Volkswagens Streit mit Zulieferer Prevent
Das Neueste zum VW-Zulieferer-Streit
Die Branche blickt auf VW und seinen Zulieferer Prevent. Seit vergangener Woche lähmt ein Streit der beiden die Produktion bei VW. Geht es dabei nur um eine Rechnung?
Wolfsburg/Schönheide – Das Ausmaß des Zulieferer-Streits zwischen VW und Prevent ist auch heute noch nicht abzusehen. Aber es lässt sich hier und da in konkreten Zahlen ausdrücken. Am Montagmorgen vermeldete VW, welche Werke und wie viele Mitarbeiter bisher von Produktionsengpässen betroffen sind. Demnach „hat Volkswagen Flexibilisierungsmaßnahmen bis hin zu Kurzarbeit“ an folgenden Standorten vorbereitet.
- Emden: Passat-Fertigung, 18. bis 24. August, rund 7.500 betroffene Mitarbeiter
- Wolfsburg: Golf-Fertigung, 22. bis 27. August, rund 10.000 betroffene Mitarbeiter
- Zwickau: Golf- und Passat-Fertigung, 22. bis 26. August, rund 6.000 betroffene Mitarbeiter
- Kassel: Teilbereiche der Getriebe- und der Abgasanlagenfertigung, 25. bis 29. August, rund 1.500 betroffene Mitarbeiter
- Salzgitter: Teilbereiche der Motorenfertigung, 24. bis 30.August, rund 1.400 betroffene Mitarbeiter
- Braunschweig: Teilbereiche der Fahrwerks- und Kunststoffteilefertigung, 22. bis 29. August, rund 1.300 betroffene Mitarbeiter
Ist eine Rechnung das Problem?
Produktionsengpässe am Standort Hannover dementierte ein VW-Sprecher auf Nachfrage von MOTOR-TALK. Ganz offiziell sind damit 27.700 VW-Mitarbeiter vom Lieferstopp der Prevent-Töchter ES Automobilguss und Car Trim betroffen.
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur könnte der Auslöser für den Streit mit Zulieferer ES Automobilguss Querelen um eine Rechnung aus dem Juli sein. Demnach müsse der sächsische Teilehersteller fürchten, fast 400.000 Euro für Leistungen aus dem Monat Juli nicht wie verlangt bis spätestens zum 25. August bezahlt zu bekommen. Der angebliche Grund dafür: VW-intern scheint es bei dem Vorgang im Verwaltungssystem einen Differenzbetrag von rund 80 Euro zu geben - das sind nur ungefähr 0,02 Prozent der Rechnungssumme für Juli.
ES Automobilguss teilte offiziell mit, man sei zum Lieferstopp gezwungen, da VW zuerst seinerseits vertragswidrig gehandelt habe. Das Einbehalten der Teile sei zwingend notwendig, „um unsere eigenen Mitarbeiter in Niedersachsen und Sachsen zu schützen und letztlich den Fortbestand des Unternehmens zu sichern“, schreibt ES Guss. Der Autobauer habe „frist- und grundlos“ Aufträge gekündigt und lehne einen finanziellen Ausgleich ab. „Die Art und Weise, wie VW mit Zulieferern umgeht, ist in keiner Weise akzeptabel und kann jeden kleineren Betrieb in den Ruin treiben“, sagt Alexander Gerstung, Mitglied der Geschäftsleitung bei ES Guss.Die Hintergründe des Streits
Die Hintergründe des Streits reichen offenbar weiter: Ende Juli soll VW laut dpa ein Zukunftsprojekt, bei dem die Prevent-Tochter Car Trim von 2017 an Sitzbezüge für VW und Porsche liefern sollte, gekippt haben. Dabei sei es um eine halbe Milliarde Euro Auftragsvolumen gegangen – doch dem Vernehmen nach machte VW Qualitätsmängel geltend.
Car Trim war bereits in Vorleistung getreten - etwa mit neuem Personal - und forderte von VW einen „mittleren zweistelligen Millionenbetrag“ als Wiedergutmachung. Vom Autobauer ist zu hören, dass die Forderungen „absurd hoch“ seien und vor allem nicht nachvollziehbar begründet werden könnten.
Von den Zulieferern heißt es, Car Trim und ES Guss seien „eigenständige Unternehmen“, sie seien aber finanziell verzahnt - also quasi eine Schicksalsgemeinschaft. Man begreife sich auf Zuliefererseite wie Geschwister, die einander in großer Not helfen und füreinander einstehen. Ebenfalls Teil des Firmengeflechts der Prevent-Gruppe: Eastern Horizon, eine Beteiligungsgesellschaft aus den Niederlanden. Ihr wird ein Streit mit dem VW-Konzern nachgesagt, dessen alte Wurzeln bis auf den Balkan und nach Brasilien reichen. „VW kloppt sich massiv mit Eastern Horizon“, sagte ein Insider der Zuliefererseite der dpa.
Kein Zusammenhang zur nicht bezahlten Rechnung?
