Kommentar: Kaufprämie für Elektroautos beschlossen
Die Elektro-Prämie zwischen Strohfeuer und Signalwirkung
Die E-Auto-Förderung bringt der Technik nicht den Durchbruch und hilft der Umwelt kaum - aber es gab schon schlechtere Symbolpolitik, findet MT-Redakteur Björn Tolksdorf.
Ein Kommentar von Björn Tolksdorf
Hast Du ein Problem, bewirf es mit Geld. So hält es der Ex-Nationaltorhüter Tim Wiese, der 2015 vor einem Friseursalon falsch parkte und dann einer Politesse das Bußgeld vor die Füße schleuderte. So halten es auch viele Unternehmen, wenn sie „investieren“.
Investieren will nun auch die Bundesregierung: in den Absatz von Elektroautos. Zum Unmut des Finanzministers. Wolfgang Schäuble lebt lieber nach dem Sprichwort „Spare in der Zeit, dann hast Du in der Not“ anstatt mit Geld zu werfen. 1,2 Milliarden Euro macht er nun dennoch locker, beziehungsweise: 600 Millionen, denn die Hälfte der Subvention steuert die Autoindustrie bei.
Bei einer Fördersumme von 4.000 Euro pro Elektroauto oder 3.000 Euro pro Plug-in-Hybridfahrzeug reicht die Summe für 300.000 bis 400.000 Anträge, dann ist Schluss. „Wenn Sie eine [Prämie] wollen, kaufen Sie schnell“, empfiehlt Wolfgang Schäuble.
Welches Problem genau bewirft die Regierung hier mit Geld? Es geht um die Umwelt, die Industrie, um Gesichtsverlust und um Ordnungspolitk. Allerdings: Ordnungspolitisch mag man dem Finanzminister kaum widersprechen, der bisher die Auffassung vertrat, das Verkaufen von Autos sei Aufgabe des Autohandels und nicht der Bundesregierung.
Industrie- oder Umweltpolitik?
Die Regierung steht allerdings im Wort, und zwar bei sich selbst. 2009 hatte Deutschland sich das Ziel gesetzt: Im Jahre 2020 soll eine Million Elektroautos auf deutschen Straßen fahren. Bisher sind es rund 28.000 Elektroautos, und die Zeit rennt – anders als der Absatz stromgetriebener Fahrzeuge.
Für wichtig hält die Bundesregierung die Elektromobilität aus zwei Gründen: Industriepolitisch kann Deutschland nur dann eine große Auto-Nation bleiben, wenn deutsche Autohersteller ihre Entwicklungen auf dem heimischen Markt verkaufen können. Der Rückstand bei der Elektromobilität gegenüber Frankreich oder Norwegen, vor allem aber Kalifornien und China, ist nicht wegzudiskutieren. Und: In Deutschland hängen mehr als 800.000 Jobs direkt an der Autoindustrie.
Umweltpolitisch ist die Gleichung simpler: CO2 ist schädlich für das Klima, und Elektroautos haben keinen Auspuff (wohl aber im Hintergrund einen Kraftwerksschlot) und produzieren (dort, wo sie fahren) weder CO2 noch andere Schadstoffe.
Zu Recht kritisieren Umweltverbände: Wer den Verkauf von Elektroautos fördert, der löst nicht das Problem von zu viel Verkehr in den Städten. Und er fördert eine Technologie, kein Umweltziel. Zu den verbrauchs- und schadstoffärmsten Autos am Markt gehören Vollhybride wie der Toyota Prius oder Kleinwagen mit Gasantrieb – für sie gibt es keine Förderung.
Strohfeuer mit Signalwirkung
Bleibt die europäische Komponente. Die deutsche Kaufprämie folgt den zwei anderen großen Märkten Großbritannien und Frankreich. In Großbritannien gibt es bis zu 6.600 Euro, in Frankreich sind es sogar 10.000 Euro – wenn dafür ein alter Diesel von der Straße verschwindet. Ähnliche Förderbedingungen in den größten EU-Märkten erleichtern der Industrie den Vertrieb und erlauben nettere Preise.
