Series 1: Die Geschichte des allerersten Jaguar E-Type

Der Erste seiner Art

MOTOR-TALK

verfasst am Sun Jan 01 11:26:22 CET 2017

Nur selten kriegt man das allererste Fahrzeug einer Baureihe zu sehen. Aber hier ist der erste E-Type von Jaguar. Unser Autor spürte der Geschichte dieses Fahrzeugs nach.

Der allererste Jaguar E-Type fährt heute durch die Schweiz - und hat sie vermutlich nie für längere Zeit verlassen. Jaguar hatte das Coupé bei der Weltpremiere auf dem Genfer Salon 1961 ausgestellt. Ein Enthusiast ließ den Wagen ab 2002 restaurieren
Quelle: Archiv radical-mag.com

Von Peter Ruch

Keine lange Einleitung, kein Schmu: Ihr seht hier den ersten Jaguar E-Type. Ganz einfach den allerersten, vorgestellt im kleinen Kreis am 13. März 1961, dann im größeren am 15. März. Da zeigte Jaguar das Sportwagen-Wunder erstmals auf dem Auto-Salon in Genf.

Lässt sich der Wert eines solchen Fahrzeugs in Geld ausdrücken? Vielleicht, aber zuerst und vor allem atmen wir hier Geschichte. Bevor wir uns dem Fahrzeug mit der Chassis-Nummer 885.005 widmen, kurz, wirklich nur kurz: die Geschichte des Jaguar E-Type.

Bei diesem Fahrzeug handelt es sich um einen von zwei E-Type, die Jaguar für die Weltpremiere in Genf 1061 fertigstellte
Quelle: Archiv radical-mag.com
Wir schreiben die 50er Jahre. Jaguar fuhr seinen Gegnern - also Ferrari, Mercedes oder Aston Martin - beim wohl legendärsten aller Auto-Rennen, den 24 Stunden von Le Mans, um die Ohren. Und das mehrmals: 1951 gewannen die Engländer das Langstrecken-Rennen mit einem XK120C, 1953 mit einem C-Type und 1955, 1956 und 1957 mit einem D-Type.

Jaguar wollte natürlich Kapital aus diesen Erfolgen schlagen und lancierte 1956 den XK-SS. Doch am 12. Februar 1957 brannte die Fabrik ab. Nach nur 17 gebauten Exemplaren musste die Produktion eingestellt werden.

Die E-Type Konstruktion

Doch so schnell gab Jaguar-Chef Sir William Lyons nicht auf. Er brauchte einen Nachfolger für seinen in die Jahre gekommenen Sportwagen XK. Schon 1957 stand der „E1A“ auf den Rädern. Eine Art D-Type, aber deutlich länger. Dieses eine Mal hatte Lyons nicht selbst am Design gebastelt, sondern die Arbeit Malcom Sayer überlassen.

Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass dieser erste Prototyp nach ausführlichen Testfahrten zerstört wurde. Der zweite Prototyp „E2A“ dagegen wurde schnell einem breiteren Publikum bekannt. Er trat 1960 bei den 24 Stunden von Le Mans an. Allerdings ohne Erfolg.

Der erfolgreiche D-Type hatte die wesentlichen Merkmale des E-Type vorweg genommen: Der Vorbau war in Rohr-Rahmen-Bauweise ausgeführt. An diesem Rohrrahmen sind die Anlenkpunkte der Vorderrad-Aufhängung angebracht. All das ist mit nur acht Schrauben mit der Karosserie verbunden. Malcolm Sayer hatte sich diese leichte Konstruktion beim Flugzeugbau abgeschaut.

Die Hinterachse stammte nicht aus dem D-Type, sie wurde in Kasten-Bauweise neu entwickelt. Dazu kamen innenliegende Scheibenbremsen, was 1961 noch längst nicht Standard war - auch bei potenten Sportwagen nicht.

