FIA Formel E in Berlin: Genehmigung steht noch aus

Eben noch in Paris, im Mai auf Honeckers Paradestrecke

Björn Tolksdorf

verfasst am Thu Apr 28 18:41:30 CEST 2016

In einem Monat soll die "Formel E" über die Karl-Marx-Allee mitten in Berlin rasen. Tickets werden bereits verkauft - doch genehmigt ist die Veranstaltung bisher nicht.

Auf dem Strausberger Platz wälzt sich sonst der Berufsverkehrs aus dem Zentrum Richtung Osten. Am 21. Mai fahren dort elektrische Rennwagen im Kreis
Quelle: dpa/Picture Alliance

Berlin - Am vergangenen Wochenende kam die FIA über Paris wie eine endoskopische Operation. Mitten in die Stadt hinein implantierte der Motorsport-Weltverband seine Rennserie „Formula E“. Betonleitplanken auf Bürgersteigen, Sicherheitszäune vor Verkehrsampeln, Streckenposten vor Boulangerien.

Die Boxengasse platzierten die Organisatoren in der Rue de Constantine. Von dort aus rasten die elektrisch angetriebenen Carbonboliden über notdürftig eingeebnete Schlaglöcher vorbei am Café de l’Esplanade und der U-Bahnstation Varenne. 170 bis 200 Sachen, so schnell dürfte auf diesen Straßen noch nie jemand gefahren sein. Paris ist einiges gewohnt, als Metropole von Welt – und nahm gelassen hin, dass am Abend draußen in Saint Dénis auch noch das französische Fußball-Pokalfinale stattfand.

Mitten in die Stadt operierte die FIA ihren Rennzirkus hinein. Das führte zum dichten Nebeneinander von Normalität und Event
Quelle: MOTOR-TALK/bmt
Für schwierige Termine hat die FIA ein Händchen. Am 21. Mai 2016 will die Formel E in Berlin gastieren. Rund 20.000 Besucher werden erwartet. Auch dort steigt an diesem Tag ein Pokalfinale: Zum DFB-Pokal im Olympiastadion werden 76.000 Zuschauer kommen. Zusätzlich findet der Avon-Frauenlauf im Tiergarten mit bis zu 18.000 Teilnehmerinnen statt. Der Verkehrsinfarkt zwischen Charlottenburg und Friedrichshain ist damit vorprogrammiert.

Auch Berlin ist Einiges gewohnt, sogar die Formel E. Bereits 2015 gastierte die blutjunge Rennserie in der deutschen Hauptstadt, damals auf dem Tempelhofer Flugfeld. Da dieses zum Flüchtlingslager umfunktioniert wurde, musste eine Ausweichstrecke her. Und die liegt nicht auf einem stillgelegten Flugplatz, sondern mitten in der Stadt zwischen Alexander- und Strausberger Platz. Auf der Karl-Marx-Allee, oder anders gesagt: der Bundesstraße B1.

Fehlender Enthusiasmus auf Seiten Berlins?

„Wir bringen die Begeisterung für Elektromobilität dahin, wo die Zielgruppe sitzt“, sagen Formel-E-Aktive wie Alex Tai, Teamleiter bei DS Virgin Racing. Vom Stadtkurs im Berliner Zentrum ist man begeistert. Hinter den Kulissen allerdings knirscht es gewaltig.

„Berlin kann Großveranstaltungen“, teilt uns die Senatsverwaltung für Wirtschaft auf Anfrage mit. Und: „Wir möchten mit der Veranstaltung die Menschen innerhalb und außerhalb der Stadt für die Elektromobilität als nachhaltige und leistungsfähige Technologie begeistern.“

Bei der FIA ist man dagegen angesäuert über fehlenden Enthusiasmus auf Berliner Seite, das hört man zumindest von Motorsport-Szenekennern. Tatsächlich läuft für das Berliner Rennen zwar längst der Kartenverkauf, bei Ticketmaster werden Karten zwischen 18 und 75 Euro angeboten. Auch die Akkreditierung für Medien ist längst geöffnet.

