Deutsche Fahrschulen auf der Suche nach Perspektive
Digitalisierung als Chance für die Retro-Branche
Das Durchschnittsalter der deutschen Fahrlehrer steigt, die Zahl der Betriebe sinkt - eine Branche in der Krise. Ausgerechnet die digitale Auto-Zukunft soll das ändern.
Stuttgart/München – Wer durchs Schaufenster von Fahrschulen schaut, sieht oft alte Modellautos, angegilbte Gardinen und graubraune Teppiche. Den Sprung ins 21. Jahrhundert hat die Branche vielerorts optisch nicht geschafft, und der Eindruck trügt nicht. Die Fahrschulbranche steckt in der Krise. Die Fahrlehrer sind zu alt, die Zahl der Prüfungen sinkt und beinahe wöchentlich schließt irgendwo ein Betrieb.
Legten die Deutschen 2007 noch 1,37 Millionen Prüfungen für den Autoführerschein ab, waren es sieben Jahre später nur knapp 1,15 Millionen. Die Zahl der Betriebe sank seit 1999 von 14.000 auf 11.900. Und das Personal? "Völlig überaltert", sagt der Vorsitzende des Bundesverbands deutscher Fahrschulunternehmen (BDFU), Rainer Zeltwanger, in Stuttgart. Laut Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände (BVF) sind drei von vier Fahrlehrern älter als 45 Jahre, fast jeder Dritte sogar älter als 60 Jahre. Nachwuchs ist nicht in Sicht.
Die Branche fühlt sich von gesellschaftlichen Entwicklungen überrollt: Als Statussymbol habe das Auto für viele junge Menschen ausgedient, sagt der BVF-Vorsitzende Gerhard von Bressensdorf. Vor allem in Großstädten sei der Führerschein heute oft überflüssig. Oder, wie Zeltwanger es ausdrückt: "In der Stadt ist ein Auto Mist."Digitalisierung als Chance
Am Horizont droht zudem das nächste großen Ding, das autonome Fahren. Für die Fahrschulzunft eine Existenzfrage: Braucht man den Führerschein überhaupt noch, wenn das digital vernetzte Auto künftig von alleine fährt?
Es erstaunt, aber ausgerechnet die Digitalisierung sieht die Branche als neue Hoffnung. Gerhard von Bressensdorf sagt: „Ich denke, dass es immer noch einen großen Bereich gibt, wo der Fahrer in der Verantwortung ist.“ Der Fahrer müsse die Assistenten verstehen und im Notfall schlagartig eingreifen können.
Dementsprechend werde sich das Berufsbild des Fahrlehrers ändern. „Die Systeme müssen verstanden und gelehrt werden“, sagt von Bressensdorf. Fahrlehrer würden mehr und mehr zu Coaches, die Technik erklären, meint Kollege Zeltwanger.
Dieses neue Profil könnte den Beruf für Jüngere wieder attraktiv machen, glaubt von Bressensdorf. Denn Nachwuchs wird händeringend gesucht. Jetzt schon würden ältere Fahrer regelmäßig nach Schulungen für neue Assistenzsysteme fragen, sagt Zeltwanger. Überflüssig, da sind sich beide Branchensprecher natürlich einig, werden Fahrlehrer in absehbarer Zeit nicht.
Der Fahrer wird zum Piloten
So sieht man es auch im zuständigen Verkehrsministerium: In allen Stufen bis zum automatisierten Fahren sei die Anwesenheit eines Fahrers erforderlich, der bei Bedarf die Kontrolle über den Wagen übernimmt, heißt es aus Berlin. Erst bei der höchsten Automatisierungsstufe übernehme das System das Fahrzeug vollständig. Doch das ist Zukunftsmusik.
In der Stadt kommt das vollautomatisierte Fahren laut Verband der Automobilindustrie (VDA) voraussichtlich erst ab 2030. Bis der Großteil der Flotte auf deutschen Straßen autonom fährt, wird es noch viel länger dauern. Und selbst dann muss der Fahrer im Notfall immer noch sein Fahrzeug beherrschen können.Ulrich Chiellino, Verkehrspsychologe des ADAC in München, vergleicht den Autofahrer der Zukunft mit dem Piloten von heute: „Der fliegt auch automatisiert, ist aber hin und wieder gezwungen, die Maschine zu übernehmen.“
"Der Fahrlehrer wird weiter gebraucht", sagt VDA-Sprecher Eckehart Rotter. Aufgabe des Fahrlehrers sei auch, jungen Menschen deutlich zu machen, wie viel Aufmerksamkeit der Straßenverkehr erfordert. Im Notfall trage der Fahrer auch künftig die Verantwortung für seinen Wagen. "Er ist der Chef und er bleibt auch noch viele Jahre der Chef. Allerdings wird er von immer mehr Assistenten unterstützt."
Überrollt? *lol*
Das war abzusehen - selbst für einen Blinden mit Krückstock!
Zum einen hat sich die Bundeswehr in den letzten 20Jahren massiv verkleinert, deswegen auch weniger Fahrlehrer ausgebildet die nun den Fahrschulen zur Verfügung stehen...
...zum anderen, warum sollte jemand mehrere zehntausend €uro an privaten Mitteln in die Fahrlehrerausbildung stecken und sich danach im Rahmen eines 480€ "Aushilfsfahrlehrer-Job" an 6Tagen in der Woche zwischen 12-16h ins Auto setzen?
