Renault Talisman Initiale Paris 1.6 dCi 160 2016: Test
Der große Franzose mit dem noch größeren Rhombus
Mit dem Laguna-Nachfolger gelang Renault ein durchaus repräsentables Auto. Mit viel Technik und wenig Hubraum fuhr der Talisman bei uns zum Test vor.
Der Talisman fällt auf, und Renault packt ihn mit Technik voll. Was man davon wirklich im Alltag braucht und ob die Allradlenkung halten kann was Renault verspricht, erzählen wir in diesem Test. Weiter unten gibt es die Wertungen im Detail.
- Renault Talisman in der Basisversion ab 27.950 Euro
- Testversion mit 1.6 dCi Motor und „Initiale Paris“-Ausstattung ab 41.000 Euro
- Testverbrauch: 6,9 Liter Diesel je 100 km
- Sechsgang Doppelkupplungsgetriebe
- Abstandstempomat nur bis 140 km/h
Berlin – Später Abend im Berliner Stadtteil Neukölln. Die Ampel an der Sonnenallee ist rot. Hinten stoppt ein alter Clio, sein weißer Lack ist stumpf, ein Scheinwerfer funktioniert nicht. Zwei dunkle Schatten steigen aus dem Auto. Sie kommen nach vorne. Es klopft an die Scheibe der Fahrertür.
„Wir werden ausgeraubt“, flüstert die Beifahrerin. Doch nichts da. Nach einem freundlichen Grinsen der nun hellen Gestalt lasse ich das Seitenfenster herunter. „Was’ das für ein Auto!? Gut?!“ Und: „Boah sieht der scharf aus. Kannst’ nochmal blinken?“. Ich tue ihm den Gefallen. "Ah die wischen ja gar nicht von innen nach auußen. Trotzdem geil wie der aussieht!" Er freut sich. Es wird grün, wir müssen los. Autos für solche Erlebnisse hat Renault lange nicht gebaut.
Er ist vor allem erst mal groß, der Renault Talisman. Das schindet Eindruck. Die breite Spur, die 19 Zoll großen Räder und die weit außen platzierten Scheinwerfer lassen ihn noch stämmiger wirken, als er ist: 4,85 Meter Länge und 1,87 Meter Breite ohne Außenspiegel wollen erst einmal aus engen Parklücken manövriert werden. Der Laguna war sieben Zentimeter schmaler und 15 Zentimeter kürzer.Der Talisman bringt beim Parken kein Glück
Da freut man sich beim Rangieren über Parksensoren. Doch beim Talisman sind sie übereifrig. Sie schlagen schon mit Dauerpiepton an, wenn nach vorn noch 40 Zentimeter Platz sind. Trotzdem kommt man schwer ohne aus. Der Talisman ist unübersichtlich, die Sicht nach hinten ist stark eingeschränkt.
In engen Kopfsteinpflastergassen fühlt sich der Talisman entsprechend etwas unbeholfen an. Also rauf auf die Autobahn. Die Massagesitze kneten als nettes Gimmick den Rücken, Windgeräusche halten sich angenehm im Hintergrund, geradeaus läuft die Limousine ganz entspannt und stabil. Schade, dass der Abstandstempomat nicht ganz mitspielen will - zumindest nicht auf unlimitierten, deutschen Autobahnen. Bei 140 km/h liegt die Grenze des Renault-Systems. Der Motor hat dann noch Reserven.
Gewöhnungsbedürftige Allradlenkung
Mit dem Talisman kann man auf der Landstraße Spaß haben. Wenn man sich an die Allradlenkung gewöhnt hat. Das optionale System kann die Hinterräder um bis zu 3,5 Grad einschlagen, bei niedrigen Geschwindigkeiten gegenläufig zu den Vorderrädern. Ab etwa 80 km/h lenken sie in die gleiche Richtung. Das bringt mehr Stabilität in schnellen Kurven. Allerdings bleibt ein etwas künstlicher Eindruck.
Positiv an dem System: der kleine Wendekreis. Das nimmt dem großen Talisman einiges von seinem Schrecken in der Stadt. Einparken gelingt oft mit einem Zug weniger als erwartet. Und die nervtötenden Parkpiepser kann man ja abstellen. Nach einer Weile verlässt man sich ohnehin nicht mehr auf sie.
