Große deutsche Ford: Granada
Der Granada, mein Freund
Es gibt Autos und es gibt Traumwagen. Und irgendwo dazwischen gibt es noch etwas anderes. Unser Redakteur Philipp schloss blecherne Freundschaft mit einem Ford Granada.
Berlin – Die Deutschen lieben ihr Auto nicht mehr wie früher. Aus ihrem liebsten Kind ist eine Prostituierte am Straßenrand geworden. Käuflich, für ein paar Stunden und Kilometer. Mir ist das egal. Ich habe meine Autos kaum besser behandelt als irgendwelche Webdesigner die nächste Drive-now-Schleuder. Autos sind Maschinen, Gebrauchsgegenstände.
Aber manchmal sind sie auch mehr. Wenn man das eine gefunden hat, das zu einem passt. Das mit Stil, mit Charakter. Eigentlich gar kein Auto mehr, sondern ein Partner. Nicht in einem klebrigen romantischen Sinn - das ist höchstens was für Fahrer italienischer Coupés. Nein, ich rede von blecherner Freundschaft.Zu ostdeutsch
Mein Name ist Philipp Monse, ich bin 30 Jahre alt und erhalte einen 42 Jahre alten Ford Granada. Er bringt mich durch den Sommer. Für eine Beziehung zu Fords 70er-Jahre-Klassiker bin ich eigentlich zu jung - und zu ostdeutsch. Wer ’85 im Erzgebirge zur Welt kam, hat Fords große Zeit in Deutschland definitiv verpasst.
Frühfordliche Erfahrungen sind rar. Eine dreht sich um den elterlichen Mondeo Turnier (Mk1) eines Freundes. Kein Auto, um sich in eine Marke zu verlieben. Die Stoffsitze und das liederliche Plastik zeigen keinen automobilen Charakter. Später setzte mein Kumpel den großen Mondeo gegen eine kleine niedersächsische Birke. Für Baum und Auto war es das Ende. Getrauert hat niemand – jedenfalls nicht um das Auto. So beliebt waren Ford Mitte der 2000er-Jahre.
20 Jahre früher wäre das Schicksal eines verbrauchten Fords das gleiche gewesen, aber das Auto ein Granada. So wie der zweite Ford in meiner Erinnerung. Noch in den 90ern stand er im Nachbarort: ein weißes Consul Coupé. Von ’72 bis Anfang ’75 die weniger gut ausgestattete Variante des Granada. Mit kleinem V4 und dem später begradigten, wunderschönen Hüftschwung. Einer der letzten Überlebenden der „Verbrauchsphase“.
Das Granada-Design ist zeitlos
Schon in den 80ern begannen Jugendliche, die barocken Schiffe sinnlos zu verheizen. Der Turnier genannte Kombi hatte bei seinem Erscheinen das größte Kofferraumvolumen seiner Klasse. Er wurde zum Lastesel der Nation – und ihrer Gastarbeiter. Besonders türkischen Familien wurde damals keine große Liebe, aber eine innige Beziehung zum großen Ford nachgesagt.
Ende der 90er löste sich Fords Oberklasse-Anspruch dann endgültig in Rost auf. Die „Grannis“ waren lange Zeit zu groß und zu billig gewesen. Es gab ja mehr als genug. 1.642.084 Consul und Granada wurden von 1972 bis 1985 gebaut. So wurde der Granada behandelt wie später der Mondeo - mit kleinen Unterschieden.
Während der Mondeo bis heute lieblos wirkt, begeistert das Granada-Design noch immer. Ob mit viel Chrom behangen (frühe GXL-Modelle) oder in der Holzklasse-Ausführung. Der gammlige Consul aus dem Nachbarort war die coolste Schleuder im Landkreis. Mit mattweißem Lack und handflächengroßen Blechflicken hielt sich das Coupé überdurchschnittlich lange. Das muss ein Ami-Schlitten sein, dachten wir als junge Rotznasen.
Ein V8 hat zwei Zylinder zu viel
Heute gehört einer der 1,6 Millionen Granada mir, eines von wenigen noch zugelassenen Coupés mit 2,6-Liter-V6. Und mit dem eigenen Granada an der Tankstelle werde ich oft auf den Verbrauch des Ami-Schlittens mit V8 angesprochen. Ich lächle dann mild, kläre auf, starte den V6 und zische ab.
Einen V8 gab es in deutschen Ford-Pkw zuletzt 1941. Danach folgten lange Zyklen von Vier- und Sechszylinder-Motoren. In meinem Granada arbeitet Fords größter Hit. Im September 1964 vorgestellt, trat der Köln-V6 eine 47-jährige Karriere an.