Die Motorhaube ist mit dem Kotflügeln verschraubt und lässt sich als Gesamtes nach vorne aufklappen. Bei den ersten Modellen kann sie allerdings nur von außen geöffnet werden. Unter der langen Haube arbeitet ein 3,8-Liter-Reihen-Sechszylinder, ähnlich dem im XK150S. Mit seinem SU-Dreifach-Vergaser leistet der Motor 269 SAE-PS (also etwa 210 PS).

Damit erreicht der Jaguar, der damals rund 2.000 Pfund kostete, in sieben Sekunden die 100 km/h und ist bis zu 240 km/h schnell. Und das war damals: Sehr schnell.

Der Star von Genf

Der 3,8-Liter-Reihen-Sechszylinder begeistert noch heute - das Getriebe dagegen fand schon damals wenig Fans
Quelle: Archiv radical-mag.com

Zurück zum ersten E-Type. Das Fahrzeug war am 6. März 1961 von einem Transporter im „Experimental Shop“ von Jaguar abgeholt und zum Genfer Jaguar-Händler Garage Place Claparède gebracht worden. Dort traf es entweder am Abend des 8. oder am Morgen des 9. März ein. Der Wagen wurde auf die Premieren-Show am 13. März im Restaurant du Parc des Eaux-Vives vorbereitet und in eine Holzkiste verpackt.

Um 10.30 Uhr begrüßte Jaguar-Gründer Sir William Lyons die anwesenden Gäste (darunter F.W.R. „Lofty“ England, Graf Berghe von Trips, Joakim Bonnier) und Journalisten. Der Deckel und die Seitenteile der Holzkiste wurden entfernt - und es folgte zunächst andächtige Ruhe. Dann begannen die Kameras zu blitzen. Bezahlt hatte die Veranstaltung übrigens der britische Automobilverband „Society of Motor Manufacturers and Traders“ (SMMT). Ein Arrangement, das dem als nicht ausgesprochen großzügigen geltenden Sir Lyons sicher Freude machte.

Kurz danach wurden die Anwesenden nach draußen gebeten. Dort stand ein weiterer E-Type mit der Chassis-Nummer 885.002 (besser bekannt als 9600 HP), den Bob Berry in der Nacht zuvor nach Genf gefahren hatte. Auch der wurde fotografiert. Die Bilder der beiden E-Type gingen in den nächsten Tagen um die Welt. Der Genfer Auto-Salon hatte noch vor der Eröffnung seine Sensation.

Testfahrten und Typprüfung

Zum ersten Pressetag, dem 14. März, war Nr. 885.005 auf den Jaguar-Stand gebracht worden, stand dort auf einem Perserteppich - und stahl allen anderen Neuheiten die Show. Am 16. März war auch der erste Roadster in Genf eingetroffen (bekannt als RW77) - und Hunderte von Kauf-Interessenten standen sich vor den Toren des Salons die Füße in den Bauch, um auf dem Beifahrersitz des Coupé (9600HP) oder des Cabrio (RW77) eine Runde drehen zu dürfen.

Am Steuer der E-Type saßen Bob Berry, der eine kurze Formel-1-Karriere hinter sich hatte, sowie der legendäre Jaguar-Testfahrer Norman Davies. Die beiden machten sich anscheinend einen Spaß daraus, einen ebenfalls als Testwagen bereitstehenden Ferrari zu düpieren: nach ihm loszufahren, ihn dann zu überholen und vor dem Italiener wieder an der Messe einzutreffen.

Nach dem Salon wurde 885.005 in die Garage Place Claparède zurückgebracht. Dort diente er für weitere Demofahrten und wurde auf die Schweizer Typprüfung vorbereitet. Am 16. Mai 1961 wurde der Wagen an die „CAP“-Rechtsschutz-Versicherung verkauft. Zum ersten Mal angemeldet wurde der E-Type allerdings erst im November 1961.

