Dodge Challenger SRT Hellcat 2015: Test

Ein Auto wie ein Mittelfinger

Constantin Bergander

verfasst am Wed Nov 04 13:33:31 CET 2015

Dieses Musclecar ist einfach geil: Der Dodge Challenger Hellcat donnert laut, säuft, rennt und steht für blecherne Unvernunft. In den USA hatten wir die Chance zum Test.

Schnell, laut, unvernünftig, geil: Dodge Challenger SRT Hellcat
Quelle: MOTOR-TALK

Las Vegas – Hell yeah, der Hellcat! Das Gröbste, was bei Fiat-Chrysler parkt. Wenn Arroganz glänzen kann, dann auf diesen fünf Metern. Mit Kompressor-beatmeter Power aus 6,2 Litern Hubraum. 717 PS und 881 Newtonmeter. Zu viel Motor für ein Straßenauto. Ein Macho mit Mundgeruch, hineingepresst in eine Zweitürer-Karosserie mit US-Understatement.

Unter Last grollt der V8, der Kompressor jault im Takt
Quelle: MOTOR-TALK
Understatement heißt in diesem Zusammenhang: Man erkennt den Hellcat unmittelbar. Der Challenger sieht selbst mit kleinerem Motor nach großen Muskeln aus. Die Top-Version des Muscle Cars bekommt 20-Zöller, einen kleinen Heckspoiler, „Roaring Cat“-Logos auf den Kotflügeln und viele Luftein- und -auslässe.

SRT Hellcat: 6,2-Liter-Kompressor-V8 mit 717 PS

Die braucht der Hellcat, denn er atmet tiefer ein als die kleineren Challenger. Sein 2,4-Liter-Kompressor saugt die Luft durch Sammler in den inneren Scheinwerfern und drückt sie mit bis zu 0,8 bar in den Ansaugtrakt. Vier Kühler temperieren Wasser, Öl, Ladeluft und Klima-Kältemittel.

Der V8 basiert auf dem 6,4-Liter-Hemi („Apache“, 532 PS) von Dodge. Technisch handelt es sich um einen weitestgehend neuen Motor. Dem Graugussblock fehlt die Zylinderabschaltung, dafür bekommt er diverse Verstärkungen, natriumgefüllte Auslassventile, stabilere Kolben und eine Verdichtung von 9,5:1. Die Bohrung bleibt bei 103,9 Millimetern, der Hub sinkt auf 90,9 Millimeter. Das macht 6.166 Kubikzentimeter Hubraum und mehr Power, als der Serien-Antriebsstrang aushält.

Der Kompressor zieht die Luft durch den Sammler im inneren Scheinwerfer
Quelle: MOTOR-TALK
Dodge schraubt ein 8HP90-Getriebe von ZF an den Motor – eine Achtgang-Automatik mit immerhin 19 Newtonmetern Reserve. Alternativ flanschen die Mechaniker ein manuelles TR-6060-Schaltgetriebe mit sechs Gängen von Tremec an den Block. Die Getriebe leiten die Kraft an ein verstärktes Hinterachsdifferenzial mit stabileren Lagern und einer Quersperre. An den Achsnaben stecken 9,5-Zoll-Felgen mit 275er-Gummis.

Laut, durstig und extrem unvernünftig

Viele Zahlen und Fachbegriffe, die alle nur eines bedeuten: Dodge presst so viel Power wie möglich in ein Chassis, das von einer alten Mercedes E-Klasse stammt. Alle Teile hinter dem Motor sorgen dafür, dass ein überraschend großer Teil der Kraft tatsächlich auf der Straße ankommt. Zumindest, solange man das Gaspedal respektvoll oder laut Prüfstandsprotokoll behandelt. Die US-Umweltbehörde hat in diesem Zustand einen Verbrauch von 14,7 Litern pro 100 Kilometer (16 miles per gallon) gemessen.

Tatsächlich macht im Hellcat selbst eine ruhige Fahrt Spaß. Der V8 bollert so laut, dass Prius-Missionare kaum dagegen anbrüllen könnten. Zwei Fächerkrümmer blasen die Abgase in „Straight Pipes“. Übersetzt: Schalldämpfer sind nur pro forma vorhanden und lassen sich über elektrisch angesteuerte Klappen umgehen. Die Verrohrung misst sieben Zentimeter (2,75 Zoll) Durchmesser. Deutsche Importeure drosseln den Sound mit schlankeren Anlagen auf ein TÜV-taugliches Niveau.

Brembo-Bremsen mit 6- und 4-Kolben-Sätteln sowie geschlitzten Scheiben
Quelle: MOTOR-TALK
Wer nur im Standgas auf dem Highway gleitet, der verbrennt knapp acht Liter pro 100 Kilometer. Mit einem Hellcat macht man aber Hellcat-Zeug. Beschleunigen, wann immer es geht. Zwei Gänge runterschalten, wenn Umweltschützer in der Nähe sind. Aufpassen, dass der Kompressor nicht aus Versehen einen Smart verschluckt. Und hoffen, dass die Rennleitung von alldem nichts mitbekommt.

Ein Musclecar wie es sein muss

Der Hellcat ist Michael Douglas, der in „Falling Down“ ausrastet. Er ist Chris Evans, den die US-Armee zu „Captain America“ gemacht hat. Er ist der einzige Raucher in der Kneipe und der starke Mann, der beim Umzug alles für Dich trägt. Held und Antiheld der Autoindustrie. Er wächst, während alle schrumpfen, säuft das Fass aus, obwohl die anderen noch nüchtern sind. Umweltpolitisch inakzeptabel und unnütz, aber manchmal eben genau das Richtige und einzigartig.

