Schwache BRIC-Wachstumsmärkte

Die Hersteller suchen das nächste große Ding

verfasst am Tue Oct 14 15:12:13 CEST 2014

Dynamisches Wachtum ist, was die Autobauer lieben. Aber derzeit schwächeln die wichtigsten Wachstumsmärkte. Und neue aufstrebende Märkte müssen erst noch erschlossen werden.

Der brasilianische Markt galt lange als sichere Wette, viele Hersteller haben hier investiert. Jetzt sinkt die Nachfrage und Währungsschwankungen fressen die Gewinne auf
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Hannover/Frankfurt - Eine Binsenweisheit in der Autobranche: Wer auf vielen Märkten gut dasteht, hat die wenigsten (finanziellen) Probleme. Denn nur so lässt sich das Auf und Ab in den Weltregionen kompensieren.

Auf welcher Autoparty am anderen Ende der Welt aber darf man nicht fehlen? Lange war das eindeutig. Brasilien, Russland, Indien und China - kurz die BRIC-Staaten genannt - waren die Boom-Märkte. Und sind nun, bis auf China, die großen Verlustbringer.

Wolf-Henning Scheider, Chef der Kfz-Sparte bei Bosch, sagt: "Ganz entscheidend für die Marktsituation sind unverändert die aufstrebenden Schwellenländer." Da sei Bosch stark aufgestellt. "Aber es kommen ja immer wieder neue Emerging Markets als Chance hinzu." Sie zu erschließen, sei "eine ständige Herausforderung".

Lange stabile Absätze, jetzt sinken die Neuzulassungen

In Indien leben 1,25 Milliarden Menschen. Eine echte Massen-Nachfrage nach teuren Autos fehlt trotzdem
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Die BRIC-Staaten garantierten ein Jahrzehnt lang stabile Absätze. Zwischen 2002 und 2012 stiegen die Absatzraten in Brasilien und Russland um jährlich 10 Prozent, in Indien sogar um 15 Prozent. Doch seit 2012 gingen die Neuzulassungen zurück.

Die Gründe: Die Wirtschaft wächst nicht wie erwartet, weniger Menschen kommen in neue Jobs - und Menschen mit ungewisse Zukunftsaussichten kaufen sich selten ein neues Auto. Vor allem in Indien fehlt außerdem die Infrastruktur, dort werden rund fünfmal so viele Motorräder wie Autos verkauft.

In Brasilien bleibt der erhoffte Schub durch die Fußball-WM und die anstehenden Olympischen Spiele aus. Und die russische Wirtschaft ist zu abhängig vom Gas- und Ölgeschäft. Sie hängt an schwankenden Rohstoffpreisen - dazu sorgt die Ukraine-Krise für Unsicherheit bei den Menschen.

Nur China verschonte die Branche bisher mit dramatischen Einbrüchen. Allerdings schrumpft dort das Wachstum, und auch das tut weh. "China ist auf dem Weg, sich zu einem 'normalen' Markt zu entwickeln", sagte BMW-Chef Norbert Reithofer auf dem Pariser Autosalon. Auch VW ist alarmiert, denn der Konzern ist insgesamt stark von China abhängig.

Was kommt nach BRIC?

Die Autobranche braucht also Alternativen, damit die Gewinne weiter sprudeln. Welche Länder und Regionen könnten denn demnächst große Lust auf neue Autos entwickeln? Bosch-Manager Scheider sagt: "Aktuell ist das besonders Südostasien." Diese Region wird auch Asean genannt. Danach sei Afrika "der nächste Kontinent, auf dem immer mehr Menschen ein Einkommen haben werden, das den Kauf eines Autos ermöglicht."

2009 eröffnete VW die Vollproduktion in Kaluga (Russland)
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Wie wird eine Region zum interessanten Schwellenmarkt? Die Rechnung klingt simpel. Wächst das Pro-Kopf-Volkseinkommen um 1.000 US-Dollar, dann steigt - statistisch - die Pkw-Dichte pro 1.000 Einwohner um 13 Autos.

Während die Werte in den Industriestaaten am oberen Rand liegen, rangieren die BRIC-Staaten, aber auch Asean-Länder wie Indonesien oder Thailand am anderen Ende der Skala. Gerade dort leben die meisten Menschen - und damit auch die meisten potenziellen Autokäufer.

Allerdings: Nicht jede Hoffnung erfüllt sich, schon gar nicht zum gewünschten Zeitpunkt. Es braucht einen langen Atem. VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh nennt Asean als Beispiel. "Wir haben uns eine Strategie überlegt, es gibt zu Asean schon lange Ideen im Vorstand."

Trotzdem spielt VW in diesem Markt bisher keine Rolle. "Wenn die Währung dort um ein Viertel nachgibt, müssen wir uns überlegen, wie wir das kompensieren. Schließlich wollen wir in dem Markt Geld verdienen."

Wachstumsmärkte unverzichtbar

In den nächsten Jahren werde das BRI von BRIC in der Versenkung verschwinden, sagt Autofachmann Stefan Bratzel. "Aber abschreiben würde ich sie noch lange nicht." Zu den Nachfolgern - ob nun Asean oder Afrika - gibt Bratzel zu bedenken, dass die Märkte langfristig von innen heraus entwickelt werden müssten.

Neue Fabriken bringen Menschen in Arbeit, Zulieferer siedeln sich an, Autocluster werden zu lokalen Wirtschaftsmotoren und heben das Wohlstandsniveau. In China brauchte VW dafür rund 30 Jahre.

Und so lange dieser Prozess dauert, bleiben die gesättigten Märkte in Europa und Nordamerika wichtige Stabilisatoren. "Wenn man dort schwach ist, wird man insgesamt immer verwundbarer", sagt Bratzel. Das große Wachstum allerdings solle aus diesen Märkten niemand mehr erwarten.

Denn das Wachstum findet woanders statt: Im Jahr 2000 wurden nach Zahlen des Analysehauses LMC Automotive weniger als ein Viertel aller Autos außerhalb der alten Industrienationen verkauft. Schon dieses Jahr wächst der Anteil auf 54 Prozent. Die etablierten Märkte bleiben heute unter dem Niveau des Jahres 2000.

VW präsentiert sich in Peking: Der Konzern ist stark abhängig vom größten Automarkt der Welt
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2009 eröffnete VW die Vollproduktion in Kaluga (Russland)
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