Classic Driving News
Der Schwede im Lego-Design
Der Volvo 760 schwamm gegen die von Ford Sierra und Audi 100 radikal verkörperte Stromlinie an. Der kantige Schwede sorgte 1982 für einen Design-Eklat mit seinem Lego-Look. Motor Klassik ist mit dem Volvo gefahren.
Beim Anblick des Volvo 760 fragt man sich unweigerlich: Gibt's das wirklich - Autos aus Lego? Beim 3er-BMW der Baureihe E30 könnte es klappen. Auch die Nachbildung eines VW K 70 mit den Bausteinen gelingt bestimmt. Talbot Tagora SX und Volvo 760 hätten gewiss einen Ehrenplatz im imaginären Legoland-Automuseum.
Der Schwedenkombi: Auto-Kubismus in seiner reinsten Form
Beide verbindet nicht nur der Hang zum Kubismus, sondern auch die gleiche Antriebsquelle. Die Rede ist vom Europa-Motor genannten 90-Grad-V6-Triebwerk aus Leichtmetall, das ursprünglich einmal ein Achtzylinder werden sollte und dessen Entwicklung sich Peugeot, Renault und Volvo teilten. Eigentlich war der Volvo 760 formal schon bei seinem Erscheinen aus der Mode oder seiner Zeit voraus. Der Mainstream mochte es 1982 eher rundlich.
Als Wunder von Köln wurde der Ford Sierra glorifiziert, und die dritte Generation des Audi 100 vergrößerte den Vorsprung durch Technik mit einem Rekordwert von cW 0,30. Doch das ökonomische Diktat der Aerodynamik führte schnell zum formalen Einheitsbrei. Als hätte Volvo-Chefdesigner Jan Wilsgaard dies schon 1976 vorausgeahnt, setzte der Bildhauer für den Nachfolger der betagten 240er-Baureihe auf mutige Avantgarde. Das Projekt hieß 1155. Insider deuten es scherzhaft mit dem Eingeständnis, dass es fünf vor zwölf war, endlich einen Nachfolger für die klobigen Volvo 240- Limousinen zu finden. Große glatte Flächen schälte Wilsgaard mit dem Modelliermesser aus dem groben Plastilinklotz der frühen Studie. Manchmal - an der Heckscheibe und vorn, wo Kühlergrill und Scheinwerfer ansetzten - kappte er ihn fast senkrecht. Lohn des radikalen "Edge-Box- Designs" ist immerhin ein cW-Wert von 0,40, besser als ein Mercedes W123.
Herbe, kühle Schönheit eines Steilheck-Kombis
Nur ein paar Sicken lockern die großen Blechpartien der Automobil gewordenen Skulptur ein wenig auf. Sicher hat Wilsgaard amerikanische Autozeitschriften studiert, ließ sich vielleicht vom Cadillac Seville inspirieren. Denn die USA waren schon immer Volvos wichtigster Markt. Wilsgaard ging sogar noch weiter. Auf der Basis des künftigen Volvo 760 GLE schuf er 1980 lange vor Espace, Spacewagon & Co. das Volvo Concept Car, die verwegene Studie eines Großraumkombis mit Steilheck. Frontpartie und Profil zeigten die gleichen Stilelemente wie der Volvo 760 zwei Jahre später auf dem Genfer Salon. Eine herbe, kühle Schönheit, die polarisiert. Liebe auf den ersten Blick war es beim Volvo 760 selten, Beifall fanden jedoch die gute Figur und die ausgewogenen Proportionen: eine groß gewachsene, autoritäre Erscheinung mit langem Radstand und üppiger Breite, die plane Windschutzscheibe kokett geneigt, ihr hinteres Pendant provozierend steil.
Welch spannender Dialog, den offenbar nur Intellektuelle verstanden Architekten, Ingenieure, Künstler. Bis 1998, bis zum Ende des Volvo V 90, sollte diese Grundform, behutsam modernisiert, aber dennoch tragisch verwässert, halten. Mit ihr starb auch der Hinterradantrieb, eine Ära ging bei Volvo zu Ende. Mit Jan Lars Dumno und seinem silbernen Volvo 760 Turbo aus dem Debütjahr 1983 wird sie wieder lebendig. Der 31 Jahre alte Diplom-Ingenieur aus Hofheim im Taunus hat ein Faible für extravagante Automobile. Nach einem Citroën CX, einem Renault 25 V6 und einem Mercedes 500 SE fand er spätberufen zum großen Volvo. "Den Volvo 760 Turbo kaufte ich vor vier Jahren von einem Zoologen. Schon länger liebäugelte ich mit einem 760, Form und Größe des Wagens begeistern mich ebenso wie die gediegene Veloursausstattung mit diesen frivolen Knautschfalten", schwärmt der Youngtimer-Fan.
