Autobahngeschichtliche Sammlung Erkner
Ein Museum für unsere Fernstraßen
In Erkner bei Berlin steht eine ganz besondere Autobahnmeisterei: Sie besitzt eine historische Sammlung und Dokumentation rund um die Geschichte unserer Autobahnen.
Erkner - Die Autobahn. Verheißung grenzenloser Freiheit - und grenzenlosen Frusts. Dafür, dass es immer irgendwie weitergeht, sorgen die Autobahnmeistereien. Eine ganz besondere steht in Erkner bei Berlin. Denn sie beherbergt ein Autobahnmuseum – eine historische Sammlung rund um die Geschichte der Autobahn.
Dort können Autofahrer von heute eine Vorstellung davon bekommen, wie es vor 50 oder 60 Jahren auf den Schnellstraßen zuging: langsamer, entspannter und vor allem deutlich leerer.
Zum Museum gehört auch die Geschäftsstelle der Arbeitsgemeinschaft Autobahngeschichte (AGAB). Sie verfügt über eine Sammlung von Relikten aus der gut 80 Jahre alten Schnellstraßen-Historie.
Da stehen ein alter Keilschneepflug aus dem Schwarzwald von 1955. Kleine Wägelchen für den Fugenverguss aus der DDR. Und eine Lore für den Autobahnbau aus den 30er Jahren, mit der das Schüttgut transportiert wurde.
„Damals wurde noch sehr viel per Hand gemacht“, sagt Reinhard Arndt. Der 60-Jährige ist bei der AGAB der Experte für ostdeutsche Schnellstraßen. Bei der Autobahnmeisterei Erkner arbeitet Arndt seit 1990.
Kurze Geschichte der Autobahn
Die Geschichte der deutschen Autobahn reicht zurück bis in die Weimarer Republik. Ab 1924 wurden private Vereine gegründet, die sich für diverse Schnellstraßen einsetzten. Angeregt wurde diese Entwicklung von der ersten privaten Autobahn in Italien - von Mailand zu den lombardischen Seen.
In der Zeit der Republik scheiterten die Projekte aber, von Ausnahmen wie der Berliner Avus (9 km) oder der Kraftfahrtstraße Köln (20 km) abgesehen. Weder konnte der Staat die Schnellstraßen finanzieren, noch wollte er den Bau privater Straßen zulassen.
Erst die NSDAP-geführte Regierung ließ sich von der HaFraBa (Verein zur Vorbereitung einer Autostraße Hansestädte-Frankfurt-Basel-Genua) von der Idee überzeugen. Der Verein selbst wurde dennoch wegen fehlender Linientreue aufgelöst.
Nun ging alles sehr schnell. Fritz Todt, Ingenieur und NSDAP-Mitglied, wurde zum "Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen" ernannt, und schon am 23. September 1933 folgte der erste Spatenstich für die Strecke Frankfurt-Darmstadt, noch nach Plänen der aufgelösten HaFraBa. Ende 1935 war das Netz 108 Kilometer lang, 1939 bei Kriegsbeginn waren es 3.297 Kilometer. Während des Krieges wurden noch knappe 600 Kilometer fertiggestellt.
Volkswirtschaftlich war der Bau der Autobahnen damals kaum zu rechtfertigen. In ganz Deutschland gab es 1933 nur etwa 600.000 Kraftfahrzeuge. Auch konnte das teure Projekt die Arbeitslosigkeit nicht wirksam bekämpfen: Bei sechs Millionen Arbeitslosen fanden im Autobahnbau maximal 130.000 Menschen Arbeit, noch einmal die gleiche Anzahl arbeitete in den Zulieferbetrieben.
Trabi-Ersatzteillager
Der DDR fehlte vielfach das Geld, die alten Reichsautobahnen zu erneuern. Der Zustand war entsprechend schlecht. „Überall waren die Betonplatten gerissen“, erinnert sich Arndt.
Zwischen Hellersdorf und Marzahn, bei Kilometer 16 auf dem Berliner Ring, war ein Schlagloch berühmt-berüchtigt: Dort war die Delle in der Fahrbahn so tief, dass die Trabis regelmäßig Teile der Stoßstangen verloren. „Wer diese Teile für seinen Trabi brauchte, fuhr also an diese Stelle. Da lag was in der Böschung“, sagt Arndt.
