Dauertest: 10 Tage Mercedes 190 E fahren
Der Baby-Benz darf nach Hause
Fast ein Jahr hatten wir einen Mercedes 190 E. Ein tolles Auto, das wir mit einigen von Euch teilten. Hier schreibt MOTOR-TALKer Christian über seine Fahrt im Benz.
Berlin - Die MOTOR-TALK-Redaktion durfte einen Mercedes 190 E ein Jahr lang auf den Berliner Straßen testen. Damit der Benz auch mal etwas anderes als Stadtverkehr erlebt, haben wir die MOTOR-TALKer dazu aufgerufen, sich für einen 10-Tage-Test zu bewerben. Nach dem Trip zur Ostsee mit MTler Peter war der 190er zunächst eine Weile im Wellnessurlaub in Stuttgart. Gut für Tester Christian, denn so musste er nicht ganz so weit fahren, um ihn abzuholen. Hier ist sein Bericht.
"Ah ja, der alte 190er. Den hab ich heute Morgen auf dem Hof stehen sehen. Fällt ja doch auf zwischen den ganzen Neuwagen." Mit diesen Worten empfängt mich die Dame an der Rezeption des Mercedes-Besucherzentrums, als ich den 190er abholen will. Kein Wunder. Denn auch wenn der Benz in einem guten Zustand ist, fällt bereits von Weitem auf, dass er aus den 80ern stammt: Die etwas eigene Farbe, die betont kantige Form und vor allem die Maße des Wagens heben ihn von der Masse ab. Denn neben den heutigen Modellen des Herstellers wirkt der 190er beinahe kleinwüchsig.
Nichts für große Menschen
Die Pneumatik der Zentralverriegelung surrt vernehmlich, als ich den Schlüssel im Schloss drehe und gibt den Weg in den Innenraum frei. Mein erster Eindruck: Der Baby-Benz ist nichts für lange Menschen, denn Beinfreiheit gibt es genauso wenig wie Kopffreiheit.Nach dem Anlassen fällt als erstes die Laufruhe des Vierzylinders auf. Hier passt technisch auch nach 27 Jahren und knapp 77.000 Kilometern alles. Nicht nur Motor und Getriebe arbeiten tadellos, auch das Fahrwerk überzeugt – besonders auf den maroden Straßen der baden-württembergischen Landeshauptstadt.
Man spürt sie kaum, genauso wenig wie den Motor, der im Standgas fast unmerklich vor sich hin werkelt. Da kenne ich manche Neuwagen, die schlechter abschneiden. Kurz gesagt: Er fährt sich traumhaft für sein Alter!
Einmal durch die Heimat
Damit der Heimkehrer auch einmal sieht, was sich in Stuttgart in den vergangenen 27 Jahren so alles getan hat, starten wir zur Sightseeing-Tour. Also ab nach Untertürkheim, am Werk vorbei und hoch auf den Rotenberg, quasi direkt ins Herz Württembergs.
Die kurvigen Straßen durch die Weinberge meistert der 190er souverän, wenn auch nicht temperamentvoll. Aber darum geht es auch nicht, sondern um gemütliches Gleiten. Vorbei an den
Reben und an so manchem seiner Brüder, die hier noch zahlreich an der Straße parken, arbeitet sich der Vierzylinder-Sauger mit unaufdringlichem Klang bis zum Gipfel empor.Von hier aus lässt sich auch schon das nächste Ziel erkennen: der Stuttgarter Fernsehturm, der erste seiner Art. Irgendwie gilt das auch für den 190er, denn seinem Vorbild folgten viele erfolgreiche Modelle. Vom Fernsehturm aus geht es weiter ins Europaviertel, dem neuen Herzen der Schwabenmetropole.
Um die Langstreckentauglichkeit des 190ers zu testen, fahre ich auf die Autobahn Richtung Darmstadt. Ohne fünften Gang pendelt sich die Reisegeschwindigkeit bei 120-140 km/h ein, was den besten Kompromiss zwischen zu gemächlich und zu laut darstellt. Angenehmer Nebeneffekt: Der Motor bleibt durchzugsstark.
Auch Darmstadt kann sehr romantisch sein
Am Zielort angekommen geht es zuerst zum Fotografieren aufs Parkhausdach, danach zum Bahnhof
und weiter zum Waldfriedhof, zu einem Fotoshooting Auge in Auge mit seinem großen Bruder, einem C124. Von der düsteren Szenerie des Friedhofs ging es weiter nach Frankfurt.Wie steht's eigentlich mit dem Durst des 190ers? Er kommt schließlich noch aus einer Ära, in der Spritpreise unwichtig waren. Trotzdem ist er erstaunlich sparsam. Auch ohne sechsten Gang und trotz des Stop-and-Go im Frankfurter Stadtverkehr begnügt sich der kompakte Sternenkreuzer tatsächlich mit gerade mal 9 Litern auf 100 Kilometer. Das kann sich für ein Auto Baujahr 1987 sehen lassen.
