Porsche 901 (1964): Restaurierung des Trödeltrupp-911

Der letzte Elfer, der noch ein Einser war

Constantin Bergander

verfasst am Tue Dec 12 16:40:09 CET 2017

Der „Trödeltrupp“-Elfer läuft wieder: Das TV-Team fand einen der ersten Porsche 911 bei einem Auto-Messi. Das Porsche-Museum hat ihn nun perfekt restauriert.

Vorher und nachher: "Der Trödeltrupp" fand diesen Porsche 2014 in desolatem Zustand. Das Porsche-Museum hat ihn nun fertiggestellt
Quelle: Porsche

Stuttgart – Unter normalen Umständen wäre dieses Auto wohl in die Presse geflogen. Ja, es ist ein klassischer Porsche. Aber davon war wenig übrig: Schweller, Stehbleche und A-Säulen durchgefault, Heckblech hinten links fast weg, Längsträger abgerostet, innen halbherzig über den TÜV geschweißt. Der Motor war fest und nicht original, im Ascher steckten alte Kippen. Objektiver Wert: ein paar 100 Kilo Scherenschrott.

Aber dieser Porsche ist etwas Besonderes. Weil er zu einem ganz besonderen Zeitpunkt gebaut wurde. Als am 22. Oktober 1964 sein Boxermotor zum ersten Mal lief, sollte er noch ein Porsche 901 werden. Er war der letzte Wagen, der unter diesem Namen entstand - der ursprünglichen Bezeichnung für den 356-Nachfolger. Am gleichen Tag ordnete Ferry Porsche an, die Baureihe in 911 umzubenennen.

Porsche 911, Nummer 57: Der letzte Porsche 901

Der 901 sieht aus wie ein Neuwagen, übernimmt aber nur wenige Neuteile
Quelle: Porsche
Peugeot hielt die Rechte an der Nummernfolge 901 und klagte Anfang Oktober 1964 auf Änderung. 82 Autos sollen entstanden sein, bevor die Entscheidung zum neuen Namen fiel. Nicht in der Reihenfolge ihrer Fahrgestellnummern, sondern wie es der Lackiererei am besten passte. Deshalb trägt der letzte ursprüngliche 901 die Nummer 300057.

Nummer 57 wurde als Porsche 911 ausgeliefert. Er diente einem Mechaniker als fliegende Werkstatt, wurde gefahren, geflickt, gebraucht. Fünf oder sechs Paar Hände griffen Lack und Leder ab, reparierten pragmatisch und tauschten Motor und Getriebe. Bis ihn Kfz-Mechaniker Bernd Ibold kaufte und 1978 abstellte. Um ihn irgendwann zu restaurieren.

Dazu kam er nie. Ibold lagerte viel, schraubte aber wenig. 2014 mistete das TV-Team von „Der Trödeltrupp“ seine Garagen aus. Sie fanden das blassrote Wrack und kontaktierten das Porsche-Museum. Dort fehlte bis dato ein Elfer aus der ersten Serie im Bestand. Deshalb, und weil er einer von ganz wenigen ist, war er dem Museum 107.000 Euro wert.

Eine Restaurierung in drei Jahren

Dieser Porsche war der letzte, der am 22.10.1964 gebaut wurde. Danach ordnete Ferry Porsche an, den Namen in 911 zu ändern
Quelle: Porsche
Heute ist er unbezahlbar. Denn der letzte Einser, der dann doch zum Elfer wurde, fährt wieder. Drei Jahre lang restaurierte das Museum den Porsche. So behutsam und authentisch wie möglich. Lieber erhaltend als erneuernd. Das Team um Werkstattleiter Kuno Werner wollte keinen Oldtimer mit Neuteilen aus dem Lager bauen, sondern die Feinheiten seines Modelljahres erhalten.

1964 stanzte Porsche noch keine Vertiefungen in das Abschlussblech des Motorraums, sondern schweißte glatten Stahl ein. Die Türen bekamen kleine Löcher für die Schlösser, im Motordeckel steckte ein dickes Gitter. Der Aschenbecher konnte eine Zigarre halten. All das sollte man am fertigen Auto noch erkennen.

