Aston Martin DB4 GT Lightweight: Neuauflage
Das Geschäft mit den neuen Alten
Jaguar legt Motorsport-Legenden neu auf. Doch die Idee entstand bei Aston Martin: Schon 1988 baute man dort vier neue DB4 Zagato. Jetzt folgen 25 Nachbauten des DB4 GT.
Von Carl Christian Jancke
Eigentlich sind moderne Sportwagen ganz schön langweilig. Wenn die Launch Control die Beschleunigung bei Vollgas regelt, muss der Fahrer sich nur noch am Lenkrad festhalten. Der Grenzbereich beginnt dort, wo der Verstand längst das Gas wegnimmt. Wenn nicht, greift das ESP ein. Auch auf der Rennstrecke liegen die Grenzen meist jenseits der Angstschwelle.
Das war früher anders. Da waren Sportwagen in den Händen von Laien noch gefährlich. Man musste sie fahren können, um schnell zu sein. Die Sehnsucht danach, die Technik zu beherrschen und nicht von ihr beherrscht zu werden, spüren viele Petrolheads noch heute. Und einige dieser Nostalgiker sind reich genug, um einen Markt zu erschaffen: In den britischen Städten Newport Pagnell und Coventry wird der Wunsch nach klassischem Motorsport erfüllt. Jaguar legte kürzlich Kleinserien von E-Type Lightweight und XK-SS neu auf. Nun macht Aston Martin mit und baut eine Ikone als Neuwagen.25 Aston Martin DB4 GT sollen im 2007 stillgelegten Stammwerk entstehen. Die Marke verkauft gleich ein ganzes Eventprogramm drumherum, bei dem man den neuen Oldtimer auf den Rennstrecken der Welt testen kann. Aus purer Not. Denn eine Straßenzulassung wird der Wagen vermutlich nicht bekommen. Für historische Rennen ist er dagegen zu neu. Zwei gewichtige Nachteile für einen Kaufpreis von angeblich 1,9 Millionen US-Dollar (ca. 1,8 Mio. Euro). Dennoch: Sogenannte Recreation-, Sanction- oder Continuation-Modelle, also Neuauflagen, haben Tradition.
Der erste neue Oldtimer: Aston Martin DB4 GT Zagato
Aston Martin hat dieses Konzept erfunden. Grund dafür waren miese Verkaufszahlen: Zwischen 1960 und 1963 sollten 25 Aston Martin DB4 GT Zagato gebaut werden. Eine Sonderedition für die Rennstrecke, mit kurzem Radstand und wenig Gewicht, gezeichnet vom damals 23-jährigen Ercole Spada. Doch der Wagen übersteuerte und war gegenüber den diversen Ferrari 250 nicht konkurrenzfähig. Nur 19 der geplanten 25 Fahrzeuge wurden gebaut und verkauft.
Aston Martin hatte für die restlichen Wagen Fahrgestellnummern vergeben und registriert. 1988 entstand die Idee, wenigstens vier dieser Fahrzeuge zu bauen. Ihre Karosserien entstanden bei Zagato, die Spezialisten bei R.D. Williams schraubten alle Autos zusammen. Eine Straßenzulassung war kein Problem, durch die frühe Registrierung galten die Regeln von 1960. Mit einer neuen Fahrgestellnummer hätte das nicht funktioniert.Mit der Neuauflage verdiente Aston Martin viel Geld. Nach 15 Minuten waren die ersten vier Modelle verkauft. Jeder „Sanction II“ kostete umgerechnet 1,2 Millionen Euro. Alle Fahrzeuge waren behutsam modifiziert und mit leistungsgesteigerten 4,2-Liter-Motoren ausgestattet. Die Produktion der Neuauflage dauerte zwei Jahre. Für die beiden übrigen Fahrgestellnummern wurden ebenfalls Karosserien gebaut. Sie waren ursprünglich als Teileträger vorgesehen, wurden aber 1996 als „Sanction III“ verkauft.
