Christian Petzoldt: Autopflege-Star im Portrait
Dieser Mann lehrte die Deutschen, das Auto zu kneten
Deutsche Autofahrer polieren zu häufig und wachsen zu wenig. Sagt Autopflege-Guru Christian Petzoldt. Er beschäftigt sich seit mehr als 40 Jahren mit Lacken und ihrer Pflege.
Hagen – Die Oberfläche ist glatt wie eine Glasscheibe. Auf dem weißen Lack bleibt nichts haften, weder Fliegendreck noch Wasser. Wenn Christian Petzoldt über die Oberfläche seiner Stingray C3 streichelt, hat das etwas Magisches. Der heute 62-Jährige arbeitet nicht nur mit Lacken, er versteht und durchschaut sie. Und tüftelt seit mehr als 40 Jahren an neuen Produkten, um einen immer besseren Glanz zu erzielen.
Lack- und Polierguru wurde Christian Petzoldt durch Zufall. Als gelernter Schreiner kam er schon früh mit Oberflächen in Berührung, die er schliff, lackierte und polierte. Sie sollten möglichst glatt sein, wie die Oberfläche von Glas. Nebenbei lackierte er Motorräder und Autos. Nicht mit normalen Unifarben, sondern mit Effektlacken. Dafür baute er sich eine eigene Lackierkabine.
1977 gewann sein umgebauter BMW Chopper Preise, stand 1978 auf der Essener Motorshow. Sein Motorrad war seine größte Leidenschaft – und wurde ihm 1981 zum Verhängnis. Nach einem schweren Unfall lag Petzoldt fast ein Jahr im Krankenhaus, danach konnte seinen Beruf als Schreiner nicht mehr ausüben.
Für den elterlichen Betrieb war das eine Katastrophe. Doch Christian Petzoldt suchte sich eine neue Tätigkeit, als Grafikdesigner in einer Werbeagentur. Dort spritzte er mit Airbrush-Pistolen seine Entwürfe und Zeichnungen. Nebenbei lackierte er weiter Hotrods und Dragster mit aufwendigen Farben. In der Szene machte ihn das bekannt.
Karrieresprung an der Tankstelle
1988 fragte die US-Firma Metalflake ihn an. Ob er nicht den Vertrieb für Deutschland übernehmen könne. Petzoldt konnte. Die Lacke mit den Glimmerpartikeln waren damals in der Tuningszene sehr beliebt – die 80er eben. Auf Automessen bereitete er nebenbei auch Ausstellungsfahrzeuge vor – ohne Wasser, dafür mit speziellen Mitteln wie Detailern.Er schliff bei edlen Sportwagen mit bis zu 3000er-Papier feinste Fehler heraus, polierte die Oberflächen glasglatt. Unter den begeisterten Auftraggebern waren Größen wie Ferrari und Brabus. In der Folge besuchte Petzoldt die Produktionswerke fast aller deutschen Hersteller und gab dort seine Vorstellung einer perfekten Oberfläche weiter.
Der Hagener vertiefte sich weiter in die Materie, suchte und fand neue Lösungen auf der Suche nach der perfekten Oberfläche. Die angesammelte Kompetenz und seine Überzeugungskraft steigern seine Bekanntheit in der Tuningszene enorm. Und doch sind es die Zufälle, die seine Karriere weiter fördern.
Eines Tages an einer Tankstelle in Venlo (Niederlande) etwa sprach ihn beim Einsteigen in sein Auto ein Reisender an, dem der Lack von Petzoldts Auto aufgefallen war. Der Reisende entpuppte sich als der Europachef von Meguiar`s, einem der bekanntesten Pflegemittelhersteller der USA. Er kann nicht fassen, wie Petzoldt so eine Glätte hinbekommt. Ein paar Wochen später wird Petzoldt der erste Generalimporteur für die amerikanischen Produkte. „Christian is a Master Painter“, schrieb ihm der Besitzer später per Brief.
Knete und Mikrofaser
Petzoldt entdeckt 1997 die Reinigungsknete bei Lexus in Japan und importiert sie. „Die ist immer noch genial, da sie wirklich alle Rückstände auf dem Lack entfernt. Danach entstehen beim Schleifen und Polieren weitaus weniger Hologramme“, sagt er. Er sieht weiter Verbesserungspotenzial, und einen Markt für bessere Autopflegeprodukte. 2000 startet er mit einer eigenen Pflegeserie, lässt die Mittel nach seiner Rezeptur fertigen.
