Werkstatt, einer kleinen Halle mit grellem Neonlicht. Fensterlos, mit den typischen Insignien einer kleinen Schrauberbude. Dazu gehören die Nackte an der Wand im Aufenthaltsraum und der Geruch von Öl, Benzin und Kaffee.
Axel ist 25 Jahre alt und zu Vielem hat es in seinem Leben bislang nicht gereicht. Brandstiftung, Betrug und Körperverletzung brachten ihn hierher. „Alles schwer besoffen,“ erklärt er. Nüchtern bleiben ihm seine stramme politische Gesinnung und die große Klappe. Beides hat ihm im Knast Ärger gebracht.
Von der gemütlichen Wohngruppe musste er zu den harten Jungs umziehen. Jetzt, nach einem Vierteljahrhundert Leben, will er zeigen, dass er mehr kann. „Die Ausbildung ist gut für mich, die muss ich packen“, sagt er. Er will seinen Abschluss schaffen, verzichtet deshalb auf den Antrag auf vorzeitige Haftentlassung. Sonst müsste er draußen eine neue Lehrstelle suchen. Das wäre schwer.
Wie im Wahn schlägt Axel mit dem 500-Gramm-Hammer auf einen Dorn der Achse, die zu einem Opel Astra gehört. Kraft und Wut entladen sich im Dong-dong-dong des Metalls. Doch der Dorn gibt nicht
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Schrauben gegen die Langeweile
Auch Sven hat Scheiße gebaut. „Sonst wäre ich nicht hier“, sagt er. Acht Jahre wird die Öffentlichkeit vor dem 24-Jährigen geschützt. Weshalb, das sagt er nicht. Seit 2010 lebt er hinter Gittern, jetzt will er die Jahre sinnvoll nutzen. „Die Ausbildung ist das Beste im Gefängnis. Sie vertreibt die Langweile und bringt mir einen Abschluss“, sagt er.
Sein enges T-Shirt spannt sich über der Haut, der Dreitagebart ist akkurat gestutzt. Vor dem Knast fuhr er einen Audi S3. Für die Zeit danach hat er große Träume. Ein Mercedes soll es sein, SLK oder E-Klasse, mindestens. Zeigen was man hat, gerade das lernt man im Knast. Stärke gehört dazu, Schwäche nicht. „Das spricht sich sonst rum und dann wird es schmerzhaft“, sagt der Muskelbepackte. „Der Knast hat mich re-asozialisiert. Früher habe ich höflich Bitte und Danke gesagt. Das kam hier nicht gut an.“
Sven, der harte Kerl, tröstet sich mit dem Klang der betagten Vierzylinder. „Wenn der Motor läuft, genieße ich den Sound und die Vibrationen. Da träumst du von Freiheit, für einen Moment“, sagt er. „Vergessen, wo ich bin, das kann ich nicht.“ Höchstens verdrängen.
Für 280 Euro netto
Der Kampf gegen die Langeweile beginnt um 6:45 Uhr. Arbeitsbeginn für die Gefangenen. Um
Quelle: MOTOR-TALK / Fabian Hoberg
Zur praktischen Arbeit kommt die Theorie. Zweimal in der Woche lehrt ein pensionierter Berufsschullehrer in der JVA die Themen Fachkunde, Wirtschaft und Politik. Auch den Umgang mit Computern müssen die Täter lernen. Aber ohne Internetanschluss.
Meister Simons hilft seinen Männern bei den Prüfungen. Zu dritt lehnen sie über dem Motor des Ford Mondeo, schalten das Testgerät an und überprüfen die Zündung. Simons erklärt, wie der Vierzylinder auf Früh- und Spätzündung reagiert.
Ein Auszubildender kommt. Er hat eine Frage zur Bremse des Mercedes E200. In zwei Tagen ist seine Prüfung. Besteht er sie, wird er kurz darauf entlassen. „Mit dem Gesellenbrief kommen die meisten weiter“, sagt Simons. Die Statistik gibt ihm recht: Liegt die Rückfallquote bei normalen Häftlingen bei rund 60 Prozent, sind es bei den ehemaligen Auszubildenden nur zehn Prozent. Das macht Hoffnung. Für die Täter, aber vor allem für die Opfer.
Fakten zur JVA-Siegburg
In Deutschland gibt es 186 Vollzugsanstalten, in denen rund 61.000 Männer und 3.500 Frauen ihre Haftstrafe absitzen, Tendenz abnehmend. Die meisten Häftlinge sitzen in Nordrhein-Westfalen. Das bevölkerungsreichste Bundesland hat 37 Justizvollzugsanstalten und etwa 15.000 Häftlinge. 540 davon leben in der JVA Siegburg. Bis zum vergangenen Jahr war der Knast ein reines Jugendgefängnis. Doch nach dem Foltermord 2006, bei dem ein Häftling von seinen Zimmergenossen zu Tode gequält wurde, wurde der Knast umstrukturiert. Mehrbettzellen gibt es nur noch in Ausnahmefällen.