Nach dem chemischen Entlacken stand fest: Gut die Hälfte der Karosserie konnten die Mechaniker retten. Irreparable Blechteile übernahmen sie aus einem 1965er Elfer. Die Werkstatt opferte eine Rohkarosserie, bohrte Schweißpunkte auf und setzte die Teile in den 901 ein. Ungefähr 15 Prozent der Bleche sind ganz neu. Ein Jahr dauerte es, bis die Karosserie fertig war.

Damit das alte Blech nie wieder alt aussieht, schleuste das Museum den 901 in die Neuwagen-Versiegelung ein. Er bekam eine elektrolytische Kathoden-Tauchlackierung – ein Prozess, bei dem sich Lack auf dem gesamten Blech verteilt. So schützt er auch Hohlräume und versteckte Stellen vor Rost. Das originale „Signalrot 6407“ sprühte die Lackiererei mit Wasserlack auf.

Neuer Austauschmotor mit alten Vergasern im Porsche 901

Der Rohzustand des 901: Verrostet, ausgeblichen, verschlissen
Quelle: Porsche
Der originale Motor ging im Laufe des Elfer-Lebens verloren. Vermutlich flog er nach einem Schaden auf den Schrott. Dokumentiert ist das nicht. Aber er wurde durch ein Aggregat des gleichen Typs ersetzt. Die Nummer „901/01“ weist auf einen 2,0-Liter-Boxer der ersten Serie hin. Diese Sechszylinder steckten bis 1968 im 911. Und man behielt beim Wechsel alle alten Anbauteile bei.

Der Museums-Elfer fährt deshalb mit originalen Solex-Vergasern und mechanischen Spritpumpen anstelle von Weber-Teilen und einer elektrischen Pumpe (ab 1965). Der Block wurde auf das erste Übermaß aufgebohrt, neu beschichtet und mit neuen Kolben versehen. Ein Zylinderkopf bekam eine neue Nockenwelle, die andere blieb original.

Die Abgasanlage ließ das Museum komplett neu anfertigen. An den späteren Modelljahren sitzen stark vereinfachte Versionen. Vor allem die Wärmeleitungen zur Heizung waren simpler und damit günstiger. Selbst das scharfkantige, schräge und polierte Endrohr wurde 1965 mit einer aufgesetzten Blende vereinfacht. Originalteile gibt es dafür nicht mehr.

Dieser 1964er Porsche wird fahren

Bestandsaufnahme nach der chemischen Entlackung: Mehr als die Hälfte des 901 ist noch zu gebrauchen
Quelle: Porsche
Während der Arbeiten am Auto mussten Werner und seine Kollegen zwischen Originalität und Historie abwägen. Den Drehzahlmesser tauschten sie aus, denn sein roter Bereich passte nicht zum Motor. Das Radio (Blaupunkt Frankfurt) blieb im Auto, obwohl es frühestens 1965 nachgerüstet wurde. Auf den originalen Scheiben kleben noch Andenken an die Vorbesitzer – unter anderem ein Vorläufer der Autokäufer-Visitenkarten.

Auf den ersten Blick wirkt dieser Porsche 901 nun wie ein perfekter Neuaufbau. Erst beim genauen Hinsehen erkennt man die vielen Details, in denen sich das lange Autoleben zeigt. Emblem und Schriftzug mit feiner Patina, Kratzer auf den originalen Scheiben und ein benutzter Lenkradtopf zum Beispiel. Oder gebrauchte, zeitgenössische Scheinwerfer. Die tragen ihren „Bosch“-Schriftzug noch von außen fühlbar auf den Gläsern. Später prägte der Hersteller von innen.

Die alten und ersetzten Teile sind noch vorhanden. Porsche stellt sie gemeinsam mit dem Auto in den kommenden Wochen aus. In Gitterboxen sind dann ein unrestaurierter Sitz, das originale Lenkrad, Mitteltunnel, Sonnenblenden und Antriebswellen zu sehen.

Langfristig wird der 901 viel unterwegs sein. Im August 2018 startet er bei der Oldtimer-Rallye „Hamburg-Berlin-Klassik“ – mit seinem Vorbesitzer am Lenkrad.