Ohne erfundenes Öko-Image konzentriert sich der Hellcat auf seine beiden Kernkompetenzen: laut und schnell fahren. Dodge verspricht eine Viertelmeilen-Zeit von 10,8 Sekunden mit straßen-zugelassenen Semi-Slicks. Auf Serienreifen rast er 0,4 Sekunden langsamer. Mit Launch Control und Vollgas schafft das wirklich jeder.

Die Schalldämpfer drosseln den Sound kaum. Dodge spricht von "Straight Pipes", also durchgehenden Rohren
Quelle: MOTOR-TALK
Übersetzt in deutsche Werte: Der V8 wuchtet den 2,1-Tonner in etwa 3,7 Sekunden auf Tempo 100. Bei ungefähr 320 km/h ist Schluss. Ein Audi RS6 fährt langsamer, röhrt leiser und kostet fast das Doppelte: In den USA steht der Hellcat mit knapp 60.000 Dollar in der Liste.

Kein Hellcat in Deutschland

Natürlich ist der Challenger Hellcat nicht auf unser Empfinden abgestimmt. Innen ist er eng, die Kofferraumöffnung ist zu klein, die Sitzflächen sind zu hoch und im toten Winkel verschwinden ganze Staus. Dafür fängt das adaptive Fahrwerk das Gewicht sehr gut ab und bietet eine breite Spreizung zwischen Komfort und Sport. Fahrwerk, Bremsen und Lenkung können mit der Leistung umgehen. Ein freizügig abgestimmtes ESP lässt dem Hintern immer ein paar Zoll Spielraum. Ohne Elektronik rutscht das Heck noch bei Tempo 100.

Nach Deutschland kommt der Hellcat auf offiziellem Wege nicht. Mopar-Chef Pietro Gorlier erklärte im Gespräch mit MOTOR-TALK, dass die Kapazitäten kaum für den US-Markt ausreichen. Das 2015er-Modell war in den USA schneller ausverkauft als warme Cronuts in New York. Bleibt nur ein Importeur. Dort kostet der Challenger Hellcat etwa 86.000 Euro.

Dodge Challenger SRT Hellcat: Technische Daten

  • Motor: 6,2-Liter-Kompressor-V8
  • Getriebe: Achtgang-Automatik
  • Leistung: 717 PS (527 kW)
  • Drehmoment: 881 Nm
  • 0 – 100 km/h: ca. 3,7 s
  • Vmax: ca. 320 km/h
  • Verbrauch: 14,7 l pro 100 km (laut US-Norm)
  • Länge: 5,02 m
  • Höhe: 1,45 m
  • Breite: 1,92 m
  • Gewicht: ca. 2.100 kg inkl. Fahrer
  • Preis: 59.995 US-Dollar, zzgl. Steuern
  • Testwagenpreis: 64.170 US-Dollar, zzgl. Steuern
  • Importpreis: ca. 86.000 Euro
MOTOR-TALK-Redakteur Constantin Bergander am Dodge Challenger Hellcat
Quelle: MOTOR-TALK
Gut fünf Meter lang, 1,92 Meter breit: Ein Zweitürer mit US-Dimensionen
Quelle: MOTOR-TALK
Die Schalldämpfer drosseln den Sound kaum. Dodge spricht von "Straight Pipes", also durchgehenden Rohren
Quelle: MOTOR-TALK
Der Kompressor-V8 schiebt den Challenger in 3,7 Sekunden auf Tempo 100
Quelle: MOTOR-TALK
Wer mit Leerlaufdrehzahl durch Amerika gleitet, der fährt den Hellcat tatsächlich sparsam
Quelle: MOTOR-TALK
Wer Spaß mit dem Hellcat hat, der tankt oft nach
Quelle: MOTOR-TALK
Unter Last grollt der V8, der Kompressor jault im Takt
Quelle: MOTOR-TALK
Navi und Soundsystem gibt es serienmäßig im Hellcat
Quelle: MOTOR-TALK
Dodge Challenger Hellcat
Quelle: MOTOR-TALK
Nur der rote Zündschlüssel schaltet die volle Leistung frei. Mit dem schwarzen Zweitschlüssel leistet der Hellcat nur 500 PS
Quelle: MOTOR-TALK
Motor, Getriebe, Traktionskontrolle und Stoßdämpfer arbeiten im "Track"-Modus schneller und härter
Quelle: MOTOR-TALK
Leder-Alcantara-Sportsitze im Dodge Challenger Hellcat
Quelle: MOTOR-TALK
Der Kompressor zieht die Luft durch den Sammler im inneren Scheinwerfer
Quelle: MOTOR-TALK
Schwarzer Spoiler mit integrierter (und nötiger!) Rückfahrkamera
Quelle: MOTOR-TALK
Sprit braucht er. 14 Liter waren es im Test auf US-Straßen
Quelle: MOTOR-TALK
Brembo-Bremsen mit 6- und 4-Kolben-Sätteln sowie geschlitzten Scheiben
Quelle: MOTOR-TALK
Erkennungsmerkmal: Lufthutzen
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Constantin im Dodge Challenger Hellcat
Quelle: MOTOR-TALK