Oldtimer: Alte Steuergeräte erschweren Instandsetzung
Die Hälfte aller Ersatzteile ist D.O.A. - bei Einbau kaputt
Wer einen Oldtimer aufbauen will, braucht technisches Geschick. Bei neueren Klassikern wird das nicht reichen. Denn wie lange hält die Software?
Brüssel/Stuttgart - Als 1967 die ersten Autos mit elektronischen Steuergeräten auf den Markt kamen, galt dies als Fortschritt. Oldtimer-Experte Stephan Joest sieht das weniger positiv. Er ist Referent bei der Fédération Internationale des Véhicules Anciens (FIVA), dem Weltverband der Oldtimerfreunde. Neben Komfortgewinn, Effizienz und Sicherheit bringen die Chips ein Risiko: "Während man einen rein mechanischen Motor irgendwie immer wieder zum Laufen bringt und rostiges Blech sanieren oder austauschen kann, lässt sich Software nicht so leicht reparieren."
Das Problem besteht bei manchen Oldtimer-Schmuckstücken aus den 60ern und 70ern wie dem Aston Martin Lagonda oder dem Mercedes Coupé 250 CE, dessen Steuergerät der Einspritzanlage allein schon 270 elektronische Bauelemente enthält. Betroffen sind aber vor allem Autos, die bald das Oldtimeralter von 30 Jahren erreichen. Wie der BMW 850i, der 1989 auf den Markt kam und eine für damalige Verhältnisse neuartige Fahrzeugelektronik besaß.
Alte Programmiersprache neu übersetzen
Je mehr Steuergeräte ein Auto hat, desto größer die Gefahr, dass es in 15 oder 25 Jahren nicht mehr als Klassiker gefahren werden kann, sondern nur noch als Ausstellungsstück taugt, warnt der Weltverband. In aktuellen Autos sind oft mehrere Dutzend, in Oberklasse-Modellen bis zu 100 Steuergeräte verbaut. "Die Herausforderung, klassische Fahrzeuge am Laufen zu halten, ist bei den künftigen Generationen größer denn je", sagt auch Fritz Cirener, Leiter der Bosch-Traditionsabteilung.
Weil die Software auf den Steuerchips genau wie bei Smartphone oder Computer in der Regel nicht lange abwärtskompatibel ist, fordert FIVA-Experte Joest eine gründliche Bestandsaufnahme, bevor es zu spät ist: "Wir müssen jetzt den digitalen Quellcode bewahren, damit wir ihn auch in Zukunft nutzen können." Dieser Appell ist in der Industrie langsam angekommen: "Wir haben das Thema auf dem Radar und suchen nach der richtigen Lösung", sagt Enno Pigge von Continental.
Denkbar wäre eine Emulation, also eine Art kompatibler Kopie alter Software mit neuer Sprache. Vielleicht auch neue Chips aus dem 3D-Drucker oder frei programmierbare Standardsteuergeräte. Oder revidierte Originale aus dem Ersatzteillager. Was das Beste wäre, vermag bei Continental noch niemand zu sagen. Zumal Pigge darauf hinweist, dass es für das Steuergerät eines Airbags oder eines elektronisch geregelten Bremssystems andere Kriterien gibt als für eine mechanischen Tachographen oder einen handvernähten Ledersitz: "Während es da vor allem um Authentizität und Ästhetik geht, reden wir hier zuvorderst über die Sicherheit."
Dead on Arrival
Dabei liegt das Problem nicht in der Software allein, sagt Klaus Reichert, Leiter von Mercedes-Benz Classic Service und Teile. Die könne man zur Not neu schreiben. Sondern es liegt an der begrenzten Haltbarkeit der elektronischen Bauteile: "Die Halbwertszeit eines Steuerchips ist leider deutlich kürzer als eines Kotflügels", sagt er. Außerdem sei der Alterungsprozess schlecht vorhersehbar. Anders als bei einem mechanischen Bauteil, hängt die Alterung nicht an der Betriebszeit. "Selbst im Ersatzteillager altern die Chips aufgrund physikalischer Diffusionseffekte", sagt Joest.
Er zitiert Statistiken, wonach von 40 Jahre alten Steuergeräten bereits die Hälfte schon beim Einbau nicht mehr funktionieren. Dieses "Dead on Arrival"-Phänomen kennt man auch bei Mercedes, prüft deshalb jedes Bauteil vor dem Einbau auf Herz und Nieren und hat mit den Zulieferern mittlerweile ein Verfahren entwickelt, mit dem selbst Leiterplatten repariert und einzelne elektronische Bauteile ausgetauscht werden können.
"Wir haben uns das erste Mal 2012 mit dem Thema auseinander gesetzt", sagt Reichert. Seitdem hat er mit Lieferanten verhandelt, die Spezialisten in der eigenen Entwicklung ausgemacht und Dienstleister gefunden, die Steuergeräte genauso überholen und restaurieren können wie andere einen Motor oder eine Karosserie. Und vor allem hat er eine Strategie der richtigen Vorratshaltung entwickelt. "Für die ersten elektronischen Young- und Oldtimer sind wir deshalb noch weitgehend lieferfähig", sagt er und ist guter Dinge, dass es auch in Zukunft so bleiben wird.
