CCC-Kongress: Hacker knackt VW-Betrugssoftware

Ein Hacker entschlüsselt den Schummeldiesel

MOTOR-TALK

verfasst am Mon Dec 28 07:45:45 CET 2015

VW war bisher mit Details zur betrügerischen Diesel-Software zurückhaltend. Diese Details lieferte nun ein Hacker auf dem Kongress des Chaos Computer Club in Hamburg.

In Hamburg startete am Sonntag der jährliche Kongress des "Chaos Computer Club". Einer der Redner am ersten Tag präsentierte seine Erkenntnisse zu der betrügerischen Software in vielen VW-Dieselfahrzeugen
Quelle: dpa/Picture Alliance

Hamburg - 12.000 Hacker und Interessierte folgten dem Aufruf des „Chaos Computer Club“ (CCC) zum Kongress in Hamburg. Eine Traditionsveranstaltung der Computer-Cracks, und doch am Puls der Zeit. Er habe Volkswagens Betrugs-Code geknackt, sagt Felix Domke, ein regelmäßiger Referent beim CCC.

“Wir sind Hacker, und wir kennen den Code, und im Code liegt die Wahrheit“, sagt Felix Domke zu Beginn seiner Präsentation im Hamburger Kongresszentrum. Nachdem er in diesem Jahr vom Abgasskandal bei Volkswagen gehört hatte, wollte er selbst wissen, was es mit der Software auf sich hat - zumal sein eigenes Auto zu den betroffenen Fahrzeugen gehört. Er nahm sich die „Engine Electronic Control Unit“ (Engine ECU) des Motors vor. Das Steuergerät samt der Software stammt vom Zulieferer Bosch.

Es gelang Domke, die Software zu dekompilieren, also aus den nur für Maschinen lesbaren Anweisungen die Codezeilen herauszufischen. Wer genauer wissen will wie, dem sei dieser Beitrag von Golem.de empfohlen.

"Alternativer" Adblue-Sparmodus

Felix Domke mit einer "ECU"-Steuereinheit eines VW-"Schummeldiesel: In Hamburg erläuterte der Hacker seine Erkenntnisse zur digitalen Anatomie des VW-Skandals
Quelle: dpa/Picture Alliance

Die Dekompilierung der Steuersoftware ist juristisch heikel, weil Software-Hersteller dies in ihren Lizenzbedingungen meist untersagen. Er habe sich aber beraten lassen, dass er in diesem Fall nichts riskiere, da es sich um sein persönliches Fahrzeug handele, sagt der Software-Experte. Schon beim ersten Blick befand Domke: „Eine sehr interessante Art, Software zu schreiben.“ Noch stutziger wurde er, als er sich das Verfahren zur Reduzierung der Stickoxid-Emissionen näher anschaute.

Die Software steuert unter anderem den SCR-Katalysator, der die Harnstofflösung AdBlue in den Abgasstrang eingespritzt. Domke wunderte sich über die dafür festgelegten Bedingungen:

„Das Auto wird gezwungen, in einem alternativen Modus zu fahren, bei dem weniger AdBlue abgegeben wird als optimal.“

Die Vermutung des Hackers: Für die Messung von Testwerten sollen ideale Ergebnisse erzielt werden, bei längeren Autofahrten und höheren Geschwindigkeiten wird an AdBlue gespart, um die Zeit bis zur nächsten Nachfüllung zu verlängern.

Mit längerer Fahrtzeit und höheren Geschwindigkeiten werde die Abgabe von AdBlue nahezu auf null reduziert. Dafür schaltet die Software in einen alternativen Modus, abhängig von der Motortemperatur. Der Parameter laut Domke: minus 3.276,8 Kelvin. Das entspricht minus 3.550 Grad Celsius.

Autohersteller konfiguriert Software

Entsprechend schalte die Software fast nie in den Normalmodus, sagt Domke: Im Fall seines VW Sharan lief der SCR-Kat zu 75 Prozent im alternativen Modus mit minimalem Adblue-Verbrauch. Nur in zwei bis drei Prozent der Betriebszeit sei die Software im schadstoffoptimierten „Normalmodus“ gelaufen. Im Schnitt habe der Sharan 0,6 Liter Adblue auf 1.000 Kilometer verbraucht, sinnvoll wären rund 2,5 Liter.

Zwar hält die Bosch-Software die unterschiedlichen Betriebsmodi des Steuergeräts bereit. Nach welchen Parametern diese angesteuert werden, legt jedoch der Autohersteller fest. Insofern ändert sich nach Ansicht von Felix Domke durch seine Untersuchungen nichts an der rechtlichen Situation im VW-Skandal.

Der Kongress des Chaos Computer Club läuft noch bis Mittwoch im "Congress Centrum Hamburg". (dpa/bmt)

 

Quelle: dpa; golem.de