Tradition: 40 Jahre Mercedes W 123
Der Mercedes. Punkt.
Der Unterschied zu einem Tresor? Der Mercedes W 123 hat Räder und kann fahren. Bis heute gilt die Mittelklasselimousine als Maßstab für Qualität. Auch nach 40 Jahren.
Köln - Mehr als drei Jahre Lieferzeit für ein Massenmodell, Gebrauchtwagenpreise oberhalb der bereits stolzen Neuwagenpreise? Das haben deutsche Autokäufer bislang nur einmal akzeptiert. Die Ende 1975 in Serie gegangene Mercedes-Benz-Baureihe W 123 war begehrter und mit 2,7 Millionen gebauten Einheiten erfolgreicher als bis dahin alle anderen Stuttgarter Modelle.
Was machte die gehobene Mittelklasse aus Schwaben so unwiderstehlich, und für manche so einzigartig, dass sie sich am Ende der elfjährigen Bauzeit noch einen Neuwagen beiseite stellten? Es war der betont bürgerliche Auftritt aller 123er, ihr gediegener Chromglanz ohne Protz, vor allem aber ihre einzigartige Verlässlichkeit.
So ermittelte eine Fachzeitschrift, dass die Fahrer eines 200 Diesel rein rechnerisch über 850.000 Kilometer fahren mussten, um von einer Panne betroffen zu sein. Eine Prüforganisation bescheinigte 1984 noch acht Jahre alten 123ern Platz eins unter den Mängelzwergen bei der gesetzlichen Hauptuntersuchung.
Das "neue Maß der Mittelklasse"
Natürlich hatte der 4,73 Meter lange Benz auch Schwachstellen. Es waren Kleinigkeiten gegenüber den Themen Rost und Pannen, die viele Wettbewerber plagten. Die Untertürkheimer Diesel und Benziner bewältigten etwa als einzige Pkw den harten arktischen Alltag auf den Geröll- und Eispisten Spitzbergens. Altgediente Gebrauchtwagen fahren noch heute vielfach durch afrikanische Wüsten und Steppen. Kein Wunder, dass die langlebigen wie genügsamen 123er zum Kultfahrzeug der Klassikerszene avancierten. Heute sind sie der zweithäufigste Oldtimer nach dem Käfer.
„Das neue Maß der Mittelklasse“, lautete die Werbebotschaft zur Markteinführung. Acht Jahre Entwicklungszeit hatte sich Mercedes gegönnt und befand das Ergebnis gemäß Presseinformation „hinsichtlich Sicherheit, Fahrkultur, Komfort und Dynamik einmalig“.
Was sich zum Beispiel in der neuartigen Sicherheitslenksäule spiegelte, die beim Frontalaufprall seitlich wegknickte. Oder in der Vorbereitung für Airbags, die ab 1982 lieferbar waren. Oder im ab 1980 verfügbaren ABS-Bremssystem.
Viele Innovationen übernahm der W 123 aus der S-Klasse, unter anderem die Doppelquerlenker-Vorderradaufhängung. Auch preislich konnten voll ausgestattete 280 E leicht mit dem Flaggschiff mithalten. Kostete der 280 E „nackt“ nur 26.895 Mark waren es mit Extras bis zu 62.000 Mark. Dafür gab es auch einen Zwölfzylinder-Jaguar, einen Lamborghini Jarama oder gleich zwei 3,0-Liter-BMW-Spitzenmodelle.
Erfolgreicher als der Golf
Die Typen 200 und 200 D starteten bei knapp 19.000 Mark, also auf dem Niveau von BMW 520, Volvo 244 oder gut ausgestatteten Ford Granada 2.0. Auch die anderen Vierzylinder mit Stern (230, 220 D und 240 D) waren nicht wesentlich teurer. Keine Überraschung also, dass Mercedes seine Stellung im Taxigeschäft mit dem W 123 weiter ausbaute. Auch Privatkunden griffen in der oberen Mittelklasse am liebsten zum Stern.
Doch es kam noch besser: Als die 123er in allen Karosserievarianten, also als Coupé, Kombi T-Modell und Limousine mit langem Radstand verfügbar waren, überholte der W 123 den Golf. Im Jahr 1980 wurde der Mercedes zum meistverkauften deutschen Auto.
