Elektroroller-Sharing Coup in Berlin: Praxistest, Kosten
Das taugen die neuen Leihscooter
In Berlin surren neuerdings massenhaft Elektroroller herum. Was taugen die lautlosen Flitzer in der verstopften Innenstadt? Wir haben einen Smartscooter des Anbieters Coup getestet.
Von Haiko Prengel
Berlin - „Immer schön beide Hände an den Bremsen halten!“ Diesen Tipp gibt man mir vor der ersten Testfahrt mit auf den Weg. Beim E-Scooter muss man nur etwas am Gasgriff drehen, dann schießt der Roller nach vorn. Was für eine Beschleunigung, denke ich, während ich über den heißen Asphalt der Berliner Friedrichstraße düse. 30 Grad, alles schwitzt, nur ich nicht. Der Fahrtwind erfrischt mich.
E-Roller boomen. In Berlins chronisch verstopfter Innenstadt sieht man die zweirädrigen Gefährte seit zwei Jahren häufig, auch in anderen deutschen Städten sind E-Roller im Kommen. Da lohnt es sich, einmal auszuprobieren: Sind die wendigen Flitzer im Stadtzentrum ein Gewinn, kommt man mit ihnen schneller voran als im Auto? Und sind sie ökologischer?
Abgase verströmt unser Smartscooter nicht, der vom taiwanesischen Hersteller Gogoro gebaut wird. „Let's Rethink Energy“ lautet der Slogan des aufstrebenden Unternehmens aus Taipeh. In China werden jedes Jahr mehr als 20 Millionen Elektro-Roller verkauft. Hierzulande spielten Roller bislang nur eine Nebenrolle. Trotz dichter Innenstädte quälen sich nach wie vor viele per Auto durch die Straßen.
Ist Durchmogeln erlaubt?
Bei unserer Testfahrt kommt der erste Stau auf der Leipziger Straße. Es ist kurz vor halb vier am Nachmittag, die Rush Hour beginnt. Auf der dreispurigen Magistrale stauen sich im Feierabendverkehr die Autos. Es stinkt nach Sprit, warme Abgaswolken wehen herum. Auf einem Roller ohne Innenraumfilter inhaliert man die Abgase besonders intensiv. Das Plastikvisier des Helms schützt nur vor umherfliegenden Insekten.
Der Vorteil: Mit zwei Rädern und nur 70 Zentimetern Breite kann man sich durch manche Lücke hindurchmogeln. Darf ich das eigentlich, im Stop-and-Go-Verkehr links oder gar rechts andere Fahrzeuge überholen? „Nein, das ist nicht erlaubt“, sagt Julia Grothe vom Sharinganbieter Coup. Viele Roller- und Motorradfahrer machen es trotzdem und schlängeln sich zwischen den wartenden Pkw-Reihen hindurch.
Die Coup Mobility GmbH, von der unser Testroller kommt, hat ihren Sitz in der Friedrichstraße in Berlin-Mitte. Das Tochterunternehmen von Bosch bietet die Elektro-Scooter seit knapp einem Jahr zum Ausleihen an, ohne Motorradführerschein. Im August 2016 ging das Unternehmen mit 200 Fahrzeugen in der Hauptstadt an den Start. „Derzeit erweitern wir unsere Flotte auf 1.000 E-Scooter in Berlin“, sagt Coup-Mitarbeiterin Grothe. Außerdem starte man noch in diesem Sommer einen Service in Paris mit 600 E-Scootern. Zahlen zur Ausnutzung der Roller gibt das Unternehmen nicht heraus, aber es scheint ganz gut zu laufen.
Fahren ist leicht
Für die Testfahrt müssen wir nicht lange suchen: Rund um die Friedrichstraße stehen im Umkreis von 200 Metern genug „Smartscooter“ bereit. In abgelegeneren Straßen muss man schon mal eine Viertelstunde bis zum nächsten Roller gehen. Gebucht und aufgeschlossen wird das Gefährt mit dem Smartphone. Das Staufach für den Helm öffnet sich per Knopfdruck. Dann nur noch den Seitenständer einklappen, Bremse ziehen und den großen „Go“-Button in der Mitte des Lenkrads drücken – schon sind wir bereit für die „volle Experience“, wie es im Berlin-Mitte-Sprech von Coup heißt. Mit anderen Worten: Ich kann losfahren.