Der Renault Talisman im Detail
Motor: kraftvoll und sparsam, leise für einen Diesel
Renault quetscht im Talisman 160 PS aus einem 1,6-Liter-Diesel. Dessen Normverbrauch liegt bei 4,5 Litern, Bordcomputer und Tankquittungen ergaben beim Testwagen 6,9 Liter. Der hohe Autobahn- und Stadtanteil und der permanente Einsatz der Klimaanlage haben allerdings nicht gerade geholfen. Angesichts der Fahrzeuggröße geht der Wert in Ordnung.Kräftig genug ist der Diesel auch, Spaß macht er aber nicht immer. Schuld daran ist vor allem das Doppelkupplungsgetriebe. Es schaltet zwar schnell, sucht aber im Teillastbereich oft den richtigen Gang. Mit Handschalter wäre der Diesel in besserer Gesellschaft, doch den großen dCi gibt es nur mit EDC. Bei 130 km/h liegen damit gut 2.500 Umdrehungen an, der Durchzug für Überholmanöver passt mit dieser Übersetzung gut. Ein siebter Gang als drehzahlsenkende Maßnahme wäre wünschenswert.
Fahrwerk: Endlich mit mehr Härte
Den Vorgänger stimmte Renault verhältnismäßig komfortabel ab. An merkliche Seitenneigungen in schnellen Kurvenfahrten hatten sich Laguna-Fahrer gewöhnt. Der Talisman macht es anders. Die Dämpfer federn strammer und stützen das Auto in Kurven besser ab.
Erwischt die Automatik den richtigen Gang, geht es mit den 245er Vorderreifen nahe der Haftgrenze aus Kurven heraus. Schön: Das ESP regelt sicher, aber bevormundet nicht zu sehr. Der Talisman scheint so gut ausbalanciert zu sein, dass der elektronische Rettungsanker nur selten zum Eingriff gezwungen wird.
Die künstlich wirkende Lenkung lässt sich wie die Stoßdämpfer über die verschiedenen Fahrmodi in der Härte verstellen – ohne dass dies Einfluss auf die Präzision hätte. Wir waren fast während des gesamten Testzeitraums im „Comfort“-Modus unterwegs. Die anderen Einstellungen wirkten unharmonisch. In Sport wird der Talisman hektisch in Eco phlegmatisch.
Innenraum: Weißes Holz und weiches Leder
Der Listenpreis von mindestens 41.000 Euro für die „Initiale Paris“-Ausstattung erscheint auf den ersten Blick hoch. Aber der Renault bietet dafür nicht nur viel Ausstattung. Das Leder fühlt sehr hochwertig an. Die Sitze sind straff gepolstert und dabei sehr bequem – auch auf langen Strecken.Die Nähte passen, nichts klappert oder knirscht. Auch beim Drücken der Zierleisten gibt das Cockpit nicht nach. Das Furniermaterial in "Grey Woodgrain" wirkt dagegen ein wenig wie eine Küchenarbeitsplatte. Das Platzangebot auf den vier äußeren Sitzplätzen empfanden wir als üppig, die Beinauflagen als ausreichend lang.
Infotainment: Touch mit Tick
Die Massage der Sitze, Navigation, Fahrmodi oder Fahrzeugeinstellungen: Vieles funktioniert im Talisman per Touchscreen. Die Fahrmodi lassen sich direkt über ein Dreh-Drück-Rad anwählen. Das geht schneller als mit Wischen und Drücken.
Für die Lautstärke der Bose-Anlage würden wir uns ein klassisches Drehrad wünschen – was bei der Zweizonenklimaanlage umgesetzt wurde. Gut: Der Wählhebel für die Automatik lässt sich als Ablage für den Unterarm verwenden während der Finger versucht, die Schaltflächen auf dem Tochscreen zu treffen. Bis ganz nach oben reichen so aber nur lange Finger.
Assistenz: Ausprobiert, aber bald wieder abgestellt
Der Spurhalte-Warner warnt lediglich ohne Lenkeingriff vor dem Verlassen der Fahrspur. Das geht in dieser Klasse besser. In Baustellen oder bei tief stehender Sonne kommt das System an seine Grenzen und warnt gelegentlich vor Linien, die nicht da sind. Wir stellten den Warner nach einigen Tagen ab. Das funktioniert schnell, die Funktion ist leicht auffindbar.
Die LED-Scheinwerfer sehen prima aus und leuchten in einem warmen Weißton weit voraus. Auf den kamerabasierten Abblendassistenten haben wir uns nach kurzer Zeit nicht mehr verlassen. Einige Verkehrsteilnehmer blinkten uns mit Lichthupe an. Beeindruckend sind die gleichmäßige Verteilung des Abblendlichts und die enorme Reichweite des Fernlichts.