1975 in Luzern konfisziert

Noch heute eine Schau: Die Motorhaube klappt samt der Kotflügel nach vorn
Quelle: Archiv radical-mag.com

Die nächste Spur des E-Type findet sich erst 1974. Im Kanton Solothurn wurde er dem Straßenverkehrsamt vorgeführt. Im Februar wurde der Wagen von einem Herrn Stucki eingelöst. Am 18. Juni 1975 wurde der E-Type, laut eines Entlebucher Polizeiberichts, wegen einer mangelhaften Handbremse für verkehrsuntauglich erklärt und am 8. August 1975 vom Kanton Luzern konfisziert.

Es dauerte fast 25 Jahre, bis der E-Type erneut auftauchte. 1999 wurde er in einer Annonce im Gratisanzeiger des Kantons Waadt zum Verkauf angeboten – mittlerweile schwarz lackiert und mit einem 4,2-Liter-Motor versehen. Ein Monsieur Pittet kaufte den Wagen auf Anraten des Jaguar-Kenners Urs Haehnle, der nach kurzer Prüfung die geschichtliche Bedeutung des Wagens erkannte.

Im Jahr 2002 verkaufte Pittet den Oldtimer an Georg Dönni von „GB Classic Cars“ in Roggliswil, einen der renommiertesten Jaguar-Kenner und Restauratoren überhaupt. Dem war klar, dass es sich hier um etwas Besonderes handelte. Er brauchte einen wahren Liebhaber, der genug Geld aufbringen konnte und wollte, um 885.005 wieder in den Originalzustand zu versetzen.

Er fand ihn im heutigen Besitzer des Wagens. Der Aufwand war gewaltig. Während der Restauration wurde klar, dass 885.005 eigentlich als Cabriolet geplant war und erst nachträglich als Coupé karossiert wurde. Es gab noch viele andere Unterschiede zu den späteren Serien-E-Type. Doch 2005, rechtzeitig zum 100. Jubiläum des Genfer Salons, war der Wagen fertig - und kehrte im Rahmen einer Sonderausstellung an den Ort seines ersten Auftritts zurück.

Toller Sound, schwieriges Getriebe

Ganz ehrlich: es ist kein Vergnügen, diesen Wagen zu bewegen. Ganz einfach deshalb, weil man sich auf jedem Meter der Einmaligkeit dieses Jaguar bewusst ist. Eigentlich hatten wir schon Hemmungen, uns überhaupt in diesen E-Type zu setzen, einfach so, in Jeans. Aber der Besitzer lacht da nur. Er bewegt dieses automobile Kulturgut mit nicht nachvollziehbarer Ruhe und Gelassenheit.

Er könnte stundenlang die Geschichte seines Wagens erzählen, die er bis ins letzte Detail kennt. Er überlässt uns auch, für diesen Text, seine ausgezeichnet dokumentierten Unterlagen. An diesem E-Type begeistert, neben seiner Geschichte, auch heute noch der Sound des Reihen-Sechszylinders. Das Getriebe ist wie bei allen frühen E-Type, sagen wir mal: schwierig zu handhaben. Deshalb nannte Stirling Moss es „Crashbox“. Ansonsten muss man feststellen: dieser 50-jährige E-Type fährt so wunderbar, wie er aussieht.

Das schönste Auto, das je gebaut wurde

Die seitlich angeschlagene Kofferraumklappe
Quelle: Archiv radical-mag.com

Nochmals zurück zur weiteren Geschichte des E-Type. Erhältlich war der Wagen, wie schon erwähnt, von Anfang an als Coupé (FHC) und als Roadster (OTS). Der offene E-Type kostete weniger als das Coupé, damals war das noch üblich so. Die ersten Testberichte überschlugen sich in Lob, der E-Type konnte mit den ärgsten Strassen-Ferrari und schönsten Aston Martin (DB4) jener Zeit mithalten. Nur: die Konkurrenten kosten mindestens das Doppelte.