Die Sorgen bei den rund 350 ES-Mitarbeitern und deren Familien sind jetzt groß, die Informationen aus dem Unternehmen dünn, hieß es am Montag aus Kreisen der Belegschaft. Für diesen Dienstag ist bei ES Guss in Schönheide im Erzgebirge eine Betriebsversammlung geplant.
Aus dem Hause Volkswagen hingegen war am Montag zu hören, dass es sich im Falle der Rechnung um keinen ungewöhnlichen Vorgang handele. In der Rechnungsbearbeitung tauche manchmal Klärungsbedarf auf. Das Geld sei daher derzeit in der Tat noch nicht überwiesen. Das bedeute aber noch lange nicht, dass das auch bis zum Fälligkeitsdatum 25. August so bleibt.
Bei ES Automobilguss hingegen denkt man, dass dieser Fall durchaus eintreten könnte: „Ich hoffe sehr, dass diese Handlungsweise nicht einem ungerechtfertigten VW-seitigen Embargo wegen unserer derzeitigen Auseinandersetzung hinsichtlich der Belieferung Ihres Hauses geschuldet ist“, schreibt der Verantwortliche auf Zuliefererseite an VW und betont, dass „die Juli-Rechnung in keinem kausalen Zusammenhang mit unserem Lieferstopp seit Anfang August in Verbindung steht“.Der dpa liegen Unterlagen dazu im Wortlaut vor. Sie reichen jedoch nur bis zum Donnerstag der vergangenen Woche (18.). Von VW hieß es am Montag, die Rechnung werde „nach erfolgter abschließender Prüfung fristgemäß überwiesen“. Nach dpa-Informationen trafen sich beide Seiten außerdem am Montag in einem Hotel in Wolfsburg, um weiterzuverhandeln und den Lieferstopp möglichst rasch beizulegen. Beide Seiten hatten zuvor betont, sich zusammenraufen zu wollen.
VW will zur Not mit Zwang arbeiten
Volkswagen hatte auf der anderen Seite stets daraufhin gewiesen, den Erhalt der Teile parallel zu den Verhandlungen mit allen möglichen juristischen Mitteln erkämpfen zu wollen – zur Not auch per Beschlagnahmung mit einem Gerichtsvollzieher.
Dazu könnte es frühestens Ende dieser Woche kommen. Das für die anhängigen einstweiligen Verfügungen zuständige Landgericht Braunschweig rechnet "nicht vor Ende dieser Woche" damit, dass die nächsten nötigen Schritte erfolgen. Derzeit stehe noch eine finale Entscheidung aus. Ohne sie könne VW den Gerichtsvollzieher nicht bemühen. Trotz des Eilverfahrens vor Gericht, in dem der Autobauer bisher Etappensiege einfuhr, ist die Sache damit für VW noch immer eine Frage mehrerer Tage. Mindestens.
Quelle: dpa
Wer glaubt denn den Schwachsinn? Wenn dem so wäre, dann würde VW den anerkannten und selbst errechneten Betrag anweisen und der Rest auf ein Notaranderkonto überweisen, bis das geklärt ist.
Ich nicht. Das ließe sich ja recht einfach aus der Welt schaffen. Das ist nicht der Grund für stille Bänder. 😉
Das Thema ist doch auch:
VW hat seit Jahren seine Zulieferer gegängelt und gepresst. Die Zulieferer bauen fast schon das ganze Auto, bei den Fahrzeugherstellern wird das ganze komplettiert und die meiste Wertschöpfung erzielt.
VW muss jetzt sparen. Da werden die sicherlich versuchen die Zulieferer zu noch mehr Zugeständnissen zu bewegen. Denn eines ist klar: Nicht nur VW braucht die Zulieferer. Es ist auch umgekehrt der Fall.
Heutzutage kann man nicht einfach weit vorangeschrittene Projekte kippen, auch wenn man sparen muss. Insbesondere wenn Fremdkonzerne daran beteiligt sind.
Die Konsequenz für die Zukunft ist allerdings auch klar. VW wird versuchen nicht nur von einem Zulieferer abhängig zu sein.
Wieso macht man voreilig als ach so kleiner armer Zulieferer Prevent Gruppe mit Hauptsitz Wolfsburg! einen Lieferstopp, wenn die Zahlung erst am 25.08. fällig ist? Allein der im Gegenzug fällige Schadensersatz für VW wird den Zulieferer gnadenlos in die Pleite reißen. Dass dieser Zulieferer wegen erwiesener Unzuverlässigkeit in der gesamten Autobranche nie wieder Aufträge bekommen wird (Schwarze Liste) ist absolut sicher und verständlich, da sind alle Konzernbosse solidarisch! Dieser Zulieferer verliert in jedem Fall und damit die Beschäftigten im schönen Vogtland, viele Bäume aber wenig Jobs. Aber auch andere Zulieferer sind durch den Stillstand betroffen.
Davon abgesehen, gibt es große mittelständische Firmen, die aus Prinzip keine Geschäfte mit Autokonzernen machen, weil hier die Zulieferer traditionell bis aufs Blut ausgepresst werden, das sollte man sich aber bitteschön vorher überlegen!