Mittlerweile dürften die Repliken für die Eigentümer einträglich sein. Experten schätzen ihren Wert auf rund ein Drittel der 19 Originale. Zur Einordnung: Ein originaler DB4 Zagato erreichte bei einer Versteigerung in New York einen Preis von rund 15 Millionen Euro.
Jaguar E-Type Lightweight als Neuauflage
Der Jaguar E-Type Lightweight teilt das Schicksal des DB4 Zagato. Jaguar hatte sich verschätzt. 18 Exemplare sollten 1963 gebaut werden, zwölf wurden letztendlich verkauft. Das muss nicht an mangelnder Nachfrage gelegen haben. Vermutlich wollte sich Jaguar auf die Serienmodelle konzentrieren, denn das Werk war überlastet. Heute sind die E-Type Lightweight bis zu fünf Millionen Euro wert. Aber alle Fahrgestellnummern wurden vergeben und bei der Rennsport-Organisation angemeldet.2014 begann Jaguar, die sechs fehlenden Autos aufzubauen. Mit serienmäßigen 3,9-Liter-Reihensechszylindern, inklusive der zickigen Lucas-Einspritzung und rund 340 PS. Natürlich gab es mehr Interessenten als Fahrzeuge, trotz eines Preises von rund 1,5 Millionen Euro. Zwei Jahre später wurden die ersten Exemplare an ihre Käufer übergeben. Die mussten sich verpflichten, den Wagen vorerst nicht zu verkaufen und mit ihm tatsächlich Rennsport zu betreiben.
Anders als in den 1960er-Jahren hat der Wagen heute einen Wettbewerbsvorteil. Auch der Jag konnte sich damals nicht gegen die roten Renner aus Maranello durchsetzen. Doch der knapp eine Tonne leichte Wagen ist knallneu. Die Konkurrenz hat mehr als 50 Jahre auf dem Buckel. Jaguar sagt, der Lightweight entstehe nach den damaligen Fertigungsmethoden. Trotzdem dürfte es selbst bei der Qualität vieler Werkstoffe in den vergangenen sechs Jahrzehnten Qualitätsverbesserungen gegeben haben.
Von der Tragödie zur Chance
Nach dem Projekt Lightweight brauchte die neu gegründete Retro-Abteilung bei Jaguar eine neue Aufgabe. Beim Stöbern im Archiv stieß man auf eine Katastrophe: In der Nacht auf den 12. Februar 1957 geriet die Jaguar-Fabrik Browns Lane in Coventry in Brand. Dabei wurden neun Jaguar D-Type Rennwagen, die gerade für den US-Markt zu Straßenversionen umgebaut werden sollten, zerstört.
Der Rennwagen nahm die Formensprache des E-Type vorweg und siegte dreimal in Folge in Le Mans (1955 – 57). Trotzdem wurden 25 der 87 gebauten Rennwagen nicht verkauft. Ein Grund: Es waren 1956er-Autos mit 1955er-Spezifikation. Das macht die Autos heute besonders wertvoll: Einer der Le-Mans-Sieger wurde im August 2016 für rund 22 Millionen Euro in Pebble Beach versteigert. Ohne diese Rennhistorie dürfte es immerhin für einen siebenstelligen Betrag reichen.
Die übrig gebliebenen Autos wurden damals straßentauglich gemacht. Sie erhielten eine zweite Tür, ein Verdeck, Stoßstangen, einen Gepäckträger auf dem Wagenheck und einen neuen Namen: 15 Jaguar D-Type wurden als XK SS ausgeliefert, so etwas wie frühe Supersportwagen. 240 PS aus 3,4 Litern Hubraum und 250 km/h Topspeed waren 1957 Traumwerte. Besonders für die neun Amerikaner, deren Autos abbrannten.Jaguar baut jetzt Ersatz mit den identischen Fahrgestellnummern. Und weil Jaguar das wieder selbst macht, ist es auch legal. Schon früher hat es Nachbauten auf E-Type-Basis gegeben. Ein solches Auto vom renommierten Hersteller Lynx aus dem Vorbesitz des amerikanischen Schauspieler Nicolas Cage brachte schon 2014 bei einer Auktion rund 450.000 Euro. Da erscheinen die rund 1,5 Mio Euro für den Neuwagen angemessen.