Glücksgriff mit 80.000 Kilometernauf der Uhr
Der hier zu Lande extrem seltene Volvo 760 Turbo mit nur 80.000 Kilometern auf dem Tacho entpuppte sich als wahrer Glücksgriff. Für die Schweden war er 1983 eher eine Notlösung. Denn die große Triebswerks-Harmonie wollte sich beim neuen Volvo- Flaggschiff mit Oberklasse-Anspruch nicht so recht einstellen. Der recht durstige Europa-V6 aus dem Vorgänger Volvo 264 läuft zwar bis 5.000/min leise und kultiviert, aber die Nennleistung von 156 PS ist ebenso bescheiden wie seine Drehfreude begrenzt.
Der parallel angebotene 2,4-Liter- Sechszylinder-Dieselmotor stammt aus dem VW-Audi-Baukasten und leistet dank Turbolader und Ladeluftkühler beachtliche 110 PS. Zu wenig, um vorn mitzumischen, außerdem war ein Oberklasse-Diesel damals noch nicht salonfähig. Bleibt also nur der 2,3-Liter-Vierzylinder- Turbomotor, um den kantigen Schweden auf prestigeträchtige 200 km/h zu beschleunigen. Basis ist der brave B 23-Motor, der von einem Garret Abgasturbolader mit maximal 0,55 Ladedruck kräftig angeschoben wird. Auf der Sollseite stehen der hohe Verbrauch, das Stigma des Vierzylinders, und damit die mäßige Laufkultur. Doch jenseits dieser damaligen Test- Prosa, die dem Volvo 760 nie wirklich gerecht wurde, bestimmen gut 20 Jahre später andere Eindrücke das Fahrerlebnis im Volvo 760 Turbo.
Großer, komfortabler und souveräner Reisewagen
Da ist speziell das unvergleichliche Raumgefühl des Volvo 760 ohne eingezogene Dachpfosten mit fürstlicher Innenbreite. Vor allem die Fondpassagiere genießen ein kommodes Sofa - man fühlt sich so geborgen wie in einem Erster-Klasse-Abteil. Die Sitzposition des Fahrers ist angenehm hoch, vor ihm eine Tischtennisplatte von Motorhaube. Das Cockpit vermittelt einen herben Lego-Charme, Hartplastik von der Abkantbank, in Interieurfarbe abgesetzt, die Spaltmaße des Handschuhkasten-Deckels samt aufklappbarem Schminkspiegel nahmen mit den Jahren zu. Der Funktionalität tut dies keinen Abbruch. Die Instrumente gefallen - üppig an der Zahl liegen sie blendfrei auf dem sprichwörtlichen Tablett. Das auffallend kleine Lenkrad im Volvo 760 hätte einen Lederbezug verdient, die servounterstützte Zahnstangenlenkung lässt beim Rangieren keine Wünsche offen und wird vom kleinsten Wendekreis der Luxusklasse unterstützt.
Die Schaltung trägt britische Züge, elektrischer Overdrive per Knopfdruck, exakt in der Führung, ist sie mit jenem Nachdruck zu bedienen, der Freude macht und die der Brite so treffend "Response" nennt. Der Volvo 760-Motor läuft weicher als die stets etwas rauen Saug-Vierzylinder von Volvo. Ab 3.000/min, wenn der Lader erstaunlich sanft einsetzt, schiebt der Wagen spürbar nach vorn. Auf Samtpfoten kommt er nicht daher, der Turbo ist noch eine Spur härter abgestimmt als der komfortbetonte Volvo 760 GLE. Schuld daran ist die hintere Starrachse, ein larmoyanter Tester-Vorwurf, den der Konzern bis 1987 demütig ertragen musste, dann zog bei den Limousinen die Multilinkachse ein. Dabei ist die Starrachse, die in der Werbung euphemistisch VCT (Volvo Constant Track) genannt wurde, so sorgfältig geführt und abgestimmt wie in einem klassischen Alfa Romeo. Was vom Volvo 760 Turbo in Erinnerung bleibt, ist das gute Gefühl eines großen, komfortablen, souveränen Reisewagens. Und die Bestätigung der Theorie, dass zu viel Perfektion dem Charakter schadet. Das Auto mit Ecken und Kanten hat auch Schwächen - das macht es so sympathisch.