Es ist allerdings bemerkenswert, dass man jetzt, wo VW wegen Abgasbetrugs mit dem Rücken zur Wand steht diese Unstimmigkeiten öffentlich total eskalieren lässt, die man vor Jahren geräuschlos im Hinterzimmer geregelt hätte. Was sagt eigentlich die IG Metall dazu?
VW Arbeiter bekommen für die Kurzarbeit natürlich Kurzarbeitergeld von der Arbeitsagentur, keine echten Sorgen...
Viel Spaß dabei, wenn die Aufträge gesplittet werden werden die einzelnen Teile teurer, gerade bei der Marke VW wird das aber zum Problem werden, die Kernmarke ist trotz hoher Preise nicht wirklich profitabel.
Die Frage ist wie viel sich am Ende wirklich sparen lässt. 😉 Der Banker in mir will sein Risiko immer streuen.
Es ist jedenfalls mutig von dem Zulieferer aufzubegehren, gerade auch mit der Landesregierung im Hintergrund.
Und tatsächlich stimmt das nicht.
Laut der Commerzbank erwirtschaften die deutschen Zulieferer 78% der Wertschöpfung eines Automobils.
Wenn die 90% des Autos herstellen sind 78% der Wertschöpfung okay. 😆 😜 😉
...falls sich noch genügend Zulieferer finden die sich mit VW einlassen. Denn die werden sich schon so ihre Gedanken machen wegen dieser Geschichte.
The Upshot: VW wird in Zukunft keine Vorleistungen von Zulieferern bekommen ohne Hieb und Stichfeste Vertraege. Einen Zulieferer nach 20 Jahren so zu behandeln wie VW es grade macht grenzt ans kriminelle.
Die Zeiten von "auf Handschlag" mit VW duerften vorbei sein...
Ein vorgeschobener Grund um die Bänder ruhen zu lassen. So kann man die Schuld auf den Zulieferer schieben und muss sich nicht seine eigene Schuld eingestehen, nämlich das man die Kunden mit Betrug vergrault hat und jetzt die Autos nicht los bekommt. Normalerweise werden ALLE Hebel in bewegung gesetzt wenn mal Teile fehlen, da ist dann auch schnell mal ein Heli gechartert wenn der LKW im Stau steht.
Na klar und der Zulieferer setzt seinen ganzen Ruf ( inkl. Schwesterfirmen) aufs Spiel nur um es VW mal richtig zu zeigen🙄.
Kommt doch bitte mal von dieser Robin Hood Geschichte weg, ein Zulieferer schmeißt sich aufopferungsvoll in den Dreck um die anderen zu schützen😆.
Glaubst du doch wohl selber nicht. Pack schlägt sich, Pack verträgt sich und in ein paar Monaten haben sich alle wieder lieb. Kenne das bei uns aus dem Handwerk. Ein Kollege musste Insolvenz anmelden und hatte noch mehrere tausend Euro Schulden bei einem Großhändler.
Er hat den Betrieb auf den Namen seiner Frau neu eröffnet und nach rund einem Jahr kam der Vertreter des Großhandels angeschlichen, ob man den nicht mal wieder zusammen arbeiten möchte.
Du kennst die Geschäftsgebaren der grossen Automobilhersteller und besonders die von VW anscheinend nicht. VW lässt die Zulieferer nach der VW Pfeife tanzen. Natürlich fordern und bekommen sie Vorleistungen ohne Verträge. Im Regelfall schon ganz alleine dadurch, dass die SOP feststehen, und ohne Investitionen können die Zulierer nicht liefern. VW sitzt doch am deutlicher längeren Hebel. Da kann höchstens Bosch als Zulieferer gegenhalten. Handschlaggeschäfte, bei dem beide Seiten zu ihrem Wort stehen, gibt es bei VW nicht.
In der Branche schlägt man sich lachend auf die Schenkel, dass endlich mal einer versucht VW Paroli zu bieten. Alle sind sich aber im klaren dass die Preventgruppe dies natürlich wirtschaftlich nicht überleben wird. Aber VW wird nach diesem Desaster evtl. zukünftig etwas umsichtiger agieren, weil sie merken dass sie nicht mit allem durchkommen.
Habe selbst mal bei einem Zulieferer gearbeitet, der heute Pleite ist.. und zwar in der Produktionsplanung, Mittelständischer Betrieb in Bayern, eher in einem Inzestdorf, ca. 500 Mitarbeiter. Lohnausbeuter und 42,5 Stunden Woche (weil nur 30 min Pause).
Die drücken Dir nach einiger Zeit den Preis in einigen Bereichen und Produkten so sehr, dass Du Verlust machst. Mit Folgeprojekten kannst Du dich dann über Wasser halten, bis dort wieder die Daumenschrauben angezogen werden. So geht das immer so weiter.
Fallen Folgeprojekte weg, entfällt die Geschäftsgrundlage und Du kannst den Laden einfach zusperren.