Mehr am Rande erwähnten die Tester die nachlässige Verarbeitung, die unbequeme Sitzposition bei diesen ersten, „flatfloor“ genannten E-Type, das üble Getriebe. Die Konkurrenten waren da aber auch nicht besser und fuhren zudem meist noch zickiger. Schon 1962 erhielt der E-Type eine neue Bodengruppe, auch großgewachsene Fahrer konnten nun halbwegs bequem sitzen.

Natürlich versuchte Jaguar, mit dem E-Type an die Rennerfolge der 1950er Jahre anzuknüpfen. Doch gegen Ferraris legendären 250 GTO blieb der speziell aufgebaute E-Type „Lightweight“ chancenlos. Nach nur 12 gebauten Exemplaren brachen die Engländer ihr Renn-Engagement frustriert wieder ab.

Modellpflege und 2+2

Dem Erfolg des E-Type tut das keinen Abbruch Enzo Ferrari nannt ihne vermutlich zu Recht „das schönste Automobil, das je gebaut wurde“. Von der Series 1 des Jaguar E-Type wurden zwischen 1961 und 1968 stolze 38.419 Exemplare gebaut. Ab 1964 gab es den Jaguar mit 4,2 Liter Hubraum.

Die Leistung blieb unverändert, doch das maximale Drehmoment stieg um etwa 10 % auf rund 290 Nm. Die „Crashbox“ wurde endlich durch ein vernünftiges Getriebe aus eigener Fertigung ersetzt.

Ein Jahr später folgte der E-Type 2+2, mit 23 Zentimeter mehr Radstand und etwas erhöhter Dachlinie für etwas mehr Innenraum. Schöner wurde der E-Type dadurch nicht, aber der Nutzwert stieg deutlich. Auch ein Automatik-Getriebe passte nun hinein.

Ende 1967 folgt für kurze Zeit die Series 1 1/2, vor allem zu erkennen an den fehlenden Scheinwerfer-Abdeckungen. 1968 müssen wegen neuer Vorschriften für die USA und Kanada die Blinker und Rückleuchten vergrößert werden. Die drei SU- weichen zwei Stromberg-Vergasern, die Leistung sinkt spürbar auf nur noch 180 PS.

Die zweite Serie (1969 bis 1971) kommt noch auf 18.809 Stück. Und die dritte Serie, 1971 bis 1974, gar nur auf 15.287, obwohl Jaguar den E-Type 1971 mit dem brandneuen 5,3-Liter-V12 aufwertete. Am 12. Februar 1975 lief schließlich der letzte E-Type vom Band: ein Roadster in der Farbe „british racing green“. Insgesamt wurden 72.529 E-Type gebaut.

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In punkto Fahrleistungen steht detr E-Type auch heute noch sehr gut da - zu seiner Zeit konkurrierte er mit Supersportlern von Ferrari oder Aston Martin
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Technisch basierte der E-Type auf dem Jaguar D-Type
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Bei diesem Fahrzeug handelt es sich um einen von zwei E-Type, die Jaguar für die Weltpremiere in Genf 1061 fertigstellte
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Den Eigentümer stört wenig, dass dieser Jaguar eine ganz besondere Rarität ist
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So richtig kam dieser Wagen vermutlich nie aus der Schweiz heraus. Jaguar hatte ihn dort auf dem Genfer Salon gezeigt und später für die Typprüfung verwendet
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Jaguar E-Type: Cockpit
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Das Bedienpaneel im Look der guten, alten Zeit
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Das Coupé war ursprünglich als Cabrio konzipiert, Das zeigte sich jedoch erst bei der Restaurierung
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Die seitlich angeschlagene Kofferraumklappe
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Die Abgasanlage bollert gänsehaut-verdächtig wie eh und je
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Der Wagen wurde mit viel Geld und Zeit aufwändig restauriert. Das Ergebnis wurde 2005 im Rahmen einer Sonderausstellung präsentiert
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Der 3,8-Liter-Reihen-Sechszylinder begeistert noch heute - das Getriebe dagegen fand schon damals wenig Fans
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Noch heute eine Schau: Die Motorhaube klappt samt der Kotflügel nach vorn
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