Polizei geht gegen Handy-Verstöße am Steuer vor

Die unterschätzte Unfall-Gefahr

verfasst am Tue Jun 14 14:01:04 CEST 2016

Trotz Handy-Verbot am Steuer greifen Autofahrer häufig zum Telefon. Die Polizei versucht, gegenzusteuern und schaut den Verkehrsteilnehmern öfter auf die Finger.

Viele Autofahrer missachten das Handy-Verbot am Steuer. Die Polizei ist über die Entwicklung besorgt und verstärkt die Kontrollen
Quelle: picture alliance / dpa

Freiburg - Hand und Ohr am Mobiltelefon, die Gedanken beim Gesprächspartner: Vom Straßenverkehr bekommt die junge Mutter am Lenkrad wenig mit, ihre Konzentration gilt dem Telefonat. Als die Polizei ihr Auto von der Straße winkt, hat sie Mühe, rechts ranzufahren. Mit einer Hand lenkt es sich schwer. "Ich weiß", sagt sie den Polizisten: "Aber es ist wichtig." Und telefoniert weiter, ohne die Beamten zu beachten. Die Polizei, die am Straßenrand eine Kontrollstelle eingerichtet hat, muss warten.

"Wir haben es mit einem Phänomen zu tun, das uns große Sorge bereitet", sagt Peter Veeser. Der 60 Jahre alte Erste Hauptkommissar ist Leiter der Verkehrsüberwachung im Polizeipräsidium Freiburg, seit 37 Jahren ist er Verkehrspolizist. "Die Ablenkung am Steuer hat eine Dimension angenommen, wie wir sie bislang nicht kannten", sagt er. "Dadurch steigt die Unfallgefahr." Die Polizei versucht nun, gegenzusteuern - und hat den Kampf gegen Handy-Nutzung am Steuer, zum Beispiel in Baden-Württemberg, zu einem Schwerpunkt gemacht.

Risiko ist Autofahrern nicht bewusst

Die Handy-Nutzung am Steuer vermindert die Aufmerksamkeit der Autofahrer. Polizeibeamte wie Peter Veeser sind um Aufklärung bemüht
Quelle: picture alliance / dpa

Gemeinsam mit Kollegen kontrolliert Veeser Autofahrer, die während der Fahrt zu Handy, Smartphone oder Tablet greifen - an diesem Tag in Freiburg. Im Minutentakt ertappt ein Beamter in Zivil Verkehrssünder, Veeser winkt sie mit der Polizeikelle an den Straßenrand.

"Früher diente das Handy allenfalls zum Telefonieren", sagt der Polizist: "Mit zunehmender Digitalisierung und verbesserter Technik sind die Geräte mittlerweile zum ständigen Begleiter geworden und werden auch beim Autofahren genutzt." Es wird telefoniert, getippt, gegoogelt, gechattet, gewischt, gesurft, gescrollt - während der Fahrt. Doch das ist verboten. Die Polizei hat ein Auge darauf.

Besonders dreist ist an diesem Tag ein Mann. Er telefoniert mit dem Handy in der linken Hand, hält in der rechten Hand seinen morgendlichen Frühstückskaffee und lenkt mit seinen Knien das Auto durch den dichten Stadtverkehr - ein gefährliches Manöver.

"Die Gefahr, die durch Ablenkung am Steuer ausgeht, wird unterschätzt", sagt Veesers Kollege Markus Häringer. "Wir wollen deshalb sensibilisieren und auf das hohe Unfallrisiko, das durch Handy-Nutzung ausgeht, aufmerksam machen."

Viele Unfälle auf Ablenkung zurückzuführen

Verlässliche Zahlen gibt es nicht, die Dunkelziffer ist groß. Der ADAC schätzt, dass in Deutschland jeder zehnte Unfall auf unzulässige Handy-Nutzung am Steuer zurückzuführen ist. Laut Europäischem Verkehrssicherheitsrat steigt das Unfallrisiko durch die Ablenkung um das 23-Fache.

"Die meisten Autofahrer wissen genau, wieso wir sie anhalten. Sie wissen, dass es verboten ist - machen es aber trotzdem", sagt Polizist Häringer. Regelmäßige Kontrollen könnten helfen, ein Umdenken zu erreichen und so die Verkehrssicherheit zu erhöhen.

Das Telefon in der rechten, das Lenkrad in der linken Hand: Vielen Autofahrern ist nicht bewusst, welches Unfallrisiko ein kurzer Blick auf das Handy birgt
Quelle: picture alliance / dpa

Schreibt ein Autofahrer zum Beispiel eine SMS, verlangt dies laut einer Studie der Technischen Universität Braunschweig 70 Prozent seiner Aufmerksamkeit, das Telefonieren rund 62 Prozent. "Diese Aufmerksamkeit hat er dann nicht für den Straßenverkehr", sagt Veeser: "Bremst vor ihm ein Fahrzeug ab oder rennt gar ein Kind auf die Straße, reicht es nicht mehr, um zu reagieren." Zwei Sekunden Ablenkung bei Tempo 50 bedeuteten mehr als 27 Meter "Blindflug".

Umgehende Bezahlung fördert Lerneffekt

Fahrer, die mit Handy in der Hand ertappt werden, erhalten von den Polizisten mahnende Worte. Sie müssen 60 Euro Bußgeld bezahlen und bekommen einen Punkt in der Zentralen Verkehrssünderdatei in Flensburg. Kassiert wird bei den Kontrollen meist vor Ort.

"Wir wollen damit erreichen, dass Autofahrer über ihr Verhalten nachdenken", sagt Häringer: "Die Alternative ist, dass Wochen nach der Kontrolle per Post ein Bußgeldbescheid kommt. Der erzieherische Effekt ist dann weitaus geringer, als wenn direkt nach dem Verstoß bezahlt werden muss." Doch abschreckende Wirkung habe die Geldbuße meist nicht, sagen die Beamten. Höhere Strafen würden besser wirken. Zahlen müssen übrigens nicht nur Auto-, sondern auch Radfahrer.

Weitere MOTOR-TALK-News findet Ihr in unserer übersichtlichen 7-Tage-Ansicht

Die Handy-Nutzung am Steuer vermindert die Aufmerksamkeit der Autofahrer. Polizeibeamte wie Peter Veeser sind um Aufklärung bemüht
Quelle: picture alliance / dpa
Das Telefon in der rechten, das Lenkrad in der linken Hand: Vielen Autofahrern ist nicht bewusst, welches Unfallrisiko ein kurzer Blick auf das Handy birgt
Quelle: picture alliance / dpa