Classic Driving News
Ein Lada im Plastikkleid
Der Idee hinter dem Bohse Euro-Star: Eine kantige Kunststoffkarosserie sollte den Lada Nova für Leichtigkeit und Lebensfreude öffnen. Doch blieb der Bohse Euro-Star ein seltener und weitgehend unbekannter Sonderling, der mehr verdient, als belächelt oder bemitleidet zu werden.
Der Bohse Euro-Star-Prospekt strahlt Lebensfreude aus: So viel Optimismus steckt in den Sätzen, und so viel Hoffnung spricht aus den Bildern: gut gelaunte Menschen, ausgelassen in einem offenen Auto. Es ist nicht weniger als Euphorie, die aus der Broschüre quillt und die sie ihrerseits wecken soll: Das Leben ist schön, und es wird noch schöner werden mit diesem Wagen. Die Zukunft kommt - sie wird modern sein und rostfrei und "ein herrliches Fahrvergnügen".
Bohse Euro-Star - Der Super-Flitzer aus dem Emsland
Die Wirklichkeit aber wollte nicht so wie im Werbeprospekt betextet. In Wirklichkeit wurde aus dem Bohse Euro-Star nie der "Super-Flitzer aus dem Emsland". Wenigen nur eröffnete sich, dass seine "moderne Kunststoffkarosserie (Polyester) das Material der Zukunft im Automobilbau" sei. Die meisten bekamen nichts mit von dem Versprechen "unbegrenzter Haltbarkeit mit TÜV-Gutachten". Oder hielten sie es hinsichtlich dieses Autos für eine Drohung?
Dass er "serienmäßig mit Kunstlederpolsterung" versehen war, nahm die Kunden nicht in Massen für ihn ein, ebenso wenig, dass mit ihm "der Urlaub noch interessanter" werde. Und "wie vital die Kraft des Antriebes ist", mochten sich allenfalls jene vorstellen, die noch nicht erfahren hatten, wie zäh und unkultiviert ein russischer Vierzylinder sich geben kann, wenn er sich aus 1,2 Litern Hubraum 60 PS abringt. Selbst "ein Aschenbecher vorne, zwei Aschenbecher hinten" sollten den Bohse Euro-Star nicht vor seinem Schicksal retten: Er war ein Unzeitgemäßer, ein Avantgardist, dem es verwehrt blieb, als Trendsetter Erfolge zu feiern.
Unverstanden blieb der Bohse Euro-Star und in der Stückzahl zu gering, um an diesem Unverständnis etwas ändern zu können. Nur etwa 200 sollen in den weltweiten Vertrieb gegangen sein.
Haben wir den Bohse Euro-Star nicht verstanden?
Zwar beförderte der Euro-Star die Firma Bohse nicht wie mancherorts behauptet in die Pleite. Es folgte ein Auto, das zunächst als Bohse Safari angeboten und später von Lada selbst als Samara Fun verkauft wurde. Doch war es wie so oft in der Geschichte mutiger Ideen: Der Plan war gut, musste jedoch scheitern,weil die Zeit noch nicht gekommen, die Menschen noch nicht reif waren. Ist dieser Bohse Euro-Star - wie wegweisend allein der Name - also einer, der sich erst mit Verzögerung begreifen lässt, wertschätzen gar? Oder kann es sein, dass schon mit der Idee etwas nicht stimmte?
Ursprünglich hatte der heute 82-jährige Johann Bohse, gelernter Schmied und Konstrukteur unter anderem von Entmistungs- und Versorgungsanlagen für Ställe, sein "Universal-Fahrzeug für Sport - Urlaub - Freizeit - Beruf" auf dem Golf 1 basierend ersonnen. 1984 war ein "Ems-Blitz" getaufter Bausatz entstanden, zwei Jahre später einige wenige Umbauten. Doch die Fahrgestelle der gebrauchten VW, die Bohse dafür gekauft hatte, eigneten sich konstruktiv eigentlich nicht. Sie waren zu weich und mussten aufwändig verstärkt werden, was sich für den Dörpener Kleinhersteller mit seinen 25 Mitarbeitern nicht rechnete.
Die drei Vorzüge des Lada Nova, der Euro-Star-Basis
So hielt ab 1988 ein anderes Auto als Unterbau für den Bohse Euro-Star her: der Lada Nova. Im Grunde war der schon ein Oldtimer, als er ab 1980 in Deutschland verkauft wurde. In der russischen Heimat begehrt, mit zwei Jahresgehältern teuer bezahlt und kultisch verehrt, erschloss er sich dem Publikum im Westen nie so ganz. Bestenfalls galt er als Statement, als automobiler Ausdruck sozialer und politischer Einstellung respektive: Gesinnung.
