Aston Martin DB11 V8 2017 im Test: Fahrbericht, Vergleich zum V12

Ein Gentleman und Zehnkämpfer

Constantin Bergander

verfasst am Wed Sep 27 01:02:13 CEST 2017

Ein Roadtrip in geheimer Mission: MOTOR-TALK überführt einen Aston Martin, den vorher kein Journalist fahren durfte. Auto-Brexit mit acht Zylindern und 510 PS.

Erste Fahrt im Aston Martin DB11 V8: Ein Gran Turismo auf großer Tour
Quelle: mobile.de

Einen Gran Turismo erlebt man am besten auf langen Strecken. Wir fuhren im Aston Martin DB11 V8 deshalb besonders ausführlich: Unsere Testfahrt führte uns vom Aston-Werk in Gaydon nach Barcelona. 1.231 Kilometer Luftlinie, 510 PS, 48 Stunden Zeit, keine festgelegte Route. Was wir erlebt haben, lest Ihr hier.

Gaydon – Zwei schwarze DB11 parken am VIP-Eingang der Aston-Martin-Zentrale in Gaydon. Ein neues Modell mit V8-Motor, mit dem wir die nächsten Tage verbringen werden. Und eine stärkere Version mit 5,2-Liter-V12 als Referenz. Die ist schon seit einem Jahr auf dem Markt.

Ein Aston-Verkäufer nutzt die Gelegenheit und drängelt sich gemeinsam mit zwei Interessenten zwischen uns und die Autos. Die Gentlemen möchten bitte den Motorsound vergleichen. Davon hänge ab, ob sie sich für acht oder zwölf Zylinder entscheiden. Das muss man verstehen. Für diese Gentlemen baut Aston Martin diese Autos schließlich.

Soundcheck vor dem Aston-Werk

Dem V8 setzt Aston den Markennamen ans Heck. Der Schriftzug fehlt beim V12
Quelle: mobile.de
Wir lauschen gemeinsam. Erst der Kleine: Laut, ungehobelt und rotzig, mit tiefem Wummern und typischer V8-Note. Beim V12 pfeift der Anlasser wie eine Turbine. Dann ein Grollen, Fauchen und Prötzeln. Lauter als erwartet, dennoch seidig und balanciert.

Zwei glückliche Herren in Tweed sind sich einig: Der V8 klingt besser und wird gekauft. Rund 100 PS Unterschied sind Nebensache – ein Aston ist sowieso schnell genug für englische Landstraßen. Zumal der kleine Motor rund 115 Kilogramm Gewicht auf der Vorderachse einspart. Deshalb liegen die Fahrleistungen der beiden DB11-Motorisierungen nah beieinander.

Die Preise nicht: V12-Souveränität kostet bei Aston Martin 21.000 Euro Aufpreis. Vielleicht auch ein Argument. Darüber schweigen die Männer, steigen in ein Jaguar-Cabrio und brausen vom Hof. So schön können Klischees sein.

Wir packen unsere Gänsehaut ein und brechen auf. Vor uns liegen 1.650 Kilometer - wenn wir dem direkten Weg folgen. Das wollen wir unter allen Umständen vermeiden. Denn einerseits müssten wir uns dann durch den Hauptstadtverkehr von Paris quälen. Dabei hat Frankreich so viel mehr zu bieten als Champs Élysées und Arc de Triomphe. Zum Beispiel den Ort eines brandaktuellen Aston-Triumphs: Ein Vantage GTE gewann dieses Jahr beim 24-Stunden-Rennen in Le Mans die GT-Pro-Klasse – übrigens mit einem V8.

Unauffällig im Aston? Geht nicht

Direkter Vergleich: Der V8 baut kompakter und spart 115 Kilogramm auf der Vorderachse ein
Quelle: mobile.de
Dafür müssen wir zunächst durch England. Und das möglichst unauffällig. Wir sind als erste mit dem V8-Aston unterwegs und müssen das geheim halten. Nicht James-Bond-mäßig, es geht nicht um die Sicherheit der Nation. Aber um Fairness unter Journalisten. Wir verkneifen uns alle Fotos auf Facebook und Instagram.

Zufällige Passanten sehen das weit lockerer. Ein Aston Martin lässt sich nicht geheim halten. Er verschwindet nur in Filmen unauffällig auf dem Parkplatz. Im echten Leben glotzen die Leute, als würde Daniel Craig persönlich darin sitzen. Unsere Fahrt im neuen DB11 landet in den sozialen Medien, bevor wir an London vorbeirauschen.

An der Küste fliegen wir vollständig auf: Ein Brite erkennt die fehlenden Hutzen auf der Motorhaube und identifiziert unseren DB11 als V8. Ein Profi: Er fuhr einst Rennen gegen den späteren Le-Mans-Sieger Andy Wallace. Das erzählt er beiläufig, während wir seine Scheinwerfer auf den Rechtsverkehr vorbereiten. Dann steigt er auf den Beifahrersitz seines SUVs und überlässt seiner Frau das Steuer.