Jetzt sitzen hier nur noch Erwachsene ein, von Kurzstrafigen mit leichten Delikten bis zu den ganz heftigen. Mörder, Vergewaltiger und Kinderschänder. Die harten Jungs sitzen im geschlossenen Vollzug in Block A, nur zwei bis drei Stunden dürfen die Häftlinge raus, die restliche Zeit verbringen sie in ihrer Einzelzelle.
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Quelle: MOTOR-TALK / Fabian Hoberg
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Was passiert eigentlich mit solchen Jobs wenn der flächendeckende Mindestlohn eingeführt wird ? 🙄
na ob die ausbildung an den alten kisten für moderne pkw langt😕mechanik klar,aber ein sachen computer usw. siehts da düster aus.
ist doch gut.
das sind dann die jungs die autos reparieren können, wenn der fehlerspeicher nix hergibt 😆
meistermeier, die schrauben dort nicht nur an den vorhandenen Autos, sondern auch an Kundenfahrzeugen. In JVA-KFZ-Werkstätten kann jeder sein Fahrzeug bringen - auch du und ich.
Ich baue aktuell gerade die nächste JVA und dort habe ich, würde ich meinen, eine gute Kfz-Werkstatt hineingeplant. Sogar mit Bremsenprüfstand, damit Hauptuntersuchungen möglich werden.
Einen Plan davon kann ich hier natürlich nicht hochladen. 😉
machen die auch tuning für fluchtfahrzeuge😜
von expertenhand getunt.denn nun wissen wir worauf es ankommt😆
wollten wir auch nicht sehn Arroganz pur.
Sieht wohl eher anders aus 😆
Hätte der Autor dort besser aufgepasst würde er den (gravierenden) Unterschied zwischen Schlepp- und KIPPhebel kennen und nicht nur die "Enter" - Taste 😆
Und JA,
den Motor gab`s schon (lange) als ich vor 45 Jahren gelernt habe, Ford - Fans kommen bestimmt die Tränen.
Da gibts Jugendliche, die sich echt Mühe geben und nen guten Schulabschluß haben, einfach alles für ihren Traumjob geben und dann doch ohne Ausbildung dastehen... es gibt mehr Bewerber als Ausbildungsplätze!
Aber hauptsache die "Knastis" bekommen eine Ausbildung...
Gibts denn ne Statistik wie viele die Ausbildung erfolgreich abschließen und auch nach dem Knast in diesem Beruf arbeiten ohne rückfällig zu werden?
ha ha ha....die lernen im knast wie man die autos schneller knacken kann, wie man die wegfahrsperre überlistet oder am besten airbag und navi ausbaut😆😜😆
Birger, das ist aber eine sehr egoistische Sichtweise. Im Artikel steht doch, dass die Rückfallquote mit Gesellenbrief erheblich geringer ist, also bei Exhäftlingen ohne Beruf.
Für die JVAs hat so ein Betrieb auch Vorteile, denn in der Regel wird dort entweder Geld verdient oder wenn die Betriebe vermietet werden, bekommt die Anstalt Mieteinnahmen.
Der Sinn einer JVA ist nicht das Wegsperren, sondern das Resozialisieren, daher sollte möglichst alles unternommen werden, ihnen zu helfen, damit sie nachher in der Freiheit klar kommen.
Es gibt aber auf der anderen Seite auch Lehrstellen, die nicht besetzt werden können, weil die Kandidaten nicht geeignet sind. Auf deutsch: sie sind zu doof. Oder netter ausgedrückt: nicht ausbildungsfähig.
Wir leben nun mal in einer rechtsstaatlichen Gesellschaftsordnung. Teil dieser Ordnung besagt, dass "Knastis" wieder in die Gesellschaft integriert werden sollen und nicht das ganze Leben lang unter Strafe stehen.
Und was ist eine wesentliche Vorraussetzung zur gesellschaftlichen Teilhabe? Richtig, Erwerbstätigkeit.
Was heißt denn "erheblich geringer" in genauen Zahlen? Werden dann nur 50% statt 60% rückfällig? Oder wie muß ich mir das vorstellen?
Ich finde man sollte nur Jugendlichen ne Chance geben, die damit auch was anzufangen wissen! Wenn man im Knast bessere Chancen auf einen Ausbildungsplatz hat als in Freiheit, dann muß man sich nicht wundern, wenn die Jugend immer krimineller wird... zu verlieren haben die eh nichts - im Gegenteil, sie können nur noch gewinnen!
Und ja, ich bin wirklich unglaublich egoistisch, daß ich noch niemanden totgeprügelt habe oder noch niemanden ausgeraubt oder erpresst habe... wie kann ich nur die armen, armen Knastis verurteilen???
Da hast Du absolut recht!
Nur ist es denn so, daß Lehrstellen die nicht besetzt werden können und erst dann mit Knastis besetzt werden? Glaube nicht...