Preis: Renault Talisman ab 27.950 Euro
Die Preise für den Renault Talisman starten bei 27.950 Euro. Dafür gibt es den nach Norm sparsamsten Dieselmotor mit 110 PS und eine ordentliche Ausstattung. Serienmäßig baut Renault in der „Life“-Variante eine Zweizonen-Klimananlage, Navigationssystem, schlüssellosen Zugang und Tempomat in den Talisman.
Wer die nächst höhere Ausstattungslinie „Intens“ wählen möchte, kann nicht auf den Basisdiesel zurückgreifen. Dafür gibt es hier die sehr guten LED-Scheinwerfer und die relativ zuverlässige Schildererkennung dazu.
Die edelste Ausstattungsvariante addiert nochmals größere Aluräder hinzu. Ein adaptives Fahrwerk erlaubt die Feinjustierung der Dämpfer. Hinzu kommen Renaults Allradlenkung, ein Bose-Soundsystem, Ledersitze mit Massagefunktion und ein Head-up-Display.All dies rechtfertigt den Preisaufschlag von 5.800 Euro absolut - wenn man denn darin den entsprechenden Mehrwert sieht. Ein Ford Mondeo Titanium mit 150 PS Diesel und Automatik kostet rund 5.000 Euro weniger. Für ein adaptives Fahrwerk, LED-Scheinwerfer, Ledersitze, Navi oder ein großes Soundsystem zahlt man hier jedoch extra. Damit relativiert sich der hohe Listenpreis deutlich.
Die Topmotorisierungen sind auch ohne „Initiale Paris“-Ausstattung zu bekommen. Ein schönes Extra ist das sehr große Glasdach (1.100 Euro), das wenige Fahrgeräusche, aber herrlich viel Licht durchlässt.
Renault Talisman: Technische Daten
- Motor: 1,6-l-Turbodiesel
- Leistung: 160 PS (118 kW) bei 4.000 U/min
- Drehmoment: 380 Nm bei 1.750 U/min
- Getriebe: Sechsgang-Doppelkupplung
- 0-100 km/h: 9,4 s
- Höchstgeschwindigkeit: 215 km/h
- Verbrauch: 4,5 l/100 km (NEFZ)
- CO2: 118 g/km (NEFZ)
- Testverbrauch: 6,9 l/100 km
- Länge: 4,85 m
- Breite: 1,87 m
- Höhe: 1,46 m
- Radstand: 2,81 m
- Leergewicht: 1.462 - 1597 kg
- Kofferraum: 608 l
- Kofferraum mit umgelegter Rücksitzbank: 1.022 l
- Basispreis Renault Talisman 1.6 dCi 160: 35.200 Euro
- Preis Testwagen: 44.549 Euro
Ein wirklich sehr schönes Auto. Wie auch der neue Megan.
Aber auch recht teuer. Der Talisman spielt Preislich schon ganz oben bei den typischen Vertreter Karren mit.
Und dafür empfand ich ihn als etwas zu günstig verarbeitet.
Man merkt es im Innenraum schon an einigen stellen, wo andere in diesem Segment (und Preisklasse) etwas besser verarbeitet sind.
Auch wird einigen die Begrenzung auf einen 1.6L stören.
Hartes Fahrwerk, 19 Zoll Räder, Allradlenkung - wer braucht so einen Unsinn im wirklichen Leben?
@Fargrin. Wie oft hast du den neuen Talisman unter die Lupe genommen und auf Herz und Nieren überprüft?
Na ja, wie eine Auswertung bestellter Optionen beweist, "brauchen" ein hartes Fahrwerk und große Räder offenbar sehr viele, leider.
Ist zwar Unsinn, weil eine perfekte Basisabstimmung eines Fahrwerks damit nur wieder verschlimmbessert und unnötig unkomfortabler gemacht wird, aber auch der Automobilproduzent weiß dem entgegen:
Des Menschen Wille ist sein Himmelreich - und mein zusätzlicher Reingewinn! 😊
http://www.spiegel.de/.../...rhoehen-den-spritverbrauch-a-1104825.html
Allein der Verbrauchsnachteil, der sich aus unsinnig großen Rädern ergibt...
Schön wenn Tests so schnell zum Punkt kommen.
Der sieht zwar konservativ schick aus, ist als Diesel in der Kombiversion in Raser- Deutschland ungeeignet.
Ein Passat 1.6 TDI ist schon eine Wanderdüne, da wird der nicht besser sein. Verbrauchstechnisch ist offensichtlich auch nichts zu holen. "Mein" 190PS Passat fährt nach 30.000 Außendienstkilometern mit 6,5 Litern Durchschnittsverbrauch.
Ich bin den Wagen aber natürlich noch nicht gefahren, im Test scheint die Leistung ausreichend zu sein...