Mit den Microfasertüchern schafft er 2003 eine kleine Sensation auf dem Pflegemarkt. „Die Faserstruktur ist viel feiner als bei Baumwolllappen, die nehmen mehr auf, sodass sich die Oberfläche spurenfreier bearbeiten lässt“, sagt Petzoldt. Doch die importierten Lappen genügen seinen Anforderungen nicht. Er entwickelt sie weiter, lässt Microfasertücher ohne harte Kanten produzieren. Dabei kommt es ihm nicht auf den Verkaufserfolg an, sondern auf ein möglich perfektes Erlebnis. Der Erfolg stellt sich trotzdem ein. 2003 erhält er auf der Tuningmesse Sema in Las Vegas einen Pokal für die höchste Steigerungsrate beim Verkauf.
Ein Ende der Optimierung scheint nicht absehbar. Tüftler eben. 2014 entwickelt Petzoldt mit einem Waschmittelhersteller ein spezielles Waschmittel für seine Tücher. Es verhindert, dass die Fasern verkleben und verlängert damit das Leben der Tücher. Seine Waschhandschuhe lässt er in Deutschland produzieren. Mit dem speziellen Dichtmittel Krytox aus den USA werden alte Dichtungen wieder geschmeidig und halten dicht.
Gleichzeitig gibt er sein Wissen weiter, wird Dozent für innovative Fahrzeugpflege bei der Handwerkskammer Hannover und schreibt Bücher über sein Lieblingsthema. „Ich versuche, die Fahrzeugpfleger zu sensibilisieren. Bei modernen Autos haftet so wenig Lack auf dem Blech, das ist bei falscher Bearbeitung schnell runterpoliert“, sagt er.
Pflege für die 11 Prozent
Ihn treibt das perfekte Resultat an. „Ich will besser werden, sehe aber auch Fehler auf Oberflächen, die sonst keiner sieht“, erklärt er. Für das perfekte Ergebnis seien aber nicht nur das Produkt und das Werkzeug entscheidend, sondern der Mensch. „Ein guter Polierer kann mit mittelmäßigem Werkzeug gute Ergebnisse erzielen, bei einem weniger Talentierten mit schlechten Mitteln wird das nie was“, sagt er. Um die Mittel und das Werkzeug auszuprobieren, fängt er immer auf der Beifahrerseite unten an, arbeitet diagonal, um möglichst Hologramme zu vermeiden.Seine Kunden sind nicht nur professionelle Aufbereiter und Lackprofis, sondern auch Autoenthusiasten. Mitglieder in Autoclubs, die viel Zeit mit der Fahrzeugpflege verbringen und ihr Fahrzeug möglichst lange perfekt erhalten wollen. „Mir hat mal Berry Meguiar gesagt, dass nur elf Prozent für 80 Prozent des Umsatzes verantwortlich sind. Die will ich bedienen“, sagt er.
Petzoldt selbst wäscht seine Autos wie seinen Alltags-Smart wöchentlich oder dann, wenn sie schmutzig sind. Vogelkot wischt er sofort ab, sonst brenne sich der Dreck nach spätestens zwei Stunden in den Lack und er muss ihn speziell behandeln. Wie lange ein Lackschutz halte, könne er nicht verallgemeinern.
„Laternenparker müssen wegen Insektenresten und Baumharzen mehr auf ihren Lack aufpassen, ebenso Autobahnfahrer. Ab 180 km/h zerstört jeder noch so kleine Stein die Oberfläche“, sagt er. Ein gutes Autoshampoo und eine Wachsversiegelung reichen meist aus, damit das Wasser von der Oberfläche zwei bis drei Wochen abperlt. Endkunden empfiehlt er Wachse, weil sie fehlerfrei aufzutragen sind und etwa fünf Handwäschen halten. Lackversiegelungen mit Polymeren, Coatings und Nano halten zwar länger, müssen aber aufwendiger und genauer verarbeitet werden.
Poliermaschinen nur für Profis
Seiner Meinung nach sei Autopflege heute wichtiger denn je. Moderne Lacke benetzen das Blech nur noch superdünn. Deshalb lassen sie sich nicht beliebig oft polieren. Wenn der Klarlack mit UV-Schutz abgetragen wird, verliert der darunterliegende Lack schnell seinen Glanz und gleichzeitig die Bindemittel für die Lackhaftung. Um Kratzer, Hologramme und Schlieren zu vermeiden, empfiehlt er deshalb zusätzlich zur häufigen Fahrzeugwäsche den Einsatz von Reinigungsknete und das Arbeiten mit Microfasertüchern. Wenn die Oberfläche gut aussehe, soll der Besitzer sie nur konservieren. Beispielsweise mit einem Wachs.Er rät, bei der Pflege immer erst mit milden Mitteln und Werkzeugen anzufangen und sich langsam zu steigern. Zu Poliermaschinen rät er nur Profis, denn Ungeübte können damit viel falsch machen. „Handpolieren ist die gefühlvollere Art. Diagonal gegen die Waschspur, mit verschieden harten Schwämmen und Mitteln. So bekommen auch Anfänger ein gutes Ergebnis zustande“, sagt er.