Die Autos soll man auf der Straße sehen. Es sind keine D-Type Rennwagen, sondern Fahrzeuge mit Straßenzulassung. Das macht sie zu den ersten wirklich neuen XK SS. Hier wird es allerdings kompliziert. Wenn sich ein späterer Besitzer entschließt, sein Auto zum D-Type rückzubauen und im Anschluss einen FIA-Pass für den historischen Rennsport zu beantragen, kommen die Sportkommissare in die Bredouille.
Der Fahrzeugwert lässt sich schwer einschätzen. Und, ganz wichtig: Wenn ein Dritter, etwa ein Restaurator, weiß, dass ein Auto zerstört wurde und ein entsprechendes Modell nachbaut, ist das streng genommen eine Fälschung. Jaguar spricht deshalb von Neubauten. Und wie man sieht, haben die ihren Markt. Es soll für die neuen XK SS 40 ernsthafte Angebote gegeben haben.
Aston Martin DB4 GT: Nummer 203 wird leben.
Nun wieder Aston. Wieder mit dem DB4, aber einer anderen Version: Der DB4 GT startet in einer Neuauflage. Fahrgestellnummern aus den 1960er-Jahren sind nicht übrig, die Autos werden als Neuwagen registriert. Der letzte produzierte DB4 GT trug die Fahrzeugnummer 202 im Blech. Der erste neue wird demzufolge die 203 tragen. 25 Exemplare sollen entstehen und DB4 GT Continuation heißen. So viele Nachbauten hat noch kein Hersteller aufgelegt.
Ganz original ist das Auto nicht. Er wird nach den Spezifikationen des nur achtmal gebauten DB4 GT Lightweight gebaut. Aston senkte damals mit Aluminium das Gewicht um 70 Kilogramm. Immerhin 5 Exemplare verfügten über Alu in den tragenden Teilen, die weitere Einsparungen brachten. Der ursprüngliche GT wurde insgesamt 75-mal gebaut.Wie viel der Continuation auf die Waage bringt, wird man erst später erfahren. Der Vergaser-Sechszylinder wird mit 340 PS wesentlich stärker als der des ursprünglichen DB4 GT sein. Er schwankte zwischen 270 (gemessen) und 303 PS (Werksangabe). Auch eine bessere Bremsanlage ist wohl in Planung. Die Wagen werden in Newport Pagnell, dem Stammsitz von Aston Martin hergestellt. Dort lief der letzte Wagen, ein Vanquish war das, vor fast zehn Jahren vom Band.
Die Vergabe von neuen Fahrzeugidentifikationsnummern hat aber einen Nachteil. Bei Neuzulassung müssten sie die Vorschriften des Jahres 2017 erfüllen. Unmöglich – und nicht gewollt. Auch nicht über eventuelle Schlupflöcher in anderen Ländern. Mit dem Auto verkauft Aston Martin ein zweijähriges Event-Programm. Die DB4-Continuation-Wagen werden bei exklusiven Veranstaltungen auf allen Rennstrecken dieser Welt bewegt und von Aston Martin rundum betreut.
Fazit
Für den Wert der Originale haben die Nachbauten offensichtlich keine negativen Auswirkungen. Im Gegenteil: Ein originaler Aston Martin DB4 Zagato ist heute viel wertvoller als die Nachbauten von 1988 bis 1990. Für die Hersteller lohnt es sich ebenfalls. Die PR ist ein Selbstläufer, die Replikas erweisen sich als Markenbotschafter. Das Ganze könnte langfristig zum Geschäft werden. Denn Jaguar und Aston Martin richten dauerhafte Produktionskapazitäten mit spezialisierten Handwerkern ein.
Wo wir dabei sind – es gebe da noch einen Jaguar XJ 13, der bei einer Werbefahrt 1971 zerstört wurde. Da ist die Fahrgestellnummer bekannt. Und der Wagen sollte eigentlich in Le Mans einen Sieg holen. Wie wäre es damit?