Auch VW und BMW beschäftigen sich mit dem Thema
Auch BMW widmet sich dem wachsenden Elektronikanteil im Oldtimer: "Neben sehr erfahren Mechanikern, die ihr Handwerk in der analogen Zeit erlernt haben, beschäftigen wir zunehmend jüngere Kfz-Mechatroniker, in deren Ausbildung der Umgang mit elektronischen Bauteilen einen großen Teil einnimmt", sagt Benjamin Voß. Parallel dazu rüsten sie ihr Werkzeug auf und sichern sich die Testgeräte, mit denen in Werkstätten Steuergeräte ausgelesen und überprüft werden.
VW-Klassikexperte Jörn Schwieger sagt: Auch in Wolfsburg mache man sich entsprechende Gedanken, lagere im großen Stil Teile ein, archiviere das Know-how und baue ein Netzwerk mit Zulieferern, Nachbauern und Reparaturexperten für elektronische Bauteile auf.
Reichert von Mercedes ist zuversichtlich, dass eine aktuelle S-Klasse oder ein AMG GT in 30 Jahren von der Klassiksparte genauso beherrscht werden wie heute ein 600er oder ein Flügeltürer aus den 50er Jahren. FIVA-Referent Joest warnt aber: "Wenn wir nicht aufpassen, werden in 20, 30 oder mehr Jahren aus Liebhaberfahrzeugen plötzlich Stehzeuge."
Weitere MOTOR-TALK-News findet Ihr in unserer übersichtlichen 7-Tage-Ansicht
Quelle: dpa
Ach wie schön Autos zu fahren die keine Elektronik besitzen, die "Elektronik" die die haben besteht höchstens aus einem Relais. Vielleicht auch einer der Gründe warum die so problemlos laufen...
Dank freie Software wie Megasquirt kann man sich auch von den originalen Steuergeräten verabschieden. Problem ist dass die Prüforganisationen diese nicht als sinnvoller Umbau anerkennt... H Kennzeichen damit verweigert/entfernt...
Und wie erkennt das der Prüfer?
gute frage. denn normalerweise bekommt man die in ein originalgehäuse gefrickelt😆
btw.: meine ältesten (digifant1) brauchten bisher nur ersetzte kondensatoren, zweimal war der noch mühelos (zumindest baugleich) erhältliche drucksensor hie. alles nur ein paar minuten lötarbeit.
interessanterweise stirbt an der elektriktrick eher was, je neuer sie ist.
😕🙄
Äh, ja, is klar. Das geht nur in Hollywood-Filmen in denen die Chips immer aus Silikon bestehen, weil die Übersetzer ihr Handwerk nicht verstehen. 😆
Wenn in gut abgehangenen Steuergeräten was verreckt, dann sind das IMHO ausgetrockenete Elkos und nicht ICs.
Gruß Metalhead
Würde ich nicht sagen. Mein Vater als Meister des entspr. Fachs div. TV von Kunden alle paar Jahre nachgelötet, obwohl die Dinger defakto nicht bewegt wurden -> im Betrieb warm -> dehnt sich aus -> über Nacht aus, wird kalt -> zieht sich zusammen -> Risse in Lötstellen...
Bei Computern im weitesten Sinne inkl. Videorecorder etc. reicht es aber wirklich meist die Elkos zu wechseln, evtl. billigerer Kram?
notting
Das erste Bild von dem Mercedes Steuergerät sieht aber auch schlimm aus. Das sieht aus wie selbst gebastelt, mit den ganzen Drähten und Brücken.
Multilayer und Autorouter waren damals wohl noch nicht soweit...
notting
Ich würde es anders ausdrücken, mechanische Probleme lassen sich leichter lösen, da fällt es weniger ins Gewicht, wenn sie eventuell öfter auftreten.
Autos ab 2000 werden nie zu Oldtimer.
Wenn schon nach 5 Jahren zentralsteuergeräte aufgeben, sind bei 30 Jahren alle kaputt und sowieso nicht mehr lieferbar.
... ist wahrscheinlich Wasser reingelaufen...
... weil durch eine Murkskonstruktion Wasser reinläuft...
... weil keiner sich um die Murkskonstruktion gekümmert hat...
notting
solang es sich "nur" um nen zünd und oder einspritzsteuergerät handelt ist das mit der Megasquirt und dessen derivaten sehr gut in griff haltbar
das deckt aber auch nur den bereich bis etwa ~1995 ab
den anderen kram wird`s aber schwer wie airbag , abs , esp , klima usw
Mfg Kai
Ja, schon klar aber die Dinger liegen ja nur rum und laufen nicht (also ich sprech von den Ersatzteilen um die es hier geht).
Gruß Metalhead
Du sprachst u.a. von ausgetrockneten Elkos, was IMHO vor allen durch entspr. Temperaturen, die oft auch im normalen Betrieb auftreten. Und wenn die in den Fahrzeugen verbauten Dinger höchstens durch ungewöhnliche Ereignisse kaputt gehen würden (z. B. Motorraum säuft ab), bräuchte man oft gar keine entspr. Ersatzteile ;-)
notting