Der letzte Original-Autobahnabschnitt
Nach der Wende wurden die maroden ostdeutschen Autobahnen grunderneuert, heute sind viele in besserem Zustand als die im Westen. Mit einer Ausnahme: Auf der A11 kurz hinter dem Kreuz Uckermark gibt es bis heute ein Stück Autobahn aus den 30ern. Das Teilstück zwischen Kilometer 85,9 bis 90,7 wurde vor 1940 gebaut und liegt in diesem Zustand bis heute da.Auf dem Abschnitt gilt eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h, ein Schild warnt vor „Straßenschäden“. Die meisten Leute fahren freiwillig langsamer, weil sie sich ihr Auto nicht kaputtmachen wollen.
Das bleibt noch mindestens zwei Jahre so. Frühestens ab 2015 könnte das Teilstück ausgebaut werden, wenn der Bund die finanziellen Mittel zur Verfügung stellt. Neben der Fahrbahn müssen fünf Brücken neu gebaut werden. Die bestehenden stammen ebenfalls aus den 1930ern.
Die Menschen in der Umgebung nehmen es mit Humor. Am 27. September 2016 wird ihr Reichsautobahnabschnitt 80 Jahre alt. „Vielleicht ist das ja was für das Weltkulturerbe der Unesco“, spottet Frank Gotzmann, Amtsdirektor in Gartz (Oder). Oder für die autobahngeschichtliche Sammlung in Erkner: Das Museum hat schon ein paar Betonplatten vorbestellt.
Quelle: dpa; AGAB; AM Erkner
Da sollten sich heutige Baufirmen mal ein Beispiel dran nehmen. Aber die schaffen ja nicht mal mehr 5 Jahre Haltbarkeit ...
Sehr interessanter Artikel, mehr von sowas bitte!
Von solchen AB-Abschnitten gab es vor ein paar Jahren noch recht viele.
Als wir mal auf dem Weg nach Luckau zum VW-Blasen waren, sind wir auf der A13 mehr auf der Standspur als auf der eigentlichen Fahrbahn gefahren.😱
Und die dort angeschlagenen 100 km/h waren auch mit nichttiefergelegten Fahrzeugen nicht erreichbar.
Die A11 sieht noch relativ gut aus.
Fahrt mal auf die A15, von Cottbus über die Grenze Richtung Breslau(Wroc?aw).
Nur in dieser Fahrtrichtung, direkt hinter der Grenze, gibt es ein ca. 70Km langes Teilstück der echten alten Reichsautobahn 9 Berlin–Breslau.
Dort gibt es Abschnitte wo man meinen könnte, die Zeit sei dort stehen geblieben, zb. wenn man die alten Abfahrten aus Kopfsteinpflaster sieht^^
Da wurde seit knapp 80 Jahren nichts gemacht, nur geflickt!
Für Leute die in der Nähe wohnen und ein kleines Abenteuer suchen 😉
Da ist praktisch nichts mehr los, da alles was nach Schlesien will, über Dresden-Görlitz fährt.
Auf dem Stück gilt die Regel; je schneller du fährst, desto komfortabler wird es, weil das Auto über die Platten fliegt :-)
Problematisch wird es bei Schlaglöchern, die sind in der Regel so groß wie Mondkrater ;-)
Gruß Thomas
Wovon soll dann die Werkstatt- und Ersatzteilbranche leben? 😆
hätte Hitler die Autobahn nicht gebaut währen wir die letzten 70-80 Jahre auf Feldwegen gefahren. Die zweite spur von Forst bis Lübbenau (A15) wurde erst nach 1990 eingebaut.Da standen vorher Bäume drauf , welche sich wild ausgesamt hatten, und es war schlimmer als die nebenher führende damalige F115. die Autobahnen in der ehemaligen DDR waren auch nicht dem heutigen Verkehrsaufkommen bestimmt. Deswegen gingen ja nach 1990 so viele km Autobahn kaputt. Wenn mann an einem sonntagnachmittag sich mal an die Autobahn gestellt hatte da kamen in einer Stunde ca. 50-80 Autos vorbei und heute ist es das 3 fache, deswegen mußten die Autobahnen auch erneuert werden. Fährt man die A12 in Frankfurt/Oder weiter richtung Poznan (Posen) ist es für die nächsten 20km nur noch eine Bundesstrasse mit Spurrinnen und irgendwo beginnt wieder ein Stück Schnellstrasse. aber die Strassen sind nach dem Verkehrsaufkommen konzipiert und darum gibt es noch Teilstücke die noch aus Reichszeiten bestehen. Siehe in Berlin die AVUS ist bis in den 90er jahren eine Rennstrecke gewesen. Die Tribühnen stehen noch, aber bestimmt nicht lange mehr.