Kinderleicht, ein Dreh am Gasgriff und der E-Scooter surrt los. In wenigen Sekunden ist der Roller auf Tempo 45. Dann wird abgeregelt, damit jeder mit einem Führerschein der Klasse B die Fahrzeuge nutzen könne, erklärt Coup. Tatsächlich schafft es unser Testroller bei Vollgas auf bis zu 53 km/h, jedenfalls laut „Dashboard“, wie die Instrumententafel beim Smartscooter heißt.
Auch sonst mutet das Gefährt in seinem Design und der Beleuchtung ein wenig futuristisch an. Und gibt beim Blinken, Rückwärtsfahren oder Kommunizieren mit dem Smartphone seltsame Töne von sich, fast wie R2D2 aus „Star Wars“. Dazu das fast lautlose Dahinsurren, ein wenig fühle ich mich wie auf einem Raumgleiter.
Wie steht es mit Umwelt und Sicherheit?
Und bei 30 Grad in kurzen Hosen so dahinzugleiten, das macht einfach Spaß. Teuer ist es auch nicht: In der ersten halben Stunde kostet ein „Ride“ bei Coup drei Euro, der Konkurrenzanbieter Emmy rechnet 19 Cent pro Minute ab. Zum Vergleich: Für Zwei Stunden U-Bahnfahren muss man in Berlin ab 2,80 Euro bezahlen. Die U-Bahn hat ebenfalls keine Klimaanlage.
Dafür ist Rollerfahren gefährlicher. Das Drehmoment des 8,5 PS starken Elektromotors steht beim E-Scooter sofort zur Verfügung. Ungeübte Zweiradfahrer können die Geschwindigkeit schnell überschätzen. Die hydraulischen Bremsen packen zwar gut zu, aber bei einem Unfall hat man schlechte Karten: Die Knautschzone aus Alu beträgt nur ein paar Zentimeter, bei einem Crash würde man wohl weit über den Lenker fliegen. Schützende Lederkleidung trägt auf diesen Rollern fast niemand.
Und die Ökobilanz? Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) begrüßt die steigende Zahl an Elektrorollern auf den Straßen. Während normale Roller anteilig mehr gesundheitsschädliche Abgase abgäben als Autos, seien strombetriebene Roller umweltfreundlich, sagt VCD-Sprecherin Anja Smetanin. „Sie machen keinen Lärm und sind emissionsfrei.“ E-Roller seien deshalb auch von der Kfz-Steuer befreit, das bringe 25 Euro Ersparnis im Jahr. Was die Sprecherin nicht sagt: Vergleichbare 50-Kubik-Roller mit Verbrenner kosten ebenfalls keine Steuern.
Maximal 100 Kilometer Reichweite
Eine Studie aus Schweden kommt zu dem Ergebnis, dass die Klimabilanz der Batterieherstellung für Elektrofahrzeugen ziemlich mies ist. Denn oft werden die Batterien in Ländern hergestellt, in denen der Strommix ökologisch betrachtet schlecht ist und viele fossile Rohstoffe verheizt werden.
Auch die smarten Scooter von Gogoro sind mit Lithium-Ionen-Akkus bestückt, die Reichweite soll maximal 100 Kilometer betragen, je nach Fahrweise. „Wir arbeiten mit Ökostrom“, erklärt Coup-Mitarbeitern Julia Grothe. Wer der Anbieter ist, will sie nicht sagen. In den Akku fließt logischerweise der regionale Strommix, und der kommt in dieser Gegend hauptsächlich aus dem Blockheizkraftwerk Mitte.