Die Begrenzung auf 1,6 Liter Hubraum wird sich rächen, was war so falsch daran wenigstens jeweils einen 2.0 Benziner und Diesel anzubieten?
Werden solche Systeme nicht bei der Zulassung überprüft?, ein System das nicht absolut fehlerfrei arbeitet hat nichts auf den Straßen zu suchen. Das Blenden anderer Fahrer merkt der Fahrer gar nicht.
Im Passat mit LED- Licht hat mich noch kein anderer Verkehrsteilnehmer auf eine Blendung aufmerksam machen müssen weil er vom System nicht ausgeblendet wurde.
Ich habe den Talisman jetzt drei Wochen als Leihwagen gehabt, genau wie hier auf den Bildern zu sehen. Es ist ein sehr angenehmes Auto, welches aber wirklich recht rumpelig über Unebenheiten gefahren ist. Leider wirkte er auch sonst recht einfach. Hier und da hat es dann auch schon mal geknackt und geknistert.
Jetzt bin ich in Italien und habe hier die ganz neue Mercedes E-Klasse, dazwischen liegen jedoch Welten...
in zahlen ausgedrückt sind es min. 10.000€ unterschied
Ganz genau, ein 2.0 Diesel und Benziner und alternativ zum Schalt- ein Wandlergetriebe wäre das richtige Angebot.
Alles andere reicht gerade mal für die Leasingdauer (wenn überhaupt), nicht für den Kauf und längere Nutzung.
@conqueror:
10.000€ ? Na das wäre es auf alle Fälle wert, denn die E-Klasse ist um einige Klassen besser, wirklich beeindruckend...
Eben.
Die angepeilte Zielgruppe dürfte wohl kaum die Käuferschaft von MB & Co. sein, also im sog. Premiumbereich liegen.
Insofern vergleicht man schon deshalb hier wieder einmal höchst unfair Äpfel mit Birnen.
Der Talisman ist Ausstattungsbereinigt immer noch ein relativ faires Auto. Man sollte bedenken, dass man den Wagen mit Vollausstattung nicht über 50k treiben kann. Und auch die Qualität kann sich sehen lassen, da kann ein Mondeo oder ein Insignia meiner Meinung nach nicht ganz mithalten. Die Motoren erscheinen in der Tat etwas bescheidener, wobei man mit dem dci 160 oder dem Tce 200 bei weitem nicht untermotorisiert sein dürfte. Zudem sollen ja noch andere Motoren nachgelegt werden. Optisch gehört der Talisman auf jeden Fall zu den gefälligsten Fahrzeugen der Mittelklasse 😊
Habe ihn mir auf der IAA angesehen und ein paar Mal in Frankreich live gesehen. Ein wirklich sehr schickes Auto! Zwar auch ein bisschen "bollerig", aber tatsächlich eleganter als z.B. C- und E-Klasse. Erstaunlicherweise.
Ob der 1,6er Teufelszeug ist - keine Ahnung. Und nur, weil der 1,6er TDI schlecht ist (sein soll), ist es der Renault nicht zwingend auch. So schlecht ist Downsizing nicht, schließlich funktioniert es gerade beim Diesel ja seit 20 Jahren ganz passabel. 240 PS aus einem 2.0 TDI, das ist 3,5 Mal so viel, wie man Anfang der 90er aus 2.0 Litern beim Diesel herausgeholt hat.
Hoffentlich widerfährt diesem Wagen als Limousine ein hoher Wertverlust 😉
Ob es DIR (oder muss ich "Sie" sagen, wg. dem Dr.? 😕 😉 😆) "das auf alle Fälle wert wäre" (man beachte überdies den Konkunktiv, vermutlich kaufst Du beides nicht, real... 😆),
war aber nicht die Frage,
weder des Testberichts des hier vorgestellten Fahrzeugs noch überhaupt.
Aber immer wichtig, wenn man unfaire Vergleiche anstellt, die man dann mit name-dropping garniert.
So wissen wir nun halt, dass
1. die MB E-Klasse um einige Klassen besser ist (was nur Laien verwundern dürfte, wenn überhaupt)
2. die MB E-Klasse wirklich beeindruckend besser ist (was man angesichts ihres ggü. dem Renault Talisman nochmals -bei weitem- höheren Preises wohl auch erwarten dürfte...)
3. Dir die MB E-Klasse es auf alle Fälle wert wäre (Konjuktiv), wenn...
Dann vielleicht jetzt doch mal btt?
Gibt es eine Limousine die mehr als 608 Liter Kofferraum hat?
Das ist größer als 7 oder S Klasse!