Motorkultur
Dynamit aus den Eighties: Mit C4 durch die Wueste ballern
Fruehe Vertreter der vierten Generation der Corvette hat heute niemand mehr auf dem Schirm. Dabei war die von 1984 bis 1987 gebaute erste Serie der C4 ein technologischer Quantensprung der ansonsten eher konservativ uebersetzten Ingenieure in Detroit. Zwar arbeitete unter der neu eingefuehrten, mechanikerfreundlichen Flip-Front weiterhin der altbekannte 350er Small Block mit unten liegender Nockenwelle (Big Blocks gab es in der C4 nicht mehr), jedoch waren Fahrwerk, Interieur und Design im Gegensatz zum Vorgaenger von einem ganz anderen Stern...
Einzelradaufhaengung hinten, verzinkter Rahmen, LCD-Maeusekino im Cockpit und ein aufgeraeumtes Aussen-Design ohne Coke-Bottle-Hueftschwung und anderem optischen Firlefanz, gaben autobegeisterten Yuppies in cremefarbenen Bundfaltenhosen damals das sichere Gefuehl, die uncoolen Seventies in neongruen und orange weit hinter sich gelassen zu haben. Im Grundschulalter fand ich die Corvette optisch zwar gut, nachdem ich aber lesen konnte, trotzdem scheisse. 205 PS und ein Top Speed von 225 km/h waren im Anbetracht des kuehlen Future Designs, welches Geschwindigkeiten von mindestens 350 km/h haette zu lassen muessen, einfach zu wenig.
Es gibt uebrigens nur noch einen Menschen auf der Welt, der den GFK-Keil der vierten Generation noch auf dem Schirm hat:Pascal E., Gueterslohs schoenster Oldtimer-Experte und -Sammler, orderte in Gedenken an Amerikas schoensten Serien-Schauspieler, Dirk Benedict, eine C4 aus dem allerersten Modelljahr, noch mit Cross Fire statt TBI-Injection. Unverbastelte Exemplare ohne Unfall und drittem Paintjob sind selbst in den Staaten nicht einfach zu finden. In Mesa, Arizona, ganz in der Naehe von Phoenix, fand sich letztlich ein guter Driver, der die letzten 25 Jahre ohne Spoileranbauten, lustig laminiertem Karosserietuning und anderen Verbastelungen ueberstand. Nach einem 80 minuetigen Flug von San Diego nach Phoenix, holte mich Verkaeufer Chris mit dem groessten Dosenoeffner der Kokain-Aera vom Flughafen ab. Die Probefahrt ueber den Highway zurueck nach Mesa verlief ohne Probleme und spaetestens nach der zweiten mit ueber 100 mph genommenen Highway-Kurve stellten sich erste Zweifel ein. So richtig schitte ist der Stuhl gar nicht. Dank des gesunden Drehmoments fuehlt sich die Vette nach deutlich mehr als 205 PS an, das Handling gleicht trotz Blattfedern einem Go-Kart und die bei Gegenlicht unlesbaren psychedelischen Anzeigen im Cockpit machen gute Laune, wenn LCD-Balken lustig hin und her zucken und dem Fahrer das Gefuehl totaler Kontrolle und Information vermitteln wollen. Das Fahrwerk ist fast schon zu hart, was erst recht Beachtung finden sollte, wenn man von einem US Car spricht. Ein Boulevardsportler fuer Luden und Fruehrentner, denen der 911 zu teuer war, ist das hier nicht. Und 205 PS rollen zwar nicht den Asphalt von hinten auf, allerdings hat ein gewoehnlicher Porsche 911 SC dieser Zeit noch nicht einmal 200 Pesen. Also eigentlich alles halb so schlimm. Die Probefahrt ueberzeugt, Chris bekommt die Dollars in die Hand gedrueckt und ich biege am fruehen Nachmittag mit einem Sportwagen aus einem Jahrzehnt, das alle am liebsten vergessen wuerden, mit 100 mph auf die Interstate 8 ein. 550 Meilen sind es bis nach San Diego, sollte doch eigentlich in fuenf Stunden zu schaffen sein...