Mir sagte ein bekannter Fahrlehrer, dass es keinerlei Sinn macht, am Betrieb weiter festzuhalten: Es sind zu wenige Auszubildende vorhanden und es werden immer weniger. Der demographische Wandel tritt hier bereits mit seinen Konsequenzen ein.
Bei mir in der Gegend machen auch Fahrschulen dicht. Genauso wie Bäcker und Metzger. Wieso? Weils einen gibt, der gleich 3 Filialen hat und das Angebot, bzw. die Preise attraktiver gestaltet.
So wie man lieber frisch aufgebackene TK-Brötchen aus der Filiale kauft, sitzt man dann eben auch lieber für etwas weniger Geld bei einem unmotivierten angestellen Fahrlehrer, der Dienst nach Vorschrift macht.
Zu meiner Zeit hatte jeder Fahrlehrer sein eigenes Auto und sein eigenes Geschäft, da waren die noch bemüht, gute Arbeit ab zu liefern.
Ich glaube nicht das es daran liegt, weil das Auto so ein Mist ist, sondern wenn ich 2007 - 20 mache, ein Geburtenstärkerer Jahrgang heraus kommt, als 2015 - 20. Und vielleicht, weil es immer teurer wurde das zu machen immer mehr Studieren und wenig Geld haben, als wenn man da bereits in der Ausbildung ist.
Auch in Großstädten ist es Sinnvoll spätestens bei Familiengründung ein PKW zu haben.
Bezüglich der nach der Wende verkackten Familienpolitik und deren voraussehbaren Folgen in welche dieses Land wie ein offenes Messer gerannt ist, würde ich mir als Fahrlehrer aber trotzdem keine Sorge machen. Derzeit betreibt Vater Staat ja wieder ganz intensiv höchst effektive Familienpolitik, wo man keine 18 Jahre warten muss bis der Nachwuchs arbeiten oder den Führerschein machen kann - und die ganzen Paketdienste brauchen ja auch immer mehr Nachschub für ihre 250 Stunden im Monat / 1700 Brutto Jobs wo die hälfte für Strafzettel drauf geht. Also keine Angst, die Fahrschüler gehen denen die nächsten paar Jahre doch nicht aus. Und die nächste Krise im Ausland kommt bestimmt.
Hallo,
irgendwie habe ich da gerade andere Erfahrungen gemacht:
Zum einen kostet so ein Führerschein heute etwa 2.000€ und zum anderen bekommen die Kids kaum Fahrstunden, weil einfach zuviel Fahrschüler da sind.
Auch die Prüfungstermine sind knapp. Denn auch beim TÜV ist alles ausgebucht.
Während mein Schein damals (`83) etwa 900 DM gekostet hat, habe ich für meine Tochter bei einer sich wirklich in Grenzen haltenden Anzahl an Fahrstunden 2.500 € bezahlt.
Dabei ist sie das erste Mal halt durchgefallen, aber allein die Wiederholungsprüfung schlägt mit etwa 500 € zu buche.
Da ich zwei Kinder habe und die eine mit 16 bereit den 125er Moped schein gemacht hat, habe ich die letzen 3 Jahre 6.500 € für die Führerscheine der beiden Kinder ausgegeben.
LG
Dann kann es ja nicht mehr lange dauern bis ein befristeter Führerschein inkl. Fahrstunden und Prüfung ins Gespräch gebracht wird.
Sind sowieso schon zu viele Leute auf der Strasse.... das Wachstum darf ruhig zurück gehen 😉
Die Präsenz von Fahrschulautos hat meiner Meinung/Gefühl nach aber nicht abgenommen, ganz im Gegenteil...
Bei uns auch nicht .. hier gibt es deutlich mehr Fahrschulen ( Filialen ) als früher. Ein paar kleine "Einzelkämpfer" gibt es freilich nicht mehr. Der Preiskampf wird da sein Übriges getan haben.
Da ich in der dämlichen Mobilversion meinen Beitrag nicht mehr ändern kann: ignoriert meinen vorherigen Beitrag. Peinlicher Rechenfehler 😉
Du glaubst wohl auch noch an den Weihnachtsmann? Aus 900DM werden 5.800DM in 30 Jahren? Manche Sachen sind vielleicht soviel teurer geworden aber nicht der Durchschnitt. Man sieht hieran das sich einige an der Euro Umstellung kräftig bedient haben. Für viel ist das bloß nicht so selbstverständlich wie für dich. Ich würde mir es mehrmals überlegen ob ich fast 6.000DM Ausgebe für ein Lappen der mich nur Berechtigt mit dem Auto auf der Straße fahren zu dürfen. FALLS ich es mir leisten kann dann noch ein Auto zu kaufen und zu Unterhalten.
Das mit den Assistenz Systemen kann ich nachvollziehen. Der Testmazda mit seiner vollständigen Ausstattung, da musste man sich schon 2-3 Minuten mit auseinander setzen.
Als ich 2004 meinen Führerschein gemacht habe, fand ich es eher kritisch aus dem Focus mit Vollausstattung in den 1994ger B Corsa einzusteigen. (der hatte immerhin Airbag, Radio und Tripple Info Display) Das war doch ein ganz anderes Fahren.
Was gehört denn zur Fahrlehrerausbildung, außer alle Führerscheine (Bis auf Klasse D) zu machen?