Kurzzeitig hatte Mercedes eine Fließheckvariante des W 123 erwogen. 1977 entschied man sich zugunsten des ersten Mercedes-Kombis aus Werksproduktion dagegen. Das im Werk Bremen gebaute T-Modell („T“ für Tourismus und Transport) war ein so großer Erfolg, dass Audi (1983) und BMW (1985) schließlich nachzogen.
Einen weiteren Meilenstein setzte Mercedes 1977. Als erstes Großserien-Diesel-Coupé überhaupt ergänzte der 300 CD das Programm. Zur Enttäuschung vieler europäischer Coupé-Liebhaber gab es den 80-PS-Fünfzylinder allerdings nur in den USA. Dort wollte Mercedes so den Flottenverbrauch reduzieren.
Tuning und Wanderdüne
In Europa zählte dagegen vor allem Leistung. So unterlag der Mercedes 280 in Vergleichstests etwa dem BMW 528, trotz größeren Komforts. Der BMW bot bessere Fahrleistungen, das bewerteten die Tester höher. Die Tuningbranche nutzte die Angebotslücke: AMG, Brabus oder Lorinser schärften die 123er motorisch nach.
Mercedes selbst beendete 1977 eine 22-jährige Motorsportpause und schickte mehrere überraschend seriennahe 280 E auf die 30.000 Kilometer lange Marathon-Rallye von London nach Sidney. Das Super-Ergebnis: Plätze eins, zwei, sechs und acht.Absolut unsportlich erlebten dagegen Taxifahrer den anfangs nur 55 PS „starken“ 200 D. Endlose 31 Sekunden benötigte der Diesel bis Tempo 100, dafür begnügte sich die Limousine mit 8,3 Liter Diesel auf 100 Kilometer.
Meistverkaufter 123er-Diesel war jedoch der 240 D, dessen Langlebigkeit Legende ist. Eine halbe Million Kilometer waren für den 65 PS starken Vierzylinder fast schon Pflicht. Nicht nur in Limousine und T-Modell, sondern auch in der 1977 eingeführten Langversion mit 63 Zentimeter vergrößertem Radstand. Hotels schätzten diese mit dritter Sitzreihe lieferbare Limousine ebenso wie Staatsführungen: Für eine Repräsentationslimousine kostete der lange Benz relativ wenig. Auch als Sechszylindertyp 250 oder 300 D.
Damit war die Modellpalette des 123ers noch nicht komplett. Nicht vergessen werden dürfen die Fahrgestelle für Pick-ups, Krankenwagen, Bestattungsfahrzeuge und andere Sonderaufbauten, die diesen Mercedes so vielseitig machten. Zwei Modellpflegen und technische Aktualisierungen genügten, um die mittelgroße Mercedes-Familie frisch zu halten, bis der Ende 1984 vorgestellte Nachfolger W 124 seine Kinderkrankheiten auskurieren konnte.
Wahrscheinlich war es auch diesem etwas unglücklichen Auftakt der 124er-Reihe zu verdanken, dass der W 123 heute als der Mercedes schlechthin gilt. Hierzulande dünnt sich der Bestand aus, die Preise steigen: Bei den Modellen mit H-Kennzeichen steht der W 123 auf Rang zwei. Anderswo klammert sich der Benz an sein Leben: In Marokko beschloss die Regierung 2014 sogar eine Abwrackprämie für W-123-Taxis.
Von allein stirbt dieser Mercedes nicht aus. Insgesamt wurden 2.696.915 Fahrzeuge der Baureihe 123 produziert (1975 bis 1986). Davon 2.375.440 Limousinen, 199.517 Einheiten des T-Modells, 99.884 Coupés (davon 15.509 mit Dieselmotor), 13.700 Limousinen mit langem Radstand sowie 8.373 Fahrgestelle für Sonderaufbauten.