Die Fahrt durch die daemmernde Oednis West-Arizonas verlaeuft zuerst ohne besondere Vorkommnisse. Der 5.7 Liter V8 droehnt und saugt auch ohne Vergaser schoen sonor, die Sitze sind auch fuer Menschen mit bedrohten Bandscheiben geeignet und die digitale Tankanzeige bewegt sich nur alle dreissig Minuten einen halben Millimeter. Irgendwo dort auf dem Highway, wo ein Mann mit seinem Auto ganz alleine ist und sich nachts suizide Koyoten vor 40 Tonnen schwere Freightliner und Kenworth werfen um der Langeweile ein Ende zu bereiten, haengt mir ploetzlich der State Trooper am Arsch. Ein Deutscher, nachts mit einem schwarzen Sportwagen ohne Kennzeichen mit ueber 100 Meilen pro Stunde unterwegs; wie lange verfolgt mich der Wuestensohn schon? Fuehlt er sich bereits provoziert? Haelt er mich fuer einen dieser Typen, vor denen Infobroschueren immer warnen? Wann werden sie meine Leiche in dieser gottlosen Gegend finden? Kann man Cops in diesem menschenfeindlichen Teil der USA ueberhaupt vertrauen? Wer ist schneller, Corvette oder Crown Victoria? Nichts anmerken lassen, langsam vom Gas gehen, keine hektischen Bewegungen und ja links bleiben. Man hat ja nichts zu verbergen. Nach einiger Zeit zieht der Republikaner rechts rueber, bleibt auf Hoehe der Vette, guckt rein, schuettelt den Kopf und gibt Gas. Der Mann scheint schon gegessen zu haben. Mein Glueck und ich moechte auch gar nicht wissen, wessen Pech.
An der Grenze von Arizona zu Kalifornien wird der Wagen von der Custom Border Patrol auf Fruechte durchsucht. Die fehlenden Kennzeichen interessieren nicht die Bohne. Hier geht es um Aepfel und Bananen. Was fuer ein Schwachsinn. Wer Corvette faehrt, der kennt Obst nur von Cocktailglasraendern.
In den Bergen Sued-Ost-Kaliforniens macht die Corvette nachts richtig Freude. Serpentinen rauf und runter, Geroell auf der Fahrbahn ausweichen und Tanklaster, die sich mit schleifender Kupplung die 17 prozentige Steigung hochquaelen, koennen mit diesem Ami-Schlitten sogar in Kurven an der Haftgrenze ueberholt werden.
Nach sechs Stunden, zwei Pinkelpausen und keinem (!) Tankstopp wird die San Diego County Line ueberquert. Ein guter Schnitt, ohne jemals auch nur annaehernd 225 gefahren zu sein. So schlecht waren die Achtziger gar nicht...
Quelle: Motoraver Magazin
Hey, toller Bericht, danke.
Bist ein echter Glückspilz, hatte nur einmal 5min das Glück auf einer c4 reiten zu dürfen. Hach ja.
Viel spaß noch.
LG MK5
Ich sollte mir auch so eine Corvette holen. Die braucht ja genauso wenig Benzin wie mein Cuore - der braucht nämlich auf 900 km mit einem Schnitt von 150 km/h auch seine 75 Liter.
Schön geschriebener Bericht über die C4.
Ich habe das Glück, jedes Jahr für 4 Wochen am Stück freien Zugriff auf eine C4, Baujahr 1985, zu haben. Es ist wirklich ein Wahnsinnsgefühl, einen brockelharten, tiefliegenden, knallroten Sportwagen mit V8 und 4-Gang-Schaltgetriebe zu fahren:=)
Grüße
Thomas
Auch ich hatte mal die Möglichkeit eine C4 testzufahren. Auch mit dem Mäusekino. Ein wirklich tolles Auto, hätte ihn fast gekauft (heute bereue ichs).