Wahrscheinlich muss auch ein Elektroroller einige Jahre lang fahren, bis sich die Herstellungs- und Betriebskosten ökologisch und der Kaufpreis wirtschaftlich rechnen. Kaufen kann man Gogoros Smartscooter übrigens bislang nicht in Deutschland, sondern nur leihen. In den vergangenen Jahren haben sich einige Anbieter am Rollerverleih versucht, dahinter standen meist Start-ups. Hinter Coup steht der Bosch-Konzern, und damit genug Kapital, um das Konzept in neue Größenordnungen zu skalieren.
Zumindest in Berlin deutet die Ausnutzung der Coup-E-Scootern darauf hin, dass Rollersharing in den Innenstädten in Zeiten von drohenden Diesel-Fahrverboten durchaus zum Trend werden könnte, wenn die Preise auf dem Niveau von Bus oder Bahn gehalten werden. Dann ist nur Laufen günstiger, betont Coup. „Aber definitiv langsamer.“ Und weniger spaßig.
Technische Daten: Gogoro Smartscooter
- Motor: Elektro-Motor mit Lithium-Ionen-Batterien
- Leistung: 8,5 PS (6,2 kW)
- Getriebe: Automatik
- 0-50 km/h: 4,2 s
- Höchstgeschwindigkeit: 45 km/h (abgeregelt)
- Reichweite: maximal 100 km
- Leergewicht: ca. 115 kg
- Länge: 1,75 m
- Breite: 0,70 m
- Höhe: 1,21 m
- Radstand:1,23 m
super Sicherheitskleidung...darf halt nix passierern... 🙄
Ich finde die Dinger richtig gut, sind günstig, leicht zu fahren und machen Spaß, könnten aber etwas schneller sein und ne größere Reichweite haben. Das Geschäftsgebiet haben sie ja inzwischen schon sinnvoll vergrößert und Roller gibt es mehr als ausreichend. Gute Alternative zum Carsharing, besonders im Sommer.
Eigentlich wollte ich mich anmelden, allerdings hat Coup mit Androiden dermaßen Schwierigkeiten (es geht mit meinem Smartphone schlicht weg nicht), dass ich nun zur Konkurrenz gehen werde. Es erschließt sich mir nicht, für die Nutzung ein neues Smartphone anzuschaffen.
Googlet man die Problematik, findet man haufenweise ähnliche Situationen.
Was erwartest Du?
Wer borgt sich ein Moped aus und hat dabei die Lederkombi an?
Macht bei den Geschwindigkeiten in der Stadt keinen Unterschied ob du mit dem Rad oder mit einem Moped stürzt...
By the way, ist bei euch in Deutschland das durchschlängeln bzw. vorbeifahren bei roten Ampeln wirklich verboten? oO
JA, wird aber toleriert.
Schlimm finde ich in manchen US Bundesstaaten das dort Lane Splitting erlaubt ist für 2 Rad Fahrer,
Ur-gefährlich
Ich finde den Artikel richtig gut geschrieben. Da bekommt man Lust auf eine Testrunde. Jetzt muss sowas nurmehr in Wien kommen, dann bin ich dabei. In Österreich darf man sich übrigens an stehenden Kollonen mit einspurigen Fahrzeugen vorbeischlängeln. Das verkürzt die Fahrdauer in der Stadt enorm.
Ich würde sagen ja, aber zu meinen 125er Zeiten bin ich täglich zwischen Kolonnen von PKW, gab wirklich nie Probleme mit der Ordnungsmacht😉 Dank auch an die vielen unzähligen Autofaher in Berlin an der Spree die auch immer extra Platz gemacht haben ... muss mal erwähnt werden, sind nicht alles Holzköpfe.😎
Zu den Rollern, da muss ein Soundgenerator ran, ich finde die teilweise kreuzgefährlich, schneller als ein Rad und lautlos..😱
Was ich mich immer bei den Dingern frage? Ist der Helm im Rollerfach? Müsste ich mir dann den Helm aufsetzten den der Flohkopf mit den fettigen Haaren vor mir auf dem Kopf hatte, dann wäre das ein No-Go für mich.😆
Ich möchte ja nicht alles mies machen aber mit den DB-LIDL Fahrrädern, Drive-Now, Carto go und der BVG (Öffis) ist man in Berlin eigentlich recht zackig zu jeder Uhrzeit von A nach B, Bimmelbahnen(Tram) und Busse sind i.d.R. klimatisiert ...