Mit Hubräumen von 1,8 bis 4,0 Litern, Vergaser oder Einspritzung fand er nicht nur in P7, Granada und Scorpio, sondern auch in amerikanischen Modellen Verwendung. Nach 14,2 Millionen gebauten Motoren endete die Produktion im Kölner Motorenwerk 2011. Eindeutiger kann ein Generationenwechsel nicht sein: Seitdem läuft dort eine Einliter-Büchse vom Band, mit halb so vielen Zylindern und Turbo.
Beinah wär's ein Opel gewesen
Nach dem Naseplattdrücken am Nachbarorts-Consul herrschte Funkstille in Sachen alte Fords. Mehr als zehn Jahre später war der erste 70er-Jahre-Ford, den ich überhaupt fuhr, mein eigener.
Mein Vater und ich wollten ein cooles 70er-Jahre-Auto aufbauen. Ich schwankte zwischen Opel und Ford. Doch dem Alten war als Kind in einem Ford Taunus der Westverwandtschaft mal schlecht geworden. Selbst ein Trabant war komfortabler als der Ford mit der starren Achse. So entschieden wir uns aus nostalgischen Gründen für einen Taunus. Sieben Jahre später im Mai 2013 übernahm ihn mein Vater und ich stieg auf einen Granada um – den ersten deutschen Ford mit Einzelradaufhängung an der Hinterachse.Wenn aus ein paar Monaten Jahre werden
Im November 2010 hatten wir den Dicken aus dem Sauerland geholt. Im nächsten Sommer sollte er wieder auf die Straße. Doch es dauerte zwei Jahre länger. Und heute weiß ich, es geht beim Aufbauen und Pflegen eines Autos um viel – nur nicht um Geschwindigkeit.
Das sieht man meinem Ford an. Der Granni wurde so gut, dass ich manchmal glaube, er sei zu schade für mich. Ich habe ihm einen Stellplatz besorgt. Ein ruhiges Fleckchen. Und wenn ich ihn manchmal vernachlässige, wegen der ganzen Arbeit und dem Geschrei meines kleinen Sohnes, dann denke ich wehmütig an ihn.
Den Zündzeitpunkt habe ich schon zu lange nicht kontrolliert, den Reifendruck auch nicht. Ich fahre ihn so selten, dass ich ewig orgeln muss, bis die mechanische Spritpumpe genug Treibstoff in den Vergaser gefördert hat. Doch dann springt er an und läuft wie am ersten Tag. Problemlos, auch nach mehreren Monaten.
Das ist es, worauf es mir mittlerweile ankommt. Auf den Burschen ist Verlass. Wie auf einen alten Kumpel, den man nie anruft, aber alle Jubeljahre trifft. Öl und Wasser braucht er. Ab und zu eine Einstellung des Ventilspiels. Dann bringen mich die 125 PS gemächlich, aber souverän wohin ich will.Freunde fürs Leben?
Ein Gebrauchsgegenstand ist der Granni nicht mehr. Unsere Ausflüge sind mittlerweile so selten wie er selbst. Seit 2006 sind die Preise für 70er-Jahre-Ford stark gestiegen. Es gibt da draußen schlecht restaurierte Coupés, für die 12.000 Euro aufgerufen werden. Ohne Kontakte kann auch ein alter Ford arm machen.
Wie lange mich mein Freund noch begleiten wird, weiß ich nicht. Manchmal träume ich von schnellen, teuren Sportcoupés, einer Alpine oder einem Bertone-Alfa. Immer öfter auch von meinem alten Taunus. Vielleicht verlieren wir uns irgendwann aus den Augen. Freundschaften enden eben manchmal. Aber eins ist klar, wenn einer meiner Kumpels irgendwann verlassen an der Straße steht, dann hol ich ihn da raus.
Ford-Nachkriegsmodelle der oberen Mittelklasse in Deutschland
Taunus 17M P2 – Das Projekt 2 war Fords zweite Neukonstruktion nach dem Krieg und folgte auf den „Weltkugeltaunus“ P1. Das typisch amerikanische Design der 50er brachte ihm den Namen „Barocktaunus“ ein. Von 1957 bis 1960 wurden 239.973 Modelle der P2-Baureihe in Köln gefertigt. Den in der Standard- und Luxusausführung verfügbaren P2 gab es als Limousine und Kombi. Er war das erste deutsche Auto, das über McPherson-Federbeine verfügte.
Taunus 17M P3 – Mit der „Badewanne“ fuhr Ford gegen den Strom. Das rundliche, sachliche Design des P3 wurde als „Linie der Vernunft“ beworben. Als Motor werkelte im neuen Modell immer noch der Vorkriegs-Vierzylinder. Die Badewanne fand reißenden Absatz, sorgte für lange Wartezeiten und letztlich auch für den Bau des Ford-Werks in Genk. Von 1960 bis 1964 wurden insgesamt 669.715 P3 in Köln produziert.