Einfach Kult dieser Wagen, und zeitloses, schönes Design. Freue mich immer wieder, wenn ich mal einen sehe auf der Strasse.
Toller und interessanter Bericht 😊 Aber eine kleine Anmerkung muss sein. Die 911er SC dieser Zeit waren schon mit 231 PS unterwegs 😆😉
Grüße
Samsara
Toller Bericht.
Ich besitze so eine Vette, Baujahr '84 mit TBI-Einspritzung im Originalzustand, Farbe schwarz.
Habe das gute Stück aus einer Sammlung mit 38.000 km erworben. Seit 9 Jahren ist sie in meinem Besitz und ich habe jetzt ca. 70.000 auf dem Tacho. Es macht immer noch einen irren Spaß die Kiste zu fahren.
Ach übrigens, wegen dem Vergleich mit dem Porsche. Die Corvette hatte nur 1984 205 PS. Im Nachfolgejahr 1985 wurde die Motorleistung bereits durch die TPI-Einspritzung auf 245 PS angehoben.
Gruß
Aron
Wie gern würde ich mal auf 4 Rädern die USA erkunden...ein Traum der immer stärker in mir ruft "mach es doch!"...also eines Tages bin ich für 3 Wochen drüben und fahre von East to West oder umgedreht...natürlich nicht strange durch sondern im Zick-Zack...alles mitnehmen was geht!
Nur das Geld hindert mich (noch :P).
Schöner Bericht, DANKE! 😊
Hallo
die Corvette C4 ist auch heute noch ein feines Auto und ich hätte sie mir schon lange weggestellt😉
aber meine bessere Hälfte hatte nicht ganz Unrecht,ich würde neben meiner Wankelsammlung ein neues Thema anfangen und mich verzetteln,so bleibe ich halt bei meinen Mazda RX-7 und hab in Gedanken immer mal ein waches Auge auf die Corvette C4 die vor allem als Cabrio eine gute Figur macht😉
mfg Andy
Ich selber hielt nie viel vom Amy land aber nach den bericht und den Bildern - schön
masgst du den Verbrauch für die Strecke preisgeben?
Wenn Du nie drüben warst solltest Du wenigstens ab und zu mal Berichte über die einzelnen Staaten, Städte und die Menschen dort (z.B. auf dem Discovery Channel oder einem anderen Bildungs-Kanal) gesehen haben um Dir ein Urteil über das "Amy land" bilden zu können.
Sorry, das waren die Carrera, die SC hatten erst 180, dann 205PS. 😉
Cu
Frank
Dem kann ich nur zustimmen!
Übrigens hoffe ich, dass die Storys vom Speed, ohne license plate fahren und den Sheriffs nur Räuberpistolen sind. Wenn nicht dann handelt es sich hier um den typischen Europäer der glaubt sich im Ausland über alle Regeln hinwegsetzen zu können und die Weisheit mit Löffeln gegessen zu haben. Und das schmeckt mir überhaupt nicht. 😊
psst, amgolf:
schonmal ein auto in arizona gekauft? license plates bleiben immer beim verkaeufer, ohne fahren ist, sofern title und kaufvertrag im handschuhfach, fuer die tage danach zu ueberfuehrungszwecken erlaubt...
Fahren ohne plates ist nicht erlaubt auch wenn vielleicht Ausnahmen gemacht werden wird die Polizei dies sicherlich überprüfen. Ja, in AZ bleiben die plates beim owner das ist korrekt aber man bekommt auch ein temporary registration plate (TRP) aus Pappe mit um aufs Auto zu kleben oder hinter die Fensterscheibe falls die nicht verdunkelt ist. Plastik drüber und das Ding ist auch im Regen noch lesbar und erspart eine Menge Ärger.
Meldet man das Auto gar nimmer in AZ an so kann man ein provisorisches 3 Tage plate kaufen und bis dahin darf man NICHT fahren!
http://www.azdot.gov/mvd/faqs/scripts/FAQsResponse.asp?Category=5&Keyword=