Wir zirkeln unseren Aston auf den Autozug nach Coquelles. Neben der Geheimhaltung unsere schwierigste Aufgabe: Die Fahrrinne baut nur fünf Zentimeter breiter als die Spur des DB11. Viel Geduld unserer Hintermänner rettet die Felgen vor engem Kontakt.

Ein Gentleman und Zehnkämpfer

Presspassung: Die Spur ist kaum breiter als der Aston
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Eine Reise dieser Länge fühlt sich manchmal träge an. Daran ändert selbst der wundervolle V8 von AMG nichts, den Aston hinter die Vorderachse schraubt. Vier Liter groß, 510 PS stark und 300 km/h schnell. Nur eben nicht in Frankreich. Die Gendarmerie kontrolliert häufig und gründlich. Immerhin: Wir treffen den Normverbrauch von 9,9 Litern pro 100 Kilometer fast genau.

Ausgerechnet die französischen Tempolimits bringen eine der besten Seiten am Aston Martin hervor: Komfortabel und sanft gleiten kann er besonders gut. Der Tempomat schiebt uns entspannt an Blitzern und Streifenwagen vorbei. Bis wir in Le Mans dort entlang rollen, wo im Frühling regelmäßig Rennwagen 300 km/h schnell brettern. Wir leider nicht. Flanieren auf der Mulsanne-Geraden.

Unnötige Aggeressivität oder Nervosität hat der DB11 nicht nötig. Stattdessen federt und lenkt er angenehm, verbindlich und straff. Zumindest, solange er im Fahrprogramm GT rollt. Wir wechseln selten, schnell fahren geht ja nicht. Nur ganz kurz, nach den Maut-Stationen: Vollgas bis Tempo 130. Laut, beeindruckend und brutal klingt das. Der Aston tritt so stark an, dass Kreditkarte und Quittungen durchs Auto fliegen.

Bei Perpignan, kurz vor der spanischen Grenze, weichen wir vom Weg ab. Wir verlassen die Autobahn und steuern in die Pyrenäen. Flott, laut und im Sport-Modus. Auf den kurvigen Straßen streckt sich der DB11 gewaltig. Er spannt seine Dämpfer an, öffnet die Auspuffklappen, hält den Ladedruck und schaltet zackig. Dass er in jeder Kehre 1,7 Tonnen durch den Knick wuchtet, lässt er sich nicht anmerken. Er zieht traumhaft ums Eck und brüllt mit zärtlichen ESP-Eingriffen die nächste Gerade hinauf.

Hier gewann Aston Martin im Frühling in der GT-Pro-Klasse: Die berühmte Rundstrecke in Le Mans
Quelle: mobile.de
Viel muss die Software nicht korrigieren – der Aston ist ausgezeichnet ausbalanciert. Verglichen mit dem V12 spürbar leichter auf der Vorderachse. 100 PS fehlen ihm höchstens auf dem Papier. Wir beschleunigen voll und bremsen hart. Den Sound hört das ganze Tal.

Ganz viel Gaydon und einiges aus Stuttgart

In diesen Momenten fühlt sich der Aston Martin nicht mehr nach Gran Turismo an, sondern nach Sportwagen. Nur eben luxuriöser. Feines Leder und bequeme Sportsitze (aus eigener Produktion) gibt’s serienmäßig im DB11. Und auch sonst alles, was das Fahren angenehm macht. Zum Beispiel Tempomat, Parkpiepser, Klimaautomatik, LED-Licht und Alcantara-Dachhimmel.

Das Navi und viele Bedienelemente des DB11 stammen von Mercedes. Aston bemüht sich, die Verwandtschaft zu verbergen. Mit Knöpfen für die Fahrstufen statt eines Automatik-Wählhebels. Und mit einem eigenen digitalen Tacho. Spätestens bei Menüführung und Blinkerhebel fällt es dann doch auf.

Einige Details macht Aston dafür besser als jeder Volumenhersteller dieser Welt. Zum Beispiel den Lack: Hier polieren die Briten die Orangenhaut in aufwändiger Kleinstarbeit weg. Wo auf einer S-Klasse gespiegelte Kanten schrumpeln, glänzt auf dem DB11 eine klare Linie.

Als wir kurz vor Barcelona am Ziel ankommen, liegt Staub auf dem Lack des feinen Coupés. Insekten sind zahlreich an Frontscheibe und Scheinwerfern gestorben, getrocknetes Wischwasser zeichnet dunkle Markierungen über das Dach. Die Spuren von fast 1.800 Kilometern Fahrt durch drei Länder. Wir geben den Schlüssel ab. Ein bisschen Wehmut ist dabei, aber es ist keine Zeit zum Trauern. Unsere 48 Stunden sind vorbei. Das Flugzeug wartet.