Mercedes-Benz W 123: Wichtige Motorisierungen
- Mercedes-Benz 200 D mit 2,0-Liter-Vierzylinder-Dieselmotor (55 PS bzw. mit 60 PS)
- Mercedes-Benz 220 D mit 2,2-Liter-Vierzylinder-Dieselmotor (60 PS)
- Mercedes-Benz 240 D / 240 TD mit 2,4-Liter-Vierzylinder-Dieselmotor (65 PS bzw. mit 72 PS)
- Mercedes-Benz 300 D / 300 CD / 300 TD mit 3,0-Liter-Fünfzylinder-Dieselmotor (80 PS bzw. mit 88 PS)
- Mercedes-Benz 300 D Turbodiesel / 300 CD Turbodiesel / 300 TD Turbodiesel mit 3,0-Liter-Fünfzylinder-Dieselmotor (125 PS)
- Mercedes-Benz 200 / 200 T mit 2,0-Liter-Vierzylinder-Benziner (94 PS bzw. mit 109 PS)
- Mercedes-Benz 230 / 230 C / 230 T mit 2,3-Liter-Vierzylinder-Benziner (109 PS)
- Mercedes-Benz 230 E / 230 CE / 230 TE mit 2,3-Liter-Vierzylinder-Benziner (136 PS)
- Mercedes-Benz 250 / 250 T mit 2,5-Liter-Sechszylinder-Benziner (129 PS bzw. 140 PS)
- Mercedes-Benz 280 / 280 C mit 2,75-Liter-Sechszylinder-Benziner (156 PS)
- Mercedes-Benz 280 E / 280 CE / 280 TE mit 2,75-Liter-Sechszylinder-Benziner (177 PS bzw. 185 PS)
Lest hier weitere News zum Nachfolger des W123, der Mercedes E-Klasse (W213).
Ach ja *seufz*
Die Zeit, als Mercedes noch qualitativ hochwertige und stilvolle Autos baute. Der war das Beste - heute ist Nichts.
Am W123 konnte man noch alles selber machen, und er war nicht kaputt zu kriegen, speziell nicht als 240D. Ein tolles Auto. Wäre ich heute schon Rentner, ich würde versuchen, ein gut erhaltenes Modell aufzutreiben und es Stück für Stück penibel zu restaurieren.
Wenig drinnen, das aber sinnvoll und wertig. Und die Technik plus Hülle einfach nur eines. Nämlich solide.
Heute nirgendwo mehr zu finden. Schwerpunktverlagerung nennt man dies😉.
Jawoll, ich hab ihn in den 80ern als Taxi gefahren, war mit 4 Fahrgästen besetzt schon lustig...hier in Kassel ist es streckenweise ziemlich bergig, da bin ich mit Vollgas im 3. Gang die Berge hoch( 55 dürre PS), im Spiegel die Rauchwolke aus dem Auspuff....da war auch immer das linke Rücklichtglas dunkel angelaufen, weil der Auspuff genau drunter war...aber nicht kaputtzukriegen der Panzer
Heute nicht mehr vorstellbar...
Gruss aus Kassel
Lange Wartezeiten und teurere Gebrauchtwagen haben deutsche Käufer auch woanders gehabt: In der DDR und das über Jahrzehnte.
Der W123 war sicher ein hübsches und zuverlässiges Auto, allerdings waren wenigstens die frühen Exemplare bis Baujahr 1983 der Baureihe mindestens ebenso rostempfindlich wie ihre Vorgänger, die Baureihen W114 und W115.
Leider wird hier, wie i.d.R. auch immer gerne beim W124, wieder der Mythos der Unzerstörbarkeit der Stuttgarter Mittelklasse gepflegt.
Interessenten sollten sich nicht von den euphorischen Berichten blenden lassen, sondern zur Besichtigung einen Spezialisten mitnehmen und / oder wenigstens die fundierte Kaufberatung von Benzgarage.de gründlich verinnerlicht haben – das kann vor unliebsamen und teuren Überraschungen schützen.
Gerostet hat der zwar nicht so wild wie manch andere 70er Jahre Kiste - aber auch der 123 kann heftige Ausbrüche zeigen und das auch schon frühzeitig. Deswegen würde ich einem solchen Wagen eine gründliche und regelmäßige Konservierung mit FluidFilm gönnen.