Einfache, aber logische Ausstattung
Dazu muss man aber auch sagen, dass der Wagen vorbildlich gewartet wurde. Unter der Haube blitzt es: Die Rundum-Kur von Mercedes beinhaltete wohl einen neuen Kühler samt Schläuchen, einen neuen Wischwasserbehälter und einen ausgedehnten großen Service. Aus diesem Grund darf man von diesem Exemplar wohl nicht auf einen gewöhnlichen gebrauchten 190er schließen, der im Zweifelsfall mindestens einen Wartungsstau hat.
So genügsam wie der Motor waren offenbar auch die Fahrer dieser Zeit. Die Ausstattung ist simpel.
Nur das Nötigste ist an Bord. Der rechte Außenspiegel ist elektrisch verstellbar, der linke nicht. Logisch, man kommt mit der Hand problemlos dran, um ihn manuell zu verstellen.Die Tachoeinheit ist simpel und informativ – wie gewohnt sogar mit einer Öldruckanzeige, die man sich auch bei neuen Autos manchmal wünschen würde. Das Becker-Autoradio beschränkt sich ebenfalls aufs Wesentliche und erfreut durch Zahnriemenregler – die man auch öfter benutzt, denn RDS und automatische Frequenzumschaltung sind ihm fremd. Immerhin weist der kleine Benz seine Insassen schon mittels Warnlampe darauf hin, dass sie vor der Fahrt die Sicherheitsgurte anlegen sollen.
Youngtimer trifft neue S-Klasse
Ins Museum gehört dieses Auto noch lange nicht, dafür ist er viel zu alltagstauglich. Höchstens davor, um ein paar Fotos zu schießen. Ein direkter Vergleich mit einer aktuellen S-Klasse zeigt, dass sich Mercedes nach wie vor treu geblieben ist, auch wenn die E-Smarts aus dem Konzern langsam aber sicher auch ihren Platz im Straßenbild erobern. Und die sind für den Stuttgarter Stau allemal besser geeignet als ein Youngtimer, denn der ist dafür viel zu schade.
Deswegen nutze ich ihn noch einmal für eine längere Strecke, diesmal machen wir uns auf den Weg
in die Pfalz, zu einer Hochzeit. Auch hier macht der Benz eine gute Figur und genehmigt sich trotz Stau nur 9,58 Liter. Im Alltag fällt dazu noch auf, dass der Nutzwert meist besser ist als der neuerer Fahrzeuge. Der Kofferraum z. B. ist deutlich besser zugänglich als der des W202 – und dazu noch sehr geräumig für die Größe des Fahrzeugs."Ich würde ihn behalten"
Der 190er besitzt zwar nicht die Eleganz eines SL 500, der hier als Brautfahrzeug bei der Hochzeit zum Einsatz kam. Doch man kann mit ihm zumindest guten Gewissens im Anzug zu einer solchen reisen.
Irgendwann sind auch die schönsten zehn Tage einmal um, selbst wenn man in dieser Zeit beschaulich durch die Lande cruist. Mein Fazit: Ich würde den 190er behalten, wenn man mich fragen würde. Tut aber leider keiner. Denn solche Autos werden nicht verkauft – sie werden vererbt!
In seinem Blog schreibt Christian noch ausführlicher über seine 10 Tage mit dem 190er, lest hier weiter.
Für unsere Statistikfreunde
- 8 Bundesländer durchfahren
- ca. 1.500 Kilometer geschafft
- ca. 125 Liter Benzin verfahren
- Durchschnittsverbrauch 8,98 l/100 km
- über 400 Fotos
Hier geht s zum Bericht von MOTOR-TALKer Frank.
Ist das jetzt wirklich schon ein Jahr her? Ich sollte weniger arbeiten 😆
Ich erinnere mich noch gut an den 190E meines Opas. Mit dem gemütlich nagelnden Diesel und der Automatik, eingefasst in Holzfunier, dem Kasettenhalter (Serie) und den grauen Stoffsitzen war er unser "Kinderwagen" wenn es zu Oma und Opa ging. Am Ende hat er bis zu einem (unverschuldeten) Unfall mit wirtschaftlichem Totalschaden gehalten, sonst hätte ich ihn mir gesichert.