Was solls sollense erstmal ihre Start-Up Millionen verballern, evtl. irre ich da und es wird ein Erfolg.😆
..na dann rutsch mal mit 50 sachen übern Asphalt ohne Schutzkleidung...
daher, super Vorbild, der Herr Prengel...
Zurück zum Smartscooter..
Cooles Teil und auch die 100km Reichweite reichen doch völlig für den Alltag.
Einizges Problem, der Preis und das "laden" daheim für den Otto-Normalbürger.
Denn, wer hat schon im Mehrfamilinehaus eine Steckdose zum Laden draueen ?
@ speedy9831 : und warum haben wir im Sommer dann ein Ticket der
"blauen" Wegelagerer bekommen, wenn das "vorbeifahren" eralubt ist ?
Finde ich gut wenn mehr von den Dingern kommen.
Für mich die deutlich praktikablere E-Mobilität als ein Elektroauto: Klein, leicht, Reichweite reicht für den Einsatzbereich locker aus; Kosten sind auch viel geringer.
Jetzt fehlt noch eine bezahlbare große Variante, der BMW C evolution ist leider zu teuer.
So lange bleibe ich hier auf dem Land noch meiner 250er Vespa treu.
zur "Sicherheitskleidung" hat sich ja schon jemand anders gemeldet.
Und irgendwie finde ich auf den Fotos kein Visier am Helm, und scheint ja auch ein Wunderhelm zu sein der auf jeden Kopf passt, von XS bis XL 🙄
Und auch schon von anderen angemerkt; wenn man sich an die STVO hält ist man genauso langsam im Verkehr unterwegs wie der restliche Verkehr.
Ich sehe da demnächst ein paar böse Unfälle.
@Guzzi97
Beim Gogoro läßt sich der Akku ganz leicht rausnehmen, aufladen in der Wohnung also kein Problem.
In Taipeh hat Gogoro sogar ein Netz von Wechselstationen aufgebaut, einfach leeren gegen vollen Akku tauschen und weiter gehts.
Normalerweise nimmt man den Akku raus und lädt ihn in der Wohnung auf. So läuft das zumindest in China. Oder glaubst du, Millionen von Chinesen hätten alle ein Einfamilienhaus? ;-)
In Österreich gilt:
§ 12 Abs. 5 StVO: "Müssen Fahrzeuge vor Kreuzungen, Straßenengen, schienengleichen Eisenbahnübergängen und dergleichen angehalten werden, so dürfen die Lenker einspuriger, später ankommender Fahrzeuge nur dann neben oder zwischen den bereits angehaltenen Fahrzeugen vorfahren, um sich mit ihren Fahrzeugen weiter vorne aufzustellen, wenn für das Vorfahren ausreichend Platz vorhanden ist und die Lenker von Fahrzeugen, die ihre Absicht zum Einbiegen angezeigt haben, dadurch beim Einbiegen nicht behindert werden."
Der Begriff "Vorfahren" wurde definiert. Das Vorfahren ist weder als Überholen noch als Vorbeifahren anzusehen.
Quelle
Was in Deutschland gilt weiß ich nicht.
Zu Deiner Frage, ja, die Helme sind im Rollerfach verstaut, dort liegt aber ein zusätzlicher Beutel bei, aus dem man sich ein "Einweghaarnetz" herausnehmen kann. Sieht zwar blöd aus, macht es aber hygienischer.
Zum zweiten Punkt, für die ultimative Mobilität in der Großstadt ist es tatsächlich von Vorteil, wenn man alle diese Dinge nutzt und zusätzlich habe ich trotzdem noch ein Auto 😊 Die BVG treibt einen im übrigen des öfteren an den Rand des Wahnsinns.