Quelle: Motor Klassik
Damals hatte ich nacheinander zwei 740 Diesel Limousinen.
War immer ein geiles Fahren damit.
Allerdings waren die Autos beide recht anfällig in Sachen Motor (VW 6-Zylinder-Reihen-Diesel wie im LT) und in einigen Fragen der Bordelektrik.
Aber sonst Klasseautos mit riesig Fahrspaß.
Ich mag das Design.
Mein Kollege fuhr mehrere (740/760/960).
Meiner meinung nach solide und elegant.
wir hatten einen 760er Kombi (1986er) , einen 780er Bertone (1986er bis heute wunderschön!), und bis vor kurzem den dritten 740er Kombi.
Der starb dieses Frühjahr den Unfalltod bei knapp 500.000km - ohne vorherige nennenswerte Mängel (mir fällt nicht einen einzigen ein).
Selten bin ich in einem Fahrzeug wie dem 7er so "entschleunigt" unterwegs gewesen.
Unvergessen das satte "Plopp" wenn die Türen ins Schloss fallen.
Gruß Daniel
240er DLS Bj. 77, 240er Limo BJ 89, 740er Kombi Bj 1989 und jetzt 940er Kombi (mit Autogas). Ich frag mich, wo unsere persönlichen Alternativen für ein Leben nach den "Eisenschweinen" sind. Sicher nicht bei Volvo
Grüße
Es gab diese Autos gebaut in Schweden aber auch in Belgien.
Meine beiden kamen aus Belgien.
Vielleicht waren die aus Schweden doch noch besser als die aus Belgien?
Als der raus kam, habe ich gedacht, der ist es, was für ein Auto ! Und ihn als Firmenwagen in Erwägung gezogen. Bin aber dann doch bei einheimischen Marken geblieben und zumeist Chevrolet, Buick oder Oldsmobile gefahren.
Da das DDR Politbüro nicht Mercedes fahren durfte, liebten die führenden Genossen auch den Plüsch des 760 GLE Stretch.
http://www.ddr-mietwagen.de/index.php/volvo-760-gle-halbl
geiles auto, würde mir auch gefallen...
Heißt ja nicht umsonst: Die Knautschzone des Volvos sind die anderen Autos 😆
diese dinger sind potthäßlich. urschiach. grauslich.
ich hatte einen 740 benzin, einen 740 diesel und einen 760 benzin.
und ich hätte noch einen vierten, wenn man sowas noch unverrottet finden würde.
ich liebe häßliche autos.
Wir hatten 12 Jahre einen 740 Kombi, oder besser 745, mit dem 6 Zyl. Diesel und 82 PS. In Sachen Platz war dieses Auto unschlagbar, er war zuverlässig und sparsam. Auch heute freue ich mich immer wieder, wenn ich dieses Modell auf der Strasse sehe.
Durch seine große Front hatte der 745 auch auf der Autobahn ein gutes Image, die linke Spur wurde immer schnell geräumt. Es hätte dabei gar nicht so sein müssen, denn mit den 82 PS konnte man nur selten auf den Vordermann aufschliessen. Wenn er dann aber lief, dann bergauf und bergab gleich schnell.
Der Volvo war ein spitzen Fahrzeug, mit neuer Technik, ich würde ihn wieder nehmen - Die Form darf natürlich nicht geändert werden. Wie hieß es immer so schön : "Eine Aerodynamik wie ein Scheunentor"
Flemming
Hi, Ich bin von 1983 bis 1991 meinen Vater seinen 75er 245 DL sehr oft gefahren.
Herrlich dieser Langhuber, bei 345000km war dann Schluß. Mußte einem Passat Nasenbär weichen.
Ging damals aber noch für 1000DM nach Russland!
Ich werde diesem Wagen nie vergessen 😎
Gruß H
Das kann ich bestätigen.
Da war immer schnell Platz auf der Bahn.
Allerdings fand ich den Motor durchaus kräftig.
Ein schönes Reiseauto.
Jau. Und trotzdem bin ich mit meinen Beiden immer so um 7-7.5 ltr/100 km gefahren.
Sparsam waren die Motoren, aber wehe es war was dran.
Teuer, teuer und keine Teile vom VW LT haben gepasst.
War alles an Volvo adaptiert.
Keine Chance auf günstige Teile.
Generell waren es die Werkstätten und Händler, die mich letztlich von Volvo weggebracht haben.
Zu wenige, zu arrogant und zu teuer.
Jedenfalls für meinen Geschmack.
Und außerdem gibt es momentan am Markt sehr wenige brauchbare 740er, besonders wenige mit 82 PS Diesel