"Mein Fazit: Ich würde den 190er behalten, wenn man mich fragen würde"
alles eine frage des geldes. es gibt durchaus noch genug gute und sehr gut erhaltene exemplare die man auch für geld kaufen kann, wenn man nur
-> etwas aufmerksam sucht
-> bereit ist geld auszugeben (2000€ reichen da halt nich)
-> die eine oder andere reperatur mit guten originalteilen oder welchen aus dem zubehör(von ordentlichen marken) durchzuführen
"Tut aber leider keiner. Denn solche Autos werden nicht verkauft – sie werden vererbt!"
-> für solche U-100tkm darf das durchaus gelten. aber nachdem sie dann vererbt wurden wird auch das eine oder andere exemplar unmittelbar angeboten , eben weil nicht jeder erbe damit was anfangen kann oder möchte.
-> manche dieser vererbten exemplare sind auch technisch in excelltem zustand aber haben beulen, kratzer, schrammen. eben immer dann wenn der besitzer oder die besitzerin nicht rechtzeitig das autofahren beendet hat. solche schäden gegen dann ins geld wenn man sie perfekt beseitigt haben möchte. im verkauf drücken sie sehr deutlich auf den preis. solche fahrzeuge bekommt man durchaus günstig - das fahrgefühl schmälert das nicht - man sollte nur jedes mal vor dem ein oder nach dem aussteigen nicht ganz so genau hinsehen (in anderen ländern klappt das sehr gut)
Wieder einmal ein toller Bericht. Was mich erstaunt ist der Durchschnittsverbrauch von knapp 9 Liter. Finde ich absolut in Ordnung und zeigt, dasss man so ein 27 Jahre altes Auto auch heute noch kostenmäßig locker im Alltag bewegen kann. Daumen hoch!
selbst mein 2.6er braucht auf der BA nur 9l im Schnitt. In der Stadt sind's wohl aber ein paar mehr...
Ich war damals entsetzt, als ich mal einige Wochen einen Focus 1.6 Eco-Boost leihweise fahren durfte/musste.
Werksangabe: 4.6l, Durchschnittsverbrauch bei gemäßigter Fahrweise: 7,5l , Druchschnittsverbrauch des W124 260E (25 Jahre alt zu dem Zeitpunkt) auf dem gleichen Streckenprofil, bis er mir kaltverformt wurde: 8,5l.
Dazu kam der Ford mit 3 Personen+Gepäck nicht aus dem Knick.
Okay, beim Ford pustet es hinten weniger Schadstoffe raus, aber irgendwo fehlte mir die Innovation bei 25 Jahren Unterschied. Mit LPG betrieben, ist der alte genauso umweltfreundlich (was die Abgase angeht..)
Ja, schöne Autos, mit denen es sich herrlich entspannt fahren läßt.
Zum Verbrauch:
Der Satz (Zitat): Er kommt schließlich noch aus einer Ära, in der Spritpreise unwichtig waren.
... stimmt natürlich NICHT.
Das Auto wurde bereits intensiv im Windkanal optimiert (Cw immerhin 0,33) und auch ansonsten wurde erheblich auf geringen Verbrauch hingearbeitet.
Dies war bereits ab der Ölkrise 1974 bei den Autoherstellern der Fall.
Ich fahre übrigens sehr gerne mal mit solchen Autos ohne Sportlichkeitswahn. Mit sehr gutem Federungskomfort, schöner Rundumsicht, fast ohne nervende Bimmeltöne und einem so herrlich unaufgeregten Wesen.
Also ich kann nur immer wieder anmerken, mein 190'er AMG war damals ein Sahneschnittchen, wenn auch seinerzeit schon etwas betagt mit guter Laufleistung. Aber dennoch, das erste Auto, welches von mir mit einem Kindersitz ausgestattet wurde, absolut kleinfamilientauglich und zuverlässig.
Hätten damals Motor und Getriebe nicht neu abgedichtet werden müssen und die Lackierung gehalten was versprochen war, hätte ich ihn bestimmt noch ein Weilchen gefahren. Aber so ging er halt an den nächsten Bastler... 😆
Der CW Wert von 0,33 ist das eine, die kleine Stirnfläche von unter 2 m³ unterbietet man heute selbst bei Kleinwagen nicht mehr. Heutige Autos sind locker 10-15 cm höher und ein paar cm breiter.
Der Verbrauch ist gemessen am Alter mehr als ok. Man kann aber auch mit 8l gut auskommen!
Auch wenn sich gleich ne Menge Leute auf den Schlips getreten fühlen: Bin ich eigentlich der einzige, der diesen 190er ein absolut furchtbares Fahrzeug findet? 🙄
Mit der Basismotorisierung stand er schon in den 80er für spiessiges Bürgertum und verkam Mitte der 90er bald zum Gebrauchtwagen für Leute, die einfach gern einen Stern herum kutschierten.