Zeiten, wo man anstehn musste ein solches Auto zu ergattern. Da war Rabatt ein Fremdwort und Wartezeit ein Hauptwort. Qualität stand vorne dran und ....
(einfach andere Zeiten)
... das "frühzeitig" hat sich nach mittlerweile 40 Jahren ja wohl erledigt.
Ja, an den kann ich mich auch noch erinnern. Mein Vater hatte erst den 200er und dann den 240D. Sie hatten beide ihre Vorzüge. Beim 200er konnte ich auf der Rückbank als Kind herrlich schlafen bei der Urlaubsfahrt über die Alpen und den 240er konnte ich abends sehr genau am Klang erkennen. Wenn ich heute höre das sich Leute über des laute nageln eines CDI oder TDI beklagen 🙄 denk ich mir setzt euch mal in einen W123 Diesel.😆
Erstaunlicherweise hing die Rostempfindlichkeit mit der Lackierung zusammen.
Die mimosengelben und die weissen rosteten als erstes weg, dunkelrote dagegen hielten länger. Am längsten widerstanden die zypressengrün-metallic- lackierten W123 dem Rost.
Lacht nicht, es war wirklich so.
Bei den Motoren gab es von Serienbeginn an einige Aggregate die nicht mehr dem Stand der Technik entsprachen. Den 250er 6-Zylinder zum Beispiel, der soff wie ein Loch.
Ich hatte mal einen der ersten 200er Diesel mit 60 PS, Beschleunigung von 0 bis Hundert gefühlte 10 Minuten, Spitzentempo nach sehr langem Anlauf 125 km/h, Verbrauch um die 10 Liter. Man musste ja Vollgas fahren, anders ging die Karre überhaupt nicht.
Nach der 200er Wanderdüne hatte ich einen 200er Benziner mit dem M 102 Motor. Das war ein feines Maschinchen !
Später kam dann ein 240er Diesel mit 72 PS. In dem Fahrzeug hatte ich einen wahren Wundermotor erwischt. Der 240er lief 170 km/h nach Tacho und brauchte maximal 8 Liter.
Viele Jahre später kam ein Mann in den Laden um ein Auto zu kaufen. Er wollte einen chinablauen 240er Diesel in Zahlung geben. Das Auto kam mir bekannt vor - es war mein ehemaliger 240er ! Der Mann hatte den Kfz.-Brief dabei, ich sah es schwarz auf weiß. Ich hatte ihn nach einem Jahr mit ca. 12000 Kilometern verkauft, nun hatte er 480000 Kilometer auf der Uhr und lief wie am ersten Tag.
Die 123er Mercedes-Modelle waren nach der Modellpflege 1981 mit Sicherheit die qualitativ besten Autos die man kaufen konnte. Der 240er Dieselmotor war normalerweise für mehr als eine Million Kilometer gut.
Gruß
Franz
Bin 3 Jahre einen 240D der 3. Serie mit 72PS gefahren. Meine Kumpels haben sich immer "gestritten" wer hinten auf dem Sofa sitzen durfte.😆 Höchstgeschwindigkeit 143 km/h (Werksangabe), bei den Wanderdünen kennt das Gaspedal nur 2 Stellungen.😉 Trotzdem war ein geiles Auto.😊
@ Franz: 170 km/h "nach Tacho" lief der aber nur bergab. Selbst das war grob geschätzt, die Skalierung des Tacho endete bei 160.😆
Zur Rostanfälligkeit. Damals war die markenübergreifend vorhanden. Bei einer mehr, bei der anderen weniger. Ohne diesem Makel war aber absolut keine.
Ich erinnere mich bei meinem 200er Benziner, weiß Bj. 79, 9 Jahre gefahren, hauptsächlich an Rost.
Danke, genau so sieht es aus. Mehr Mythos als Fakten.
Wir hatten so einen. Er bestand eigentlich nur aus zwei Teilen. Dem Motor 200D, der sich beim Anlassen und während der Fahrt schwer tat und dem Rest, der mit Italienern um die Wette rostete.
Der Nachfolger W124, auch ein 200D, war ein deutlicher Qualitätssprung.