Fazit

Flanieren auf der Mulsanne-Geraden: Hier gehen im Rennen 300 km/h. Wir waren langsamer unterwegs
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Ja, Daimler hat Kolben und Kabel im Spiel. Aber dieses Entleihen von Erbsubstanz gehört zur Aston-DNA. Der Virage trug seinerzeit Rückleuchten vom VW Scirocco 2. Der Vantage fuhr mit Volvo-Navi. Und der DB9 mit schwedischen Innenraum-Teilen. Eine Manufaktur kann eben nicht alles selbst entwickeln. Da sehen wir auch über unschöne Lüftungsdüsen hinweg.

Mit einem Basispreis von 184.000 Euro kostet der Aston Martin DB11 V8 rund 10.000 Euro mehr als ein Porsche 911 Turbo (540 PS) und 24.000 Euro weniger als ein (ausgelaufener) Bentley Continental GT V8 S (528 PS). Sein größter Konkurrent wird jedoch der V12 in gleicher Karosserie sein (204.900 Euro). Trotz aller Liebe zu Hubraum und Zylindern: Die beiden Herren in Tweed haben alles richtig gemacht.

Aston Martin DB11 V8: Technische Daten

  • Motor: 4,0-Liter-V8-Biturbo-Benziner (von AMG)
  • Leistung: 510 PS (375 kW) bei 6.000 U/min
  • Drehmoment: 675 Nm bei 2.000 - 5.000 U/min
  • Getriebe: ZF-Achtgang-Automatik (transaxle)
  • 0-100 km/h: 4,0 s
  • Geschwindigkeit: 300 km/h
  • Verbrauch (NEFZ): 9,9 l pro 100 km
  • Länge: 4,75 m
  • Breite: 1,95 m (2,06 m mit Spiegeln)
  • Höhe: 1,29 m
  • Radstand: 2,805 m
  • Gewicht: 1.705 kg
  • Preis: ab 184.000 Euro
Wir starten am Aston-Werk in Gaydon, unweit von Birmingham
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Den DB11 bietet Aston Martin seit 2016 an. Das V8-Modell ist neu
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Tolle Gewichtsverteilung: V8 vorn, Getriebe hinten. Macht 49 Prozent auf der Vorderachse, 51 Prozent auf den Hinterrädern
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Nicht täuschen lassen: Die kleinen Endrohre machen großen Sound
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Der DB11 baut auf einer neuen Aluminium-Plattform auf. Ganz ohne Schweißnähte: Aston klebt und nietet
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Nur für die Wissenschaft: Der V8 (links) und ein V12 zum Vergleich
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Deutlichster Unterschied: Dem V8 fehlen zwei Lufthutzen auf der Motorhaube
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Dem V8 setzt Aston den Markennamen ans Heck. Der Schriftzug fehlt beim V12
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Direkter Vergleich: Der V8 baut kompakter und spart 115 Kilogramm auf der Vorderachse ein
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Unterwegs im Aston: Anstehen am Autozug
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Das größte Abenteuer: Den Aston in den Zug lenken
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Presspassung: Die Spur ist kaum breiter als der Aston
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Hier gewann Aston Martin im Frühling in der GT-Pro-Klasse: Die berühmte Rundstrecke in Le Mans
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Flanieren auf der Mulsanne-Geraden: Hier gehen im Rennen 300 km/h. Wir waren langsamer unterwegs
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Allein wäre schöner. So gab es immerhin hochgereckte Daumen
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Gar nicht so durstig: Den Großteil rissen wir mit ziemlich genau zehn Litern pro 100 Kilometer ab. Im Gebirge wurde es mehr
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Breite Spreizung: Der Aston fährt auf der Autobahn komfortabel, auf Serpentinen sportlich
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Enge Kehren und feine Geraden im Wechsel - das mag der DB11 besonders
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Im Gebirge waren wir ungestört. Kann man von den Anwohnern allerdings nicht sagen
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Aston Martin DB11 Roadtrip
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4,0 Sekunden auf Tempo 100, 300 km/h Spitze: Aston Martin DB11 V8
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Aston balanciert den DB11 ausgezeichnet aus
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Gemütlich oder schnell: Der Aston kann beides
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Endlich ungestört: Wenn in Gesellschaft, dann ist er Fotomotiv
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Aston Martin DB11 Roadtrip
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Zum Vergleich: Der V12 im DB 11
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Der V8 von AMG: Ein gutes Stück kürzer und leichter, dabei kaum langsamer
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Viele Materialien im Innenraum: Leder, Karbon, Kunststoff
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Die Sitze baut Aston Martin selbst. Gut: Sie sind bequem und bieten viel Seitenhalt
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Lochleder und Ziernähte gibt es gegen Aufpreis
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Viel Mercedes: Die Bedienung des DB11 übernimmt Aston von Daimler
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Interessante Automatik-Bedienung. Darüber: Billig wirkende Lüftungsdüsen
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Digitaler Tacho im Aston Marin DB11
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Aston baut den DB11 in Gaydon
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Aston Martin DB11 Roadtrip
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Aston Martin DB11 Roadtrip
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Vergleichsfahrt im Rechtslenker: Der V12 hat mehr Power, wiegt aber mehr
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