Taunus 17M/20M P5 – Endlich neue Motoren. Mit dem P5 kamen erstmals neue V4-Motoren (17M) und der legendäre Köln-V6 (20M) zum Einsatz. Mit Kraft und Robustheit begeisterte vor allem der Sechszylinder. Außerdem wurde die dreistufige „Taunomatic“ angeboten. Von 1964 bis 1967 wurden in Köln und Genk 710.059 P5 produziert. Sie liefen als zwei- oder viertürige Limousine, drei- oder fünftüriger Kombi und als Hardtop-Coupé vom Band.
17M/20M/26M P7 – Fords letztes Nachkriegs-„Projekt“ war der P7. Und zunächst kam der nicht so recht an. Deswegen wurde er schon nach einem Jahr „versachlicht“. Man unterscheidet die beiden Versionen in P7a und P7b. Wieder gab es zwei- oder viertürige Limousinen, drei- oder fünftürige Kombis und ein Hardtop-Coupé. Als Luxus-Variante brachte Ford den 26M mit 2,6-Liter-V6 und 125 PS. Doch auch der verfügte nur über die überholte Starrachse mit Blattfedern. Hardtop-Coupés und RS-Varianten (RallyesSport) sind heute besonders selten. Von 1967 bis 1972 wurden insgesamt 723.622 P7 produziert.
Consul/Granada – „Viel Auto für’s Geld“ versprach Ford ab 1972 mit dem überdurchschnittlich großen Granada und stellte dabei Oberklasse-Ansprüche. Und Ford hatte so viel Geld in die Entwicklung investiert wie bis dahin kein anderer Hersteller: 500 Millionen Mark. Das mit einer Einzelradaufhängung gesegnete Modell (endlich) sollte BMW, Daimler und Citroën die Kunden abspenstig machen. Der weniger gut ausgestattete Consul trat gegen die Modelle von Audi, VW und Opel an. Neben V4, Reihenvierzylinder und den Kölner V6-Motoren stand auch ein englischer 3,0-Liter-Essex-V6 mit 138 PS zur Wahl. Gebaut wurden zwei- und viertürige Limousinen, ein Coupé und der Turnier genannte Kombi. Mehr Platz als er bot damals keiner. Bis 1985 wurden 1.642.084 Granada (inklusive Granada 2/3) und Consul gefertigt.
Scorpio – Der Scorpio wurde von 1985 bis 1998 gebaut. Genau so lange wie der Granada. Aber beerben konnte er ihn nicht. Mit rund 850.000 konnten nur halb so viele Exemplare produziert werden. Anfangs wurde der Scorpio nur mit Schrägheck angeboten, doch die Deutschen wollten damals unbedingt eine Stufe. Einen Kombi schob Ford erst 1992 nach – viel zu spät. Die zweite Überarbeitung von 1994 schreckte außerdem durch ihr (zu amerikanisches) Design ab und firmiert heute unter dem Namen „Glubschaugen-Scorpio“. Seitdem bietet Ford in der oberen Mittelklasse kein Modell mehr an.
Sehr schönes Auto, gut dass es Leute gibt die einen alten Ford erhalten!
Ich habe auch 2 "automobile Freunde". Wobei für mich die Begriffe "Auto" und "Gebrauchsgegenstand" eh noch nie zusammengepasst haben. Ich meine damit nicht verhätscheln, aber irgendwie kommt immer so ein "Kumpel-Verhältnis" auf, wenn man ein Auto hat das einem nicht gerade enttäuscht.
MFG Sven
Ich hatte selber 2 Granadas...den sogenannten Türken-Granada und den Nachfolger.Beide mit un kaputt baren V6 Motor.😊😜
Solche Autos werden leider nicht mehr gebaut.Alles konnte man selber machen.z.B. hatte der Granada oft Kontakt Probleme...einfach Daumennagel dazwischen,fest drehen,fertig,Lief! hehe
Ich würde noch heute einen fahren und lieben,als die miesen Nachfolger.😆
Danke für den schönen Bericht zum großen Kölner, auch wenn hier leider wieder einmal nicht darauf verzichtet werden konnte, Klischees zu bedienen.
Trotz der Klischeebedienung wurden Erinnerungen an meine Jugend geweckt, als mir ein guter Freund für ein paar Wochen seinen Granada Mk.II 2.3 überließ. Obwohl der Panzer „nur“ 108 PS hatte und damit bei der heutigen Jugend wohl als unfahrbar gilt – mit Autos unter 200 PS scheitert heute ja jeder an den Autobahnauffahrten – war das ein ganz anderes fahren als mit meinem 55 PS Audi: mit dem Dickschiff ging richtig was.
Mein Schwiegervater kaufte sich einen nagelneu, als er mit kleinerer Motorisierung noch Consul hiess. Er hatte sagenhafte 75 PS!!! Und jeder sprach davon, dass sich ein Bergmann "so ein fettes Auto" leisten konnte.