Das hilft dem Absatz – aber bedeutet es auch den Einstieg in den Ausstieg aus der Spritverbrennung? Experten der Universität Braunschweig bezweifeln das. Sie rechnen mit maximal 47.000 zusätzlichen Elektroautos durch die Prämie. Auch Bosch-Chef Volkmar Denner sagt: Solche Mittel entfachten am Markt keine nachhaltige Nachfrage, sondern nur ein kurzfristiges Strohfeuer.So ein Strohfeuer wäre ja schon mal was. Es würde aber voraussetzen, dass sich das Elektroauto – mit der Förderung – für Autofahrer rechnet. Die meisten Elektroautos wären pro Kilometer weiterhin vier bis zehn Cent teurer als ein konventionelles Fahrzeug, rechnet der ADAC vor.
Zweiter Minuspunkt: Das Gesamtpaket stimmt nur für eine begrenzte Personengruppe. Wer als Pendler nicht am eigenen Grundstück oder am Arbeitsplatz laden kann, für den bleibt das Elektroauto eine komplizierte Liebhaberei. 15.000 neue Ladepunkte werden da wenig helfen, zumal in der Fläche. Wer weitere Strecken fährt, braucht reichweitenbedingt ohnehin ein andere Auto.
Das Betreuungsgeld war teurer
Hinzu kommt: Der deutsche Autobestand erneuert sich nur langsam. Sechs Jahre beträgt die durchschnittliche Haltedauer, neun Jahre das Durchschnittsalter unserer Fahrzeuge. Die weitaus meisten Pkw befinden sich in Privatbesitz – aber nur wenige Privatkäufer leisten sich Neuwagen. Es ist daher klug, die Prämie ohne Abstriche für gewerbliche Autokäufer zu öffnen.
Zumindest im Flottenbereich könnte das Strohfeuer daher abbrennen, wenn die Hersteller attraktive Finanzierungsmodelle entwickeln. Der Umweltnutzen wäre gering, aber die erhoffte Signalwirkung ist damit möglich. Am Ende musste sich die Koalition einigen. 600 Millionen Euro für die Autoindustrie, das mag Schäuble nicht gefallen – aber es gab in seiner Amtszeit höhere Preise für politischen Zusammenhalt. Das Betreuungsgeld, ein Sonderwunsch der Regionalpartei CSU, sollte 900 Millionen pro Jahr kosten.
Alles Wichtige zur E-Auto-Prämie lest Ihr hier: 4.000 Euro Kaufprämie für E-Autos
Sehe ich auch so.
Wer rechnen kann, wird feststellen, dass sich diese mehr als bescheidene Prämie für die Mehrzahl der Privatkäufer nicht rechnet, wegen dem netto-Listenpreis als Bezugsbasis.
Im übrigen sind, wer die heutige Pressekonferenz verfolgt hat, weitere Erleichterungen in der Besteuerung usw. noch völlig unklar.
Und ob das im Bundestag gebilligt wird - großes Fragezeichen.
Gleiches trifft auf den Wunschgedanken zu, dass man die in D verloren gegangene Batterieforschung-/entwicklung- und fertigung "zurück" holen könnte.
Da hat man jahrzehntelang konfus gefördert, sich einlullen lassen, anstatt klare Ziele vorzugeben und steuerlich darauf abzustellen, wie beispielsweise zunächst die Hybridtechnik zu puschen und konsequent die Brennstoffzelle zu fördern und wenigstens zunächst in Ballungsgebieten auszubauen.
Schon allein aus klimatischen Bedingungen passt die reine E-Mobilität in unseren Breitengraden nur bedingt.
Und die Vorstellung, man könnte in Großstädten mit Ladestationen einen unter Umständen wachsenden Bedarf im Umkreis von vielleicht 300m in Großsiedlungen decken - die blanke Illusion.
Aber schön, dass die Gesamtheit der Steuerzahler denjenigen ein Bonbon spendieren darf, die es eigentlich gar nicht nötig hätten. Andernfalls könnte man beinahe auf die Verrückte Idee kommen, dass es Aufgabe der Industrie sei, ihre Produkte attraktiv zu gestalten.
Zum Glück ist die Prämie ja begrenzt auf Fahrzeuge bis max. 60.000€ "Basispreis". Solche Wagen wie mein XC90 T8 sind damit raus. Und ganz ehrlich, natürlich hätte ich die 3000 € beantragt. Aber davon hing meine Entscheidung nicht ab und die Signalwirkung, keine Cayennes und i8 damit zu fördern ist schon korrekt.