Heute ist er, in dieser Motorisierung, für mich kein Youngtimer, sondern ganz einfach ein altes Auto, das in den meisten Fällen auf den Schrottplatz gehört.
Ich weiss, Deisgn ist Geschmacksache. Aber die Mercedes aus der Ära finde ich absolut grausam. W201, 202, R129. Alle verbinden sie die Ästhetik einer Schrankwand von IKEA mit der Fahrdynamik französischer Vehikel. Erst ab ca. 2005 legte sich das wieder.
Da gibt's von Mercedes doch deutlich schöneres aus der Zeit, über das es sich zu berichten lohnen würde z.B. die W107er.
PS: Den 190er AMG nehme ich hier mal aus - den finde ich tatsächlich ganz schick.
Wie so oft im Leben ist das natürlich zu einem erheblichen Teil Geschmacksache.
Richtig ist, daß die von Dir aufgezählten Baureihen betont nüchtern daherkamen. Das mag mit der Grund dafür sein, daß sie allesamt preislich ziemlich weit unten stehen und viele Klassikfreunde sie noch nicht auf der Einkaufsliste haben.
Die früheren, reichlich mit Chrom garnierten Baureihen wirken halt schon richtig klassisch.
Allerdings sind Baureihen 201, 124, 129 und 140 qualitativ wohl das Beste, was Mercedes jemals abgeliefert hat.
Vorher und nachher wurde stark mit dem Rost gekämpft.
Einen 190 (Baureihe 201) finde ich mit dem 2,6 Liter Sechszylinder und Automatik durchaus reizvoll.
Dem Reiz der älteren Baureihen konnte ich mich allerdings nicht widersetzen und fahre deshalb u.a. einen R 107. 😊
Der 190er wird auch mal ein Klassiker werden, aber das wird noch etwas dauern. 😉 Die noch etwas älteren Mercedes versprühen einfach mehr Charme aufgrund des Chromzierrates. Ein W123 ist daher ein Fahrzeug was den Flair eines Mercedes besser transportiert als der zweifelsohne gute W124 oder den W201 um den es hier geht. Bitte nicht böse sein W124- und W201-Liebhaber.😊
PS: Der R107 ist natürlich ein Sahnestück
Hatte damals einen 190E 2.5-16 in Vollausstattung +SEC Lorinsermotorhaube und 17" Lorinserfelgen + Lorinsersportauspuff. War ein tolles und vorallem sehr gut verarbeitetes Auto. Ich hätte ihn behalten sollen, diese Youngtimer steigen ziemlich im Wert und steigen weiter in Zukunft.😊
Der 190er von Motor-Talk ist mit Sicherheit nicht einer der schönsten seiner Art, aber man muss doch anerkennen dass das Fahrzeug für seine Größenklasse und vor allem die Zeit aus der er stammt technisch sehr ausgereift war. Einzelradaufhängung hinten war bei so einem Fahrzeug schon etwas besonderes.
Aber eigentlich braucht es doch nur eine nicht ganz so langweilige Farbe und ein paar ordentliche Felgen und der 190er steht insgesamt schon deutlich weniger langweilig da: http://www.motor-talk.de/.../mercedes-011-i204274363.html
Design ist wie du sagtest Geschmackssache, jedoch ist der W201 von der Form her doch recht neutral, so dass es niemanden wirklich abschreckt aber auch keinen vom Hocker reisst. Genau das macht für mich die Modelle dieser Zeit aus und genau dafür liebe ich sie auch.
Ich bin 1.93 groß und fahre eine alte C-Klasse von '96. Leider hat mein Benz eine 3.Bremsleuchte. Ich sehe öfters den W202 ohne 3. Bremsleuchte und die rosten fast nicht.
Das heißt das Mercedes fast 20 Jahre rostet. Schade für Mercedes.
Die Massenproduktion hat vieles kaputt gemacht. Es ging nur um Stückzahlen.
Würde ich nochmalein Benz kaufen, würde ich lieber ein 25 Jahre alten kaufen.
Wenn mich einer auf den Rost ansprechen würde, würde ich sagen Mercedes muß sich schämen für den Rost - nicht ich.
Mercedes hat viele unterschiedliche Karosserien gebaut, finde ich. Andere Konzerne haben ein Einheitsbrei.
Interessant ist der Zweier-Golf.Man sieht ihn sehr oft. Es war der, der an der Heckklappe den Dichtungsmassen-Austritt hatte. Der Zweier-Golf ist auch alt. Es spricht nicht unbedingt etwas gegen alte Autos.