Ich selber habe auch zwei Granadas gefahren...einen 1979 neu gekauft mit V6 und später nochmals die Türkenvariante gebraucht. Es war ein feines Auto. Auch heute noch folge ich der Devise: PS brauche ich nicht soo viel, aber Plaaaaaatz.
Sehr schön geschriebener Artikel. Daumen hoch !!!
Der Granada ist ja lange nicht so groß wie er aussieht und auch nicht so schwer. Der war mit dem kleinsten V6 mit 90 PS schon ausreichend motorisiert, der kleine V4 war etwas träge, hält aber auch im Verkehr mit. Kein Vergleich mit den überschweren Monsterautos, die 200 PS brauchen, um den Verkehr zu behindern.
Die Jugend hat in den 80ern im Übrigen eher wenig vom Granada gehalten. In meiner Zeit war das ein Auto für Rentner, Gastarbeiter oder Motorradfahrer im Winter. Wer Stil hatte, fuhr Käfer oder Strich-8. Der Granada kam genau wie der Taunus erst später in Mode, bei einer Generation, die zu seiner Zeit noch gar keinen Führerschein hatte. Heute sieht man das natürlich anders, ich hätte auch schon vor 20 JAhren gerne den 76er Granada von meinem Onkel übernommen, aber der Händler war so schnell mit Ankaufen (hatte wohl schon einen Käufer dafür), dass ich gar nicht gefragt wurde. War mir klar, für das Auto hätte man sich Ende der 80er noch manchen dummen Spruch anhören müssen, aber das wäre es wert gewesen bei dem Zustand.
😆 Was war denn die " Türkenvariante " ?? 😆
Als ich mir die vordere Stoßstange meines Granada III verbeult hatte sagte ein anderer Granada - Fahrer zu mir : " Kein Granada - Fahrer weiß wie groß sein Auto ist ...
Sau geil, mein Neid ist mit Dir 😆😎
Das will er auch gar nicht wissen, wäre nämlich peinlich. Der Granada sieht nämlich nur aus wie ein Straßenkreuzer (und hat auch fast so viel Platz), ist aber in Wirklichkeit sogar noch ein paar cm kürzer als ein 123er Mercedes.
Und die Türken liebten die großen Ford-Modelle. Egal ob P7, Consul und alle Granada-Baureihen. Genau wie den Opel Rekord. Am liebsten in Farben, die keiner mehr haben wollte (außen beige, innen grün oder so) für Billiges im guten Zustand. Oder wie mal ein türkischer Gebrauchtwagenhändler sagte "Gut Auto diese, 5x gefahren Heimat mit Familie, immer gut". Vielleicht liest hier jemand mit türkischen Wurzeln mit, der in den letzten Jahren mal in der Türkei war. Wie sieht es da eigentlich heute mit den Granadas aus? Sind da noch viele im Einsatz? Das Klima dürfte ihnen auf jeden Fall besser gefallen als die norddeutsche Seeluft. Hier waren die meisten nach 10-12 Jahren fertig.
Es gibt nix schöneres als in die Garage zu gehen, das Tör zu öffnen und mit Spannung den V8 zum Leben zu erwecken. Blubbernd rollt er dann aus der Garage und wir starten gemeinsam auf eine Tour. Er bekommt seinen Auslauf, ich bekomme Freizeit für die Sinne… Das Auto, die Strasse, der Sound, die Gegend… einfach ne Runde um die Dörfer… einen Einkehrschwung bei Freunden…
P.S. bei mir ist es auch ein Ford, 40 Jahre, der von den USA seinen Weg über die Schweiz zu mir gefunden hat
Sehr schöner Wagen, gerade die erste Serie, toll. War bestimmt viel Arbeit.
Ich hatte von 83 bis 91 drei schöne Fords: Erst ein Taunus MK1 1,6 XL LC später einen Taunus MK2 2.0 V6 GL und dazu als Zugmaschine für mein Boot den Granada MK2 2,3L als 2 Türer.
Stopp: hatte noch einen 2,3 Mk2 Taunus als Teileträger ein Jahr im Hof stehen um den anderen am Leben zu halten. Somit wanderten immer mehr Teile vom 2,3er in 2,0er. War ein schönes Baukasten Prinzip...Also waren dann 4 Stück😆
Ein guten alten V6 wurde ich gerne mal wieder fahren, allein der Sound ist schon geil😆
Aber das war doch so. In den 80ern hatten Taunus und Granada ein grausiges Image. Das gehört zur Wahrheit ja dazu und ist auch eine wichtige Info für die heutigen Youngster die das noch nicht mitbekommen haben weil sie zu der Zeit noch in den Windeln oder sogar noch gar nicht auf der Welt waren.