Genehmigung noch nicht final erteilt

Allerdings steht streng genommen noch gar nicht fest, ob das Rennen überhaupt stattfinden darf. „Wie bei Großveranstaltungen üblich, läuft derzeit ein Genehmigungsverfahren“, teilt uns die Wirtschaftsverwaltung am 26. April mit. Eine endgültige Genehmigung hat die Stadt Berlin noch nicht erteilt.

Zwar glaubt man beim Senat nicht, dass das Elektro-Rennen auf Walter Ulbrichts und Erich Honeckers Paradestrecke noch scheitern könnte und verweist auf die positiven Effekte: 2015 habe der Veranstalter rund 3,3 Millionen Euro in Berlin investiert, 16 Millionen Menschen hätten die Übertragung verfolgt.

Streckenplan: Hier will die FIA am 21. Mai in Berlin fahren
Quelle: FIA
Ein Sprecher der Verkehrsbehörde räumt jedoch auf die Frage, was das Rennen noch verhindern könnte, ein: „Klagen von betroffenen Anwohnern oder Beteiligten sind nicht unüblich.“ Um das Rennen austragen zu dürfen, muss die FIA der Verkehrslenkungsbehörde ein Verkehrskonzept vorlegen. Dieses werde, so die Verkehrsbehörde, den Berlinern sicher „Geduld und Verständnis abringen“.

Schwierige Stadtlage

Im dicht bebauten städtischen Raum sind Kompromisse unumgänglich. Das zeigt das Pariser Rennen deutlich. Die Besucher, Massen sind es nicht, betreten das Gelände am Quai d’Orsay. Dort stehen Merchandising-Stände, Imbissbuden, die Bühne für die Siegerehrung. Das Rennen kann man hier jedoch nur über einen Bildschirm verfolgen.

Die eigentliche Strecke liegt mehr als 500 Meter entfernt, ist nur über eine wacklige Gerüstbrücke zu erreichen – und nur mit teureren Tickets. Hier stehen am Armeemuseum auch die Tribünen, sowie je ein (!) Baguette- und ein Bierstand. Dichte Rennatmosphäre mit Grillschwaden und Fans an der Strecke geht anders.

Auch in Berlin liegen die Tribünen, nicht aber das "E-Village", an der Strecke. Der Stadtraum ist nicht ganz so kompliziert wie in Paris, die Straßen sind deutlich breiter. Bezahlen müssen wird der Veranstalter vermutlich neben den Sicherheitszäunen auch eine notdürftige Schlaglochsanierung. Denn für Berlins Straßen braucht man bisher mehr Bodenfreiheit, als ein Formel-E-Bolide bietet.

Die Formel E betritt Neuland. Das gilt für die Technologie der Elektrofahrzeuge ebenso wie für das Hineinoperieren der Events in die Zentren großer Städte, und auch für das Renommee: In Paris sind Sponsoren und Autohersteller höchst präsent. Der Sport dagegen wird nicht so richtig greifbar.

Von Formel 1, WRC und Co. ist die FIA den zähen Umgang mit peniblen Behörden sicher nicht gewohnt. Ob das Berliner Rennen daran wirklich scheitert? Wir gehen nicht davon aus, der Senat auch nicht. Aber möglich ist es.

Startaufstellung bei der Formel E in Paris
Quelle: FIA
Zäune, Draht und Beton: In der engen Pariser Innenstadt waren die Sicherheitsvorkehrungen hoch
Quelle: MOTOR-TALK/bmt
Durch den Drahtverschlag hört man die Elektroautos vorbeizischen
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Mitten in die Stadt operierte die FIA ihren Rennzirkus hinein. Das führte zum dichten Nebeneinander von Normalität und Event
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Im Café de l’Esplanade möchte heute niemand sitzen
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Überschaubarer Besucherandrang: FIA Formel E in Paris
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Immerhin: Die Elektroautos, die nach 30 Minuten leergefahren sind, sehen aus wie richtige Rennwagen
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Vorn das Safety Car, im Hintergrund marschiert das Ballett des Pariser "Moulin Rouge" auf
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Vor einem Jahr ohne Verkehrschaos: Formel E 2015 auf dem ehemaligen Flughafen Berlin-Tempelhof
Quelle: dpa/picture alliance
Streckenplan: Hier will die FIA am 21. Mai in Berlin fahren
Quelle: FIA