Genossen, die keine waren, vermochten im so geräumigen wie archaischen Viertürer nicht mehr als drei Vorzüge zu erkennen. Erstens: Die Heizung tut. Zweitens hieß es in einem Fahrbericht in auto motor und sport 1986, der Lada zeichne sich vornehmlich dadurch aus, "dass es im Wagen kaum zieht, wenn man ein vorderes Türfenster ganz oder halb öffnet". Welch eine Ironie angesichts des Bohse Euro-Star. Drittens: der Preis. "Er war am billigsten", sagt Johann Bohse selbst auf die Frage, wieso er schließlich den spaßfreien Lada als Basis wählte für ein Auto, das Spaß und Leichtigkeit und Lebensfreude transportieren sollte.
Aus dieser Kombination von Basis und Überbau resultiert die besondere Eigenart im Wesen des Bohse Euro-Star, die mutigen Ausdruck in der entschlossen geradlinig gezeichneten Karosserie findet: Er wagt in aller Sperrigkeit eine beinahe intime Nähe zum Absurden. Damit ist nicht leicht umzugehen. Dass jemand meinte, ans Heck dieses späten Exemplars ein "5-Speed-Turbo"-Signet anbringen zu müssen, zeugt vom gescheiterten Versuch, den Euro-Star so zu nehmen, wie er ist.
Beim Bohse Euro-Star gibt es keinen Unterschied zwischen Innen und Außen
Der Bohse Euro-Star macht es einem aber auch schwer, schon in ganz profanen Dingen, will sich nicht gerne besitzen lassen. Soll heißen: Schon das Einsteigen gelingt nicht auf Anhieb. Nach oben hin verstärkt, stellen sich die Schweller Füssen wie Schienbeinen entgegen, und erst mit dem Hintern voran klappt das Vorhaben, in den Innenraum des Bohse zu gelangen, ohne ungeschickt anzuecken. Wobei der Begriff Innenraum nicht richtig gewählt ist, denn einen wesentlichen Unterschied zwischen Innen und Außen gibt es beim Euro-Star nicht.
Spätestens bei Tempo 100, heißt es, heben die hinteren Fußmatten ab. Selbst wenn Dachplatten, Türplanen und Heckverdeck an Druckknöpfen, Gummibändern und Reissverschlüssen befestigt sind, finden Wind und Wasser Wege, die ihnen besser verschlossen blieben. Es zieht und regnet rein in den Bohse Euro-Star.
Der zierliche Vierzylinder hingegen zieht weniger stark, wohl aber tapfer und springt auf deftig angefettetem Gemisch allürenfrei an. Nach wenigen Metern ist er auf Temperatur, und energisch kann mit einer Bewegung, als gelte es einen Spaten in schweren Lehm zu stoßen, der Choke zurückgeschoben werden. Bei Tempo 50 schon johlt der Motor - dass er warm ist, lässt ihn keinen Deut geschmeidiger agieren - das laute Lied vom vierten Gang. Einen weiteren gibt es nicht, wiewohl er gelegen käme.
Entwaffnende Hemdsärmeligkeit veralteter russischer Mechanik
So kurz übersetzt ist das Getriebe im Bohse Euro-Star, dass bald wieder die Hand zum dürren Schaltstock gehen will, um mit abermaligem Stochern eine nächste Fahrstufe zu finden, die dem Antrieb etwas von der Last der Drehzahl nähme. Der Motor quält sich, als schmiere ihn ein Eimer Sand. Er gibt, was er nur kann und klingt dabei, dass am Steuer eine Sorge wächst: Ob er wohl Schmerzen hat? Die Sorge zeigt, wie sehr der Wagen den berühren kann, der sich nur berühren lässt von dieser entwaffnenden Hemdsärmeligkeit veralteter russischer Mechanik und dem angejahrten Reiz der Kunststoff-Kleinserie, spröde längst und ausgebleicht wie der Glaube an unbegrenzte Haltbarkeit.