Ja Bosch...die haben schon die Hosen voll das Ihen das Verbrenner Geschäft wegbricht.
Es ist immerhin ein Anfang.
Bekanntlich beginnt jeder lange Marsch mit dem ersten Schritt...
Also bei 10.000€ Förderung würde ich mir auch ein Hybridfahrzeug zulegen, 3.000€ hingegen stellt keinen Kaufanreiz dar. Bei geschickter Verhandlung, bekommt man zurzeit mehr als 3.000€ Rabatt auf den Listenpreis.
Die Förderung wird wie bei der Abfrackprämie von den Hersteller als "Rabatt" gezählt und somit kein zusätzlicher Rabatt gewährt.
Unterm Strich keine Verbesserung für den Käufer.
… aber Volvo-Fahrer dürfen dicke Autos fahren, oder wie? 😆
Die 4k Prämie sollte es auch bei nem gebrauchten geben dann würde ich so nen i3 für 25k nehmen minus die 4k wäre ich bei 21k was noch vertretbar wäre aber einen neuen für 40k never 😆
Bei welchen Herstellern/Modellen?
Hier muß man aber auch bedenken, daß es die Förderung "on top" auf den rabattierten Preis gibt.
Dass Menschen Fördermöglichkeiten nutzen, die ihnen Angeboten werden, würde ich ihnen auch nicht vorwerfen wollen. Der Verzicht darauf wäre schön blöd.
Die Obergrenze von 60000 Euro schließt allerdings noch immer ein Segment ein, in dem ich Käufern keine finanziellen Sorgen vermute. Schieben wir Premium beiseite. Beim Toyota Auris läge der Aufpreis für den Plug-In nach Prämie bei 4000 statt 7000 Euro. Das macht den Kauf sicherlich attraktiver. Doch dann sieht es für mich trotzdem wie das besagte Bonbon aus. Es geht immerhin um Neuwagen.
Längerfristig kann man die Prämie sicherlich auch als kleine Spritze für den künftigen Gebrauchtwagenmarkt betrachten. Das wird sich zeigen.
Tolle Idee! Dann verkaufen wir uns Monatelang einen i3 hin-und her und zapfen jedes mal 2000€ ab bis der Fördertopf leer ist 😆
Diese Alternative wäre bei der Förderung der Elektromobilität genauso sinnfrei wie bei der Abwrackprämie im Jahr 2009.
Wäre es nicht so traurig, könnte man sich den Aktionsmus der Bundesregierung bei Popcorn im Kino angucken. Dabei haben wir doch kein Geld für sowas, dank der nachhaltigen* Pläne letztes Jahr sind die Griechen doch schon wieder pleite.
*hier Sarkusmusschild gehoben
Mir fehlt für diese Maßnahme jedwedes Verständnis. Wie Björn schon richtig schreibt handelt es sich nur um ein kurzes Strohfeuer. Ich arbeite im Fahrzeugfinanzierungsbereich. Die Auswirkungen der Abwrackprämie als Absatzförderung für die Autoindustrie habe ich damals aktiv miterlebt.
Das eine Jahr, in der es die Abwrackprämie gab, da lief das Geschäft richtig rund. Da waren wir mit unserem Personal absolut am Limit. Im nächsten Jahr durften wir uns dafür ausruhen. Da gab es nämlich überhaupt gar nix mehr zu tun. Das hat den Steuerzahler nur Geld gekostet. Die Gebrauchtwagenpreise sind damals in den Keller gerutscht (= Vermögensvernichtung der Bürger), und die Industrie und die Autohäuser haben sich ein Jahr lang gefreut, während die Autoverwerter hilflos mit dem Kopf geschüttelt haben: Denn da wurden nicht wenige gut erhaltene Fahrzeuge, die sogar mehr Wert waren als die besagte Prämie, sinnlos in die Presse gegeben.
Ich kann nicht nachvollziehen wieso man das Thema Elektromobilität nicht richtig angeht. Wieso kommen denn da nur so halbgare Lösungen? Wenn ich das vorhabe, dann beginne ich doch dort wo es die Probleme gibt. Die Infrastruktur fehlt! Nichts weiter.