Citroën CX

Der letzte wahre Citroën

verfasst am Sun Jun 08 09:43:03 CEST 2014

Citroën stand mal für Innovationen, Zukunft und abgefahrenes Design. Jetzt wird der letzte wahre Citroën 40. Ulli Franken hütet und pflegt ein frühes Modell. Eine Ausfahrt.

Leverkusen - Die Walzen hinter den Lupengläsern rotieren langsam. Zeigen Geschwindigkeit und Drehzahl an. Fast wie bei einem Flugzeug. Das Auto schwebt über den Asphalt. Kurz vor dem Abheben. Ein Blick auf den Kilometerstand irritiert. 7.001 zeigen die kleinen Rollen an. Bei einem Jahreswagen ist das nicht viel. Bei einem über 30 Jahre alten Oldtimer ist das eine Sensation.

Der Citroën CX von Ulli Franken überrascht. Nicht nur die geringe Laufleistung, sondern der Zustand. Das Auto sieht aus wie neu. Das macht ganz von allein neugierig auf seine Geschichte. Manche sagen, der CX, das war der letzte wahre Citroën. Ein Auto mit Visionen, ein Fahrzeug, das versuchte, die Welt der Kraftfahrzeugwagen zu revolutionieren.

Zwei Modelle haben es ihm angetan

Es ist genau das Auto, das Ulli Franken Anfang 1990 sucht. Bei dem Leverkusener sind schon seit ein paar Jahren die Doppelwinkel auf der Brille eingefräst. Der Hobbyschrauber ist seit seinem ersten Frankreich-Urlaub in den Siebzigerjahren den Citroën-Modellen verfallen. Seitdem informiert er sich über die Modelle, über die Geschichte und über die Technik der einzelnen Fahrzeuge. Vor allem zwei Fahrzeuge haben es ihm besonders angetan.

Mitte der 80er-Jahre hat er bereits einen Traction Avant von 1953 komplett restauriert und eine DS 19 von 1958 in traumhaftem Originalzustand aus Frankreich importiert. Jetzt sucht er das nächste Modell in der Reihenfolge der Citroën-Meilensteine. „Ich wollte ein Auto mit innovativer Technik“, sagt er. Er findet einen CX bei einem Citroën-Händler, der seine Sammlung auflösen musste.

Der Mann war kein großer Verkäufer, dafür ein penibler Fahrzeugpfleger. Mit dem vollausgestatteten CX von 1983 fährt der Mann ausschließlich sonntags und nur, wenn es trocken ist. Autobahnetappen und schnelles Fahren meidet er. Weil in seiner Privatsammlung noch mehr Wagen warten, ab und an mal bewegt zu werden, spult der CX in zehn Jahren gerade 5.000 Kilometer ab.

Frisches Öl und Hohlraumkonservierung

Ulli Franken ist vom Zustand des CX begeistert. „Das Auto hat unter der Karosserie Fahrschemel, und die Karosserieteile lassen sich nicht wie beim DS einfach austauschen, sondern sind verschweißt. Das macht eine Komplettrestauration extrem zeitaufwändig und teuer.“ Er spendiert dem Franzosen lediglich frische Öle und eine Hohlraumkonservierung. Unbehandelte Fahrzeuge rosten nämlich schon im Prospekt.

Ulli Franken ist sich des Zustands des großen Franzosen bewusst. Er will ihn fahren, vor allem aber bewahren. Sein Credo bis heute: Eine Stunde Fahren sind zwei Stunden Pflegen. Dann bleibt das Auto in Form.

Franken schrubbt nicht nach jedem Kilometer das ganze Auto. Vielmehr achtet er auf eine gute Lack-Konservierung. So öffnet er nach dem Fahren die Motorhaube, um die Motorwärme schneller abziehen zu lassen. Gummidichtungen und Kunststoff erhalten regelmäßig eine Massage und die Radhäuser werden oft gereinigt.

Klar, dass noch kein Regentropfen auf das Blech prallte. Der CX zeigt sich so gut wie neu. Der Lack glänzt wie am ersten Tag und die Gummidichtungen sind tiefschwarz und schön straff. Selbst die originalen Aufkleber haften unbeschmutzt in den Ecken der Karosserie.

Schlampige Verarbeitung

Der Leverkusener fuhr in den vergangenen Jahr nur zu Treffen, zu seiner etwas abgelegenen eigenen Werkstatt und zu Einstellungsfahrten. „Die längste Fahrt war die erste, direkt nach dem Kauf – von Bayern nach Leverkusen. Da haben mich aber schon das hydraulische System, die Servolenkung und die Federung begeistert.

Es ist diese Leichtigkeit, dieses Gleiten und einfache Fahren, das den CX heute noch jung erscheinen lässt“, sagt er. Weniger elegant ist schon damals die Verarbeitung. Die Nähte am Leder sind schlampig gezogen, das Vinyldach unsauber verklebt, die Oberklasse-Konkurrenz konnte das damals deutlich besser.