Na, wer weiß. Vielleicht regeln die Briten das bald zumindest für den Heimatmarkt anders.
Was für ein großartiges Auto....
Ein traumhaft schönes Auto.
Leider unerrreichbar - trotzdem schön zu wissen.
man kann sich nur wundern, wohin die Oldtimerei entartet ist: früher ein Hobby für Enthusiasten, die altes Blech vor der Presse bewahrten, heute ein amüsanter Zeitvertreib für Börsenmakler und Zahnärzte mit eigenem MVZ - und die Rendite immer schön im Blick. Es bleibt zu hoffen, dass die Klientel, welche ohne Wimpernzucken siebenstellige Beträge für ein antiquiertes Vehikel ausgeben kann, was obendrein nur so tut, als wäre es alt, auch genügend Eier im Sack hat, diese Pretiosen auch wirklich im Rennbetrieb zu bewegen. Die Vorstellung, diese Schätzchen würden lediglich im Sommer auf den Trailer geschnallt und zum Angaffen vor dem Gogärtchen abgestellt und im Winter dann vor Badrutt'sens Palace Hotel, ist echt zu schmerzvoll für meine armen alten Nerven...😉
Ich fürchte, die Preistreiberei wird dieses wunderbare Hobby irgendwann ersticken. Wer würde sich heute noch trauen, mit einem Bugatti Royale (gerne auch Mercedes W125, W154, Alfa Tipo B, Ferrari California Spider oder ein anderes Millionenschätzchen einsetzen) auf der Straße zu fahren? Tja, und spätestens dann wird das ganze ein wenig absurd...
Nicht vertun. Viele dieser Autos werden auch wirklich auf der Renne bewegt.
Und wenn man dann so ein Schätzchen im Rennbetrieb crasht, dann gibt es trotzdem wieder Haue.
Dem Pöbel kann man es nicht gerecht machen. 😉
😊😆
Ein Jammer, dass die keine Straßenzulassung bekommen. Ich fände sie attraktiver, wenn sie neu wären und nur alt aussehen, so dass eine Zulassung möglich wäre.
j.
Für 1,8 Mio. lasse ich mir mein eigenes Auto ohne Starßenzulassung bauen. 😉
Da könnte man so geile Sachen machen, die nicht nur ein immens teurer Fake sind, sondern neuen Hauch bringen.
Es gibt von Jaguar noch zulassungsfähige Modelle. Sie entsprechen den aktuellen Vorschriften 😉
ja und die sind a sehr schön anzusehen und b sehr schnell ;-)
Ich frage mich warum man heute nicht mehr Fahrzeuge mit solchem Design baut.
Stattdessen muss heute jeder abm böse und aggressiv wie der Teufel wirken u nd das findet man sogar bei Familienvans wie den Touran.
Der Hauptunterschied zwischen alten und neuen Autos ist, dass die alten wesentlich filigraner und kleiner waren. Die Proportionen wirkten damals einfach stimmiger, eleganter.
Heutzutage sind Autos klobig designt. Das hat auch was mit den Crash-Anforderungen zu tun. Hauptsächlich damit. Alleine schon deshalb wird kein Volumenmodell mehr so elegant aussehen wie bspw. ein Jaguar E-Type. Wenn man einen E-Type neben ein modernes Auto stellt, dann fällt sofort auf was ich meine.
Hier sollte man differenzieren.
Nur in Deutschland ist man so pingelig was das neu zulassen von solchen Fahrzeugen angeht.
England, usa und andere Länder sind da sehr kulant.
Ist ein Mini Cooper oder Fiat 500 unsicherer als ein Audi A1 oder VW Polo? Oder ist ein The Beetle unsicherer als ein Golf? Design hat weniger mit der Sicherheit zu tun. Es ist viel mehr der Wunsch der Designer die Fahrzeuge möglichst martialisch und respekteinflossend zu gestalten.