Porsche 901 (1964) #57: Technische Daten

  • Motor: 2,0-Liter-Sechszylinder-Boxer
  • Getriebe: Fünftang-Schaltgetriebe
  • Leistung: 130 PS (96 kW) bei 6.200 U/Min
  • Drehmoment: 174 Nm bei 4.200 U/Min
  • 0 – 100 km/h: 9,1 s
  • 0 – 160 km/h: 21,9 s
  • Höchstgeschwindigkeit: 210 km/h
  • Länge: 4,291 m
  • Höhe: 1,310 m
  • Breite: 1,652 m
  • Radstand: 2,211 m
  • Gewicht: 1.080 kg
  • Neupreis (1964): 21.900 DM

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Probesitzen: MOTOR-TALK-Redakteur Constantin Bergander im Porsche 901 von 1964
Quelle: Porsche
Der 901 sieht aus wie ein Neuwagen, übernimmt aber nur wenige Neuteile
Quelle: Porsche
Die Stahlfelgen von Nummer 57 stammen alle aus dem Jahr 1964. Porsche hat sie aufwändig restauriert
Quelle: Porsche
Der 2,0-Liter-Boxer im Heck fährt mit originalen Solex-Vergasern und mechanischen Spritpumpen
Quelle: Porsche
Ab 1965 verbaute Porsche ein flacheres Gitter im Motordeckel. Das im 901 baut höher
Quelle: Porsche
Scheiben und Aufkleber des 901 sind original
Quelle: Porsche
Dieser Porsche war der letzte, der am 22.10.1964 gebaut wurde. Danach ordnete Ferry Porsche an, den Namen in 911 zu ändern
Quelle: Porsche
Die Abgasanlage ist eine Einzelanfertigung. Das Original war nicht zu gebrauchen, Neuteile gibt es nur von moderneren Modellen
Quelle: Porsche
Von links nach rechts: Kuno Werner (Porsche-Museum), Otto Schulte ("Der Trödeltrupp"), Porsche 901, Bernd Ibold (Vorbesitzer), Alexander Klein (Porsche-Museum)
Quelle: Porsche
Porsche stellt einzelne Bauteile des 901 in Gitterboxen aus
Quelle: Porsche
Der Rohzustand des 901: Verrostet, ausgeblichen, verschlissen
Quelle: Porsche
Viele wichtige Teile waren noch vorhanden. Andere mussten nachgefertigt oder angepasst werden
Quelle: Porsche
Bestandsaufnahme nach der chemischen Entlackung: Mehr als die Hälfte des 901 ist noch zu gebrauchen
Quelle: Porsche
Nacharbeiten an der Karosserie mit Zinn
Quelle: Porsche
Vor dem Lackieren wurden alle Teile des 901 angepasst
Quelle: Porsche
Innenraum vor der Restaurierung: Leer, abgenutzt, verrostet
Quelle: Porsche
Der fertige Innenraum mit frisch bezogenen Sitzen und neuer Holzvertäfelung
Quelle: Porsche
911-Sitze des ersten Baujahres: Sechs abgesteppte Elemente, kein "Recaro-Schriftzug" auf dem Verstellknopf
Quelle: Porsche
Den Baumwollteppich fertigte Porsche für den 901 an
Quelle: Porsche
Die Karosserie des Porsche 901 nach der KTL-Beschichtung
Quelle: Porsche
Die Kathodische Tauchlackierung wird erst bei modernen Autos eingesetzt. Den 901 soll sie langfristig schützen
Quelle: Porsche
Lackierung mit Wasserlack (nicht original) im Farbton Signalrot (original)
Quelle: Porsche
Original erhaltene Fahrgestellnummer mit nachgefertigter Plakette
Quelle: Porsche
Ein Vorläufer der Autokäufer-Visitenkarten: Ein Aufkleber auf der Seitenscheibe
Quelle: Porsche
Ein Motor der ersten Serie: Bis 1968 schlug Porsche "901/01" in den Motorblock
Quelle: Porsche
Nach dem Entlacken: Die originale Fahrgestellnummer
Quelle: Porsche
Der Motor ließ sich nach dem Kauf nicht drehen. Er wurde in 120 Arbeitsstunden überholt
Quelle: Porsche
Nach der Hochzeit: Boxermotor mit Solex-Vergasern und mechanischen Spritpumpen
Quelle: Porsche
Kuno Werner, Werkstattleiter des Porsche-Museums, erklärt die Feinheiten des ersten 911-Motors
Quelle: Porsche