Petzoldt ist kein Verkäufer, eher ein Entwickler. Ein Überzeuger, der nebenbei seine Produkte verkauft. Seine Lieblingsfarben leuchten Blau, Perlmuttweiß oder Candy Apple Red von Metalflake. Bei seiner Arbeit am Blech verzichtet er auf Schmuck und Musik. Die würden entweder das Fahrzeug verkratzen oder ihn ablenken. Der Hagener liebt Farben, Lacke und Oberflächen. Wie den perfekten Glanz seiner Stingray.
Vom Profi: 5 Tipps zur perfekten Fahrzeugpflege
1) Waschstraße oder Handwäsche?
Fahrzeuge mit harten Konturen oder tiefen Sicken bereiten Waschstraßen Probleme. Die zerklüftete Karosserie irritiert die Waschsensoren. Sie schrubben dann an den Kanten zu viel und in den Ecken zu wenig. Petzoldt rät zu einer Handwäsche mit viel Wasser, am besten in zwei Eimern verteilt. Einer zum Auswaschen des Schwammes, der andere gefüllt mit speziellem Fahrzeugshampoo. Nach der Wäsche spült viel Wasser das Fahrzeug gründlich sauber.
2) Vor der Politur kommt die Knete Wenn die Oberfläche rau, blass oder verwittert ist, hilft nur eine Politur. Eine Politur enthält in der Regel Schleifmittel. Die entfernen kleine Kratzer, glätten den Lack und tragen verwitterte Lackschichten ab. Fühlbare Ablagerungen müssen vor dem Polieren runter vom Blech. Petzoldt empfiehlt Reinigungsknete, die Schmutz und feinste Pigmente aufnimmt, damit eine glasähnliche Oberfläche entsteht. Anschließend lässt sich das Blech polieren.
3) Hologramme vermeiden Dafür sind meist milde Polituren geeignet, die mit weichen Lappen oder speziellen Schwämmen aufgetragen werden. Die meisten Hologramme entstehen beim Polieren, wenn sich der Straßendreck auf dem Blech löst und übers Blech schrubbt. Lassen sich schon welche in der Sonne oder starkem Licht erkennen, rät der Experte zum entgegengesetzten Arbeiten.
4) Guten Lack versiegeln Wenn die Finger leicht übers Blech gleiten ohne Partikel zu spüren, reicht ein Wachs oder eine Lackversiegelung. Ein Wachs enthält keine Schleifmittel und gibt dem Lack durch eine Versiegelung eine hohe Oberflächenglättung, eine Farbauffrischung und eine zusätzliche Schutzschicht vor Witterungseinflüssen. Natürlicher Wachs hält fünf bis sieben Handwäschen, künstliche Wachsversiegelung mit Polymeren bis zu einem Jahr. Einfache Lackversiegelungen für Vielfahrer sind meist gut abgestimmt und lassen sich einfach verarbeiten.
5) Wann und wie oft waschen? Wie oft Autofahrer ihr Blech pflegen sollten, hängt von der Fahrweise und dem Einsatzort ab. Fahrzeuge in der Stadt sind mehr Schadstoffen ausgesetzt als Autos, die auf dem Land gefahren werden. Das Regenwasser ist härter (laugenartiger) und greift schneller den Lack an. Autobahnkilometer-Fresser sammeln besonders in der Front viel Staub und Dreck ein. Unter Bäumen geparkte Autos verdrecken mit Harz und Vogelkot. Besonders Letzterer sollte so schnell wie möglich runter, sonst kann sich der Dreck in den Lack einfressen.
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Bild 11 ist ein C107 SLC ;-)
MfG
Lesenswert, hat sicher alles seine Berechtigung, für Enthusiasten, Autohändler, optische Tuner oder ... Putzkranke.
Jede Woche das Auto waschen, klar freut sich da die Industrie.
Unser Auto ist Garage gewöhnt. Ein paar wenige Autowäschen im Auto, Innenreinigung nach Verschmutzung. Der Lack ist für mich Rostschutz, Optik egal. Verkauft wird die A-nach-B Kiste in einem Alter, bei dem der Lackzustand irrelevant sein wird. Wozu Geld reinstecken?
Hauptproblem für den Lack unseres Autos sind angrenzende Parker: Kratzer und Schleifspuren. Finde ich normal für ein Alltagsauto.