Die Hoffnung quasi auf ewiges Leben, die sich mit dem Material einst verband. Die Zuneigung allerdings legt sich nur dünn über ein anderes, stets präsentes Gefühl. Was vom Lada im Bohse Euro-Star blieb, neben dem Fahrgestell und einigen Blechteilen vornehmlich des Vorderwagens eben auch sämtliche Bedienelemente, fasst sich an und bewegt sich, als wolle es sich nicht anfassen und bewegen lassen, ohne kaputt zu gehen. Der Schaltstock lang und dünn wie ein Storchenbein, Blinker- und Lichthebel dürr wie Gräten. Doch muss manches angefasst werden, als habe man gerade vor, es kaputt zu machen, sonst tut sich nichts.
Das magere Steuer etwa verlangt im Stand nach einer, die Lenksäule verbiegenden, rohen Gewalt, damit die Räder in eine andere Richtung zeigen wollen. Einmal in Bewegung lenkt es sich leichter, wenn auch nicht präzise, und entgegen den fleißigen Rührbewegungen am Steuer will der Wagen auf seiner Starrachse stets unterhaltsam aus der Spur drängen und dabei mit dem Kofferraumdeckel klappern.
Sie sind sehr selten geworden, die Gelegenheiten, sich in einem Auto mit so geringen Mitteln so grandios zu amüsieren. Und wer den Bohse Euro-Star dennoch für einen seltsamen Schrotthaufen halten möchte, soll das gerne tun. Er sagt damit weniger über das Auto als über sich selbst. Es sind solche Menschen, die auch einen dreibeinigen Hund als Krüppel beschimpfen und fortjagen würden.
Quelle: Motor Klassik
Tolles Konzept, ist wohl den sich dort zu hundertausenden verkaufenden französischen Strandautos der dortigen Massenhersteller aus den 70ern nachempfunden: Citroen Méhari (Entenbasis), Renault Rodeo 4 bzw. 6, Renault 5 Rodeo. Der Plastik-Lada ist sogar noch häßlicher als Letztere Plastikbadewannen aus Frankreich! 😆
Aber 1.2l 60PS? Seit ihr da sicher?
Sowas gab es doch nur in der DDR? 😕
Bei uns im Westen hatten doch alle Novas in den 80er- frühen 90er Jahren den 1500er Motor mit 67PS (Ausführung VAZ-2105). Kann mich aber täuschen...
Edit / Korrektur:
Es gab den 1200er tatsächlich auch im Westen, Ende der 80er - als Ultra-Sparmodell "Nova Junior" - für die paar wenigen armen Schweine, die sich noch nicht mal den "echten" Nova 1.5l 2105 leisten konnten / wollten... Da machte sogar ein alter Citroen 2CV, 34PS-Käfer oder Renault R4 WESENTLICH mehr her, zumindestens vom Image her! 😆
Hab ich schon einmal gesehen (live) und 2Dörfer weiter versucht einer immer mal wieder so einen los zu werden, scheinbar ohne Erfolg 😆
"Der Plan war gut, musste jedoch scheitern,weil die Zeit noch nicht gekommen, die Menschen noch nicht reif waren."
Autos verkauften sich halt auch damals schon nicht zuletzt über die Optik und zu der muss man bei dem Wagen wohl nicht viele Worte verlieren... 😆
Schlimmer, geht es nimmer!
Der Trabbi III😆
die idee war gar nicht schlecht. denn der lada als basis ist einfach zu warten und bei guter pflege recht haltbar. aber die karosserie des brohse war vor allem extrem häßlich. die kann so mancher 10jährige eleganter und praktischer zeichnen. dazu kamen die räder, die sich wie beim wohnmobil tief in den radhäusern versteckten. auch war es kein vollcabrio und sehr unpraktisch in der raumaufteilung.
meine eltern hatten wie viele deutsche in südfrankreich ein ferienhaus, das auch vermietet wurde. ein auto dieser art gehörte dazu, um fluggäste mobil zu halten und ein pflegeleichtes sommer-mobil anzubieten. bei uns wurde es der damals nicht billige und nicht unbedingt zuverlässige mehari. wenn der guardian vom village nicht ein geschickter hobby-mechaniker gewesen wäre, hätten wir uns von dem mehari trennen müssen. insofern wäre ein brohse mit schickerer karosserie eine alternative gewesen.
ich glaube bei mobile.de einen gesehen😆zu haben
Die typische Ausrede des misglückten Erfinders... "Oh, die Welt war noch nicht reif für meinen achtäugigen Kuchenbackblumengiesstaubsauger™". Gähn. Am Ende war die Welt vielleicht doch nicht reif für ein hässliches Schrottauto ohne grossartigen Nutzen. 😉
Lieb Gruss
Oli
Der Sprößling unserer Nachbarn fährt auch so ein ähnliches Auto.