Dabei markiert die schnittige Limousine aus Frankreich einen besonderen Abschnitt in der Firmengeschichte: Das Oberklassefahrzeug war das letzte eigenständig entwickelte und gebaute Modell von Citroën, bevor die Firma im PSA-Konzern mit Peugeot aufgeht. Das ist zwar nicht der Untergang der Marke. „Aber sind wir mal ehrlich: Seitdem hat der Hersteller mit den beiden Winkeln keine bahnbrechende Entwicklung mehr auf die Räder gestellt – zumindest was das Design angeht“, sagt Besitzer Ulli Franken.

cW heißt in Frankreich CX

Anfang der Siebzigerjahre nehmen die Franzosen alles Gute aus dem Vorgänger DS und packen es verfeinert in den CX. Wie das moderne Design mit großen Flächen und der langen Motorhaube, nur nicht mehr weich und rund, sondern eckig und kantig. Heute würde man New Edge dazu sagen. Der Luftwiderstandsbeiwert cW, in Frankreich CX genannt, liegt bei 0,369 cW.

Modern sind auch der Einarmwischer und die nach innen gewölbte Heckscheibe. Die bleibt von alleine sauber. Irgendwie avantgardistisch und vernünftig zugleich. Dazu kommt ein spaciger Innenraum mit gewöhnungsbedürftigen Instrumenten: neben den rotierende Walzen sind das Schalter für Blinker, Licht, Hupe und Scheinwerfer, die wie Satelliten um das Cockpit drapiert sind.

1976 wird der CX zum Aushängeschild

Unter der Haube verbergen sich ein Grauguss-Vierzylinder, sämtliche Nebenaggregate und das Reserverad. Der Clou ist die schon aus dem Vorgänger DS bekannte Hydropneumatik, aus mit Stickstoff und Hydraulikflüssigkeit gefüllten Feder-Druckbehältern. Damit wird das Fahren zum Schweben. Hoher Druck liegt auch am Bremspedal und an der Servolenkung an.

Die Rolle des Topmodells darf der Neue 1974 vorerst noch nicht übernehmen. Als Sparversion muss er sich bis Ende 1975 zwischen der noch beliebten DS und dem kleinen GS zwängen. Erst 1976 ist der CX das Aushängeschild, nun mit einer größeren Motorenauswahl und dem Prestige mit zehn Zentimetern mehr Platz im Fond.

Elegant, abwartend, beobachtend

Zeit, eine Zeitreise zu unternehmen: Mit dumpfen Ächzen öffnet sich die lange Tür. Der Sitz bietet zwar eine ausreichende Beinauflage, die Rückenlehne ist aber schmal, sodass die Schulterblätter frei liegen. Dafür können sich Passagiere im Prestige nicht über mangelnde Kopffreiheit beschweren: Im Vergleich zu den anderen Modellen hat er ein erhöhtes Dach.

Tssssssss. Mit einem leisen Zischen legt sich das Auto in die Kurve, schwingt kurz nach und stellt sich wieder ein. Wie eine Schlange – elegant, abwartend und beobachtend. Die nächste Bodenwelle wird mit leichtem Gurgeln beantwortet.

Ganz gleich, ob horizontale oder vertikale Bewegung, die Hydropneumatik atmet, schluckt, lebt und arbeitet - und das hört man. Es hört sich nach Lkw oder Super-Magic-Body-Control an, steckt aber in einem über 30 Jahre alten Auto.

Nach vier, fünf Kurven wird es flüssig

Der 2,4-Vierzylinder mit 128 PS hängt etwas träge am Gas, die Dreigang-Automatik von ZF arbeitet ebenso gelassen. Sie zieht die Gänge lange wie ein Gummiband und schaltet dann ruckartig. Bei der ersten Kurve dann das CX-Erlebnis: Wer das Auto nicht kennt, nimmt den Bogen im Achteck. Zwar geht die Servolenkung spielend leicht, die hydraulischen Rückstellkräfte stellen die Lenkung aber sofort wieder in den Geradeauslauf. Erst nach vier, fünf Kurven sehen die Bewegungen flüssig aus und das unkoordinierte Schaukeln wirkt elegant.

Auch die Bremse verlangt ein Umdenken: Hinter dem Pedal steckt ein Regelventil, das die Bremshydraulik mit 180 bar frei setzt. Doch trotz der ungewollten Beinahe-Vollbremsung federt der Vorderwagen nur sanft ein. Je nach Bremsdruck wird die Belastung der Räder unterschiedlich dosiert. Ganz fein, so wie jede geplante Fahrt mit dem avantgardistischen Franzosen.

Im Alltag liebt es Ulli Franken eher rustikal. Sein VW T3, einer von zweien, mit geändertem Motor und Turbolader, fährt mit Pflanzenöl und wird nicht geschont – der Bus hat mittlerweile knapp 500.000 Kilometer auf dem Tacho.