Wenn ich lese, das moderne Lacke nur hauchdünn sind, soll ich als Laie daran ernsthaft herumpolieren? 😉
Interessante Vita hat der Mann. Gefällt mir, kein Laberer, ein Macher 😉
Ja, das sehe ich mittlerweile auch so. Früher habe ich das Auto jede Woche gewaschen. Bei dem ersten Neuwagen habe ich dann damit aufgehört. Nach der 1. Handwäsche 2 Wochen nach Kauf war schon alles voller Swirls, ich habe halt irgendwie kein Händchen dafür. Seitdem gibt´s zu Salzstreu-Zeiten 1x im Monat die Waschanlage mit Unterbodenprogramm und im Sommer eigentlich nur Innenreinigung. Das letzte mal war ich glaube Anfang Mai in der Waschstraße. Überhaupt sind moderne Waschstraßen mit Textilbürsten/Lappen viel schonender zum Lack als ein ungeübter Handwäscher.
Wenn ich das gesparte Geld für irgendwelche tollen Pflegemittelchen rechne, dann lasse ich den nach 6 Jahren einmal professionell polieren und konservieren und gut ist. Das reicht dann noch mal 6 Jahre und dann bin ich eh fertig mit dem Auto.
Alltagsauto hin oder her. Wenn das mit den Fremden Dellen zu viel wird stört das schon.
Aktuell rechte Seite 4 durch Türen 1x Schleifspur und einen Tritt in den Hinteren Kitflügel ca. 10cm Delle.
Wenn ich mein Geld damit verdienen müsste würde ich das auch sagen.
Tue ich aber nicht, in keinster Weise 😉
Das Auto als Statusobjekt hat in Deutschland (bis auf wenige Ausnahmen) ausgedient.
Man will / muss nicht mehr seinen Nachbarn beeindrucken und ein dickes Auto zeugt schon lange nicht mehr (in meinen Kreisen) von Wohlstand.
Man trägt den Pelz nach innen,wie man so schön sagt.
Der Fuhrpark wird trotzdem regelmäßig gereinigt,aber das regelt in erster Linie die Waschanlage (Waschen auf Privatgrundstücken ist meist eh verboten) und bei sichtbarem Lackverschleiß wird auch mal poliert,aber sicherlich nicht in stundenlanger Handarbeit.
Dafür ist das Auto mittlerweile zu sehr Gebrauchsgegendstand geworden.
Und,nur weil der Lack toll glänzt,ist der Rest des Wagens nicht zwangsläufig auch top.
Hab da schon so manche technische Ruine gesehen,aber der Lack war klasse🙄
"Wir tanken zu wenig" sagt Shell
" Wir wechseln nicht häufig genug Öl" sagt Castrol
" Wir kaufen nicht genug Autos" sagt MB/BMW/VW
Toller Artikel. springt in seiner Erzählweise nur so zwischen den Zeiten hin und her 🙄
Hier ein typisches Beispiel:
Total ermüdend das für den Leser. Mal wieder mit der heißen Nadel gestrickt der Artikel und nicht noch einmal zur Korrektur durchgelesen, bevor er schnell, schnell veröffentlicht wird???
Oh, oh. wenn das mal nicht ein Widerspruch in sich ist: Autopflege und Star 😆
Ja sicher wird das Wasser, das in der Stadt als Regen herniederfällt auch in der Stadt in die Wolken aufgesogen genauso wie Luftschadstoffe aus der Stadtluft allein auf die Stadt niederrieseln 🙄
So sie denn überhaupt wasserlöslich sind und den Wassertropfen nicht entfliehen.
Industrie steht nicht nur in der Stadt und die hohen Schornsteine haben den Effekt, dass die Schadstoffe erst in vielen Kilometern entfernt (was mehrere tausend sein können) wieder runter kommen. Mit anderen Worten: auf dem Land ist man vor Schadstoffen nicht sicherer 😉
Ich habe den Tpyen mal persönlich in Hagen besucht, ihm mein Auto gezeigt und er hat mir dann die richtigen Mittel rausgesucht. Ich bin begeistert und immer, wenn mal was leer wird, bestelle ich bei ihm nach.
Absolut korrekte Verwendung des Plusquamperfekt 😉
Selbst wenn er viel von Lackpflege verstehen mag, sein Autogeschmack scheint aber seit Jahrzehnten bestens ins Rotlichmilieu zu passen. Die richtigen Lacke für die richtigen Ludenautos. Gute Lacke bedeuten alleine noch lange kein optisch wertiges Auto... Ist leider so.
Gruß Michael
Nicht in Deutschland, wo man schwarz, silber, weiß oder mal experimentell kackbraun oder grundierungsgrau bestellt. 😆