Das mit dem letzten Autobahnabschnitt, das sollten se mal lassen.
Als sone Art lebendiges Museum.
Originell.
Hitler sei dank, stimmt. wie blöd bist du eigentlich??
Schon lange nicht mehr da gewesen, was? die A12 ist derzeit eine reine Baustelle, die Autobahn auf der polnischen Seite dagegen ein Traum.
Reste des im Bild gezeigten Autobahnabschnitts im Süden Berlins sind immer noch vorhanden. Bei "Albrechts Teerofen" gibt es noch ein kurzes Stück der alten A115 einschließlich der Autobahnbrücke über den Kanal. Auf Google Maps gibt es ganz gute Bilder. Es steht sogar noch die Baracke der alten Raststätte Dreilinden.
Der gezeigte Autobahnabschnitt wurde aber nicht wegen der Transitstrecke Berlin-Hamburg überflüssig, die ja im Nordwesten über Tegel aus Berlin herausführte. Die A115 liegt jedoch im Südwesten Berlins. Überflüssig wurde der Abschnitt, weil die DDR den Grenzkontrollpunkt Drewitz verlegte. Die Autobahn führte ursprünglich aus der DDR kommend über das kurze (noch vorhandene Stück) über die Ortslage Albrechts Teerofen, die zu West-Berlin gehörte, aber wie eine Zunge in das Gebiet der DDR ragte, wieder auf DDR-Gebiet, um dann an der Königswegbrücke wieder West-Berliner Gebiet zu erreichen. Die Kontrollstelle war ursprünglich im Bereich vor Albrechts Teerofen und die DDR wollte mit der Verlegung vermeiden, dass Fahrzeuge nach der Kontrolle noch einmal kurze Zeit, nachdem sie in Albrechts Teerofen ja schon in West-Berlin waren, nach der Überquerung des Kanals unkontrolliert über DDR-Gebiet fahren mussten. Eine der vielen Ecken rund um Berlin, die noch heute die absurde Situation zu Zeiten der Teilung nacherleben läßt!
Klasse Artikel! Ich wünsche mir mehr Bilder!!! 😎
Genau diese Autobahn bin ich dieses Jahr im Sommer mit Kurs auf Auschwitz entlanggefahren. Ich war sowas von verwundert und hatte noch ca. 400-450km durch Polen zu fahren. Ich war ernsthaft am zweifeln ob das so weiterginge...ich hatte sowas von genug nach 70km geratter. 😆
Es war kaum Verkehr, gefühlt war ich der einzige mit deutschem Kennzeichen...ein Speed von 80-90 war machbar, häufig wurde aber wegen den Baustellen alle 2km auch auf 40-60 reduziert. Die Autobahn war mit einzelnen Platten gebaut, die im Laufe der Zeit ordentlich auseinandergeschoben worden sind...das Ganze gab schön viele monotone Schläge. Besonders spaßig war das mit meinem hart gefederten 1er mit 18"-Felgen nun wirklich nicht.
ABER: interessant zu lesen, dass das eine alte Reichsautobahn war. Das war mir gar nicht so bewusst, ich habe mich in erster Linie wahnsinnig über diesen unglaublich schlechten Straßenzustand gewundert.
Hier habe ich mal noch ein aktuelles Bild dieser von Tomelino beschriebenen Reichsautobahn in Polen.
So sahen übrigens die gesamten 70km aus. Schnurgerade, links und rechts nur Wälder...ab und an eine abenteuerliche Ausfahrt, die in Deutschland heutzutage im Leben nicht zulassungsfähig wäre. 😆
@Wollschaaf: danke für das Pic! 😎
An alle, die unter dem Autobahnbau unter Hitler etwas positives sehen, ist dieser Text gerichtet. (Ganz besonders @sekbt67)
Der Autobahnbau wird manchmal als einer der wenigen positiven Leistungen Hitlers angeführt. Doch auch dieses Unternehmen geschah unter grausamen Bedingungen. Die Autobahnen sollten wegen hoher Arbeitslosigkeit weitgehend ohne Bagger und Baumaschinen in beschäftigungsintensiver Handarbeit erstellt werden. So mussten Zigtausende Schwerstarbeit leisten bei Kiesgewinnung, Humusabhub, Abschachten der Bodenmassen und Aufschüttung der Dämme. Oft wurden Arbeiter aus den Großstädten an die Baustellen auf dem Lande zwangsweise abgