Energie-Experte Helm: "Peak Oil" bleibt aus

Das Öl wird doch nicht knapp

Björn Tolksdorf

verfasst am Sun Jul 16 09:00:56 CEST 2017

Neue Fördertechnik und der Wandel in Industrie und Verkehr haben laut dem renommierten Wirtschaftsprofessor Dieter Helm Folgen: Eine Ölknappheit wird es nicht geben.

Oxford/Stuttgart – Wann ist das Erdöl alle? Diese Frage treibt Ökonomen, Geologen und Umweltforscher seit Jahrzehnten um. Autofahrer auch. Die Gegenposition gab es immer: Die Ölversorgung der Weltbevölkerung werde zu keinem echten Problem werden.

Wie sieht es heute aus, angesichts zunehmender Industrialisierung und dem starken Bevölkerungswachstum in Asien? Dieter Helm sagt: Die Ölknappheit fällt aus. Der renommierte Professor für Energiepolitik der Universität Oxford hat 2011 die EU in Energiefragen beraten und im März ein Buch veröffentlicht: "Burn Out - The Endgame for Fossil Fuels".

In diesem Buch vertritt der Professor die These: Es kommt zu keiner Ölknappheit, da schon im nächsten Jahrzehnt die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen weltweit sinken wird. "Peak Oil" wird nicht stattfinden. Wie das? Im Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ erläutert Helm: Die Welt gehe bei Öl, Gas und Kohle derzeit einem Maximum des Verbrauchs entgegen. Während das Angebot in naher Zukunft hoch bleibe, werde die Nachfrage schon bald sinken. "Über die Versorgung mit Öl müssen wir nicht mehr nachdenken", sagt Helm.

Öl heute halb so teuer wie 2014

Dass das Angebot hoch bleibt, erscheint aus heutiger Sicht realistisch – anders als noch vor 10, 15 Jahren. Öl kostet aktuell pro Barrel nur halb so viel wie 2014, was vor allem an der stark gestiegenen Förderung in den USA liegt. In der Tiefsee liege noch jede Menge Öl, so Helm – dies zu fördern sei nur eine Frage der Kosten, finanziell wie umweltpolitisch. Auch im Fracking liege noch viel Potenzial: In wichtigen Ölländern wie China, Russland, Algerien, Argentinien und dem Nahen Osten sei die Technologie noch nicht einmal im Einsatz. „Dieser Boom ist noch lange nicht vorbei“, sagt Helm.

Entscheidend für das Ausbleiben des Öl-Kollapses ist für Dieter Helm aber ein anderer Punkt: Der Bedarf an Erdöl werde in absehbarer Zeit deutlich sinken, glaubt der Professor. Die chemische Industrie entwickle mehr Materialien, die anders als herkömmlicher Kunststoff ohne Erdöl auskämen. Und der Verkehr werde sich im kommenden Jahrzehnt vom Verbrennen von Benzin und Diesel weg entwickeln.

Schwere Fahrzeuge würden auf Gas umsteigen, leichte Pkw auf Strom. Dies erfordere schon die zunehmende Luftverschmutzung. Auch dafür gibt es deutliche Indizien: Immer mehr Staaten setzen sich konkrete Ziele, ab wann sie keine Autos mit Verbrennungsmotor mehr neu zulassen wollen.

Schlechtes Zeugnis für Deutschland

Wegen dieser Entwicklung, so Helm, fördern viele Ölstaaten ihre Reserven lieber heute, als sie zurückzuhalten - vor allem im arabischen Raum. Denn ob dieses Öl in 10, 15 Jahren noch verkäuflich sei, daran gebe es begründete Zweifel. Dies verdränge teurere Förderarten wie Ölsandförderung in Kanada, die dann preislich nicht mehr mithalten könne. Vor allem, wenn das Angebot die Nachfrage übersteigt. Eine Tendenz, die in den letzten zwei Jahren schon zu beobachten gewesen sei.

Ein schlechtes Zeugnis stellt Helm der deutschen Energiewende aus. Trotz hoher Subventionen in erneuerbare Energien sei die Energie heute schmutziger und produziere mehr CO2 als vor Beginn des Programms. In 50 Jahren würde ein Historiker sagen müssen: „Deutschland ist von der Kernkraft auf die Kohle umgestiegen“, sagt Helm. Und die sei das größte Problem für den Klimaschutz.

 

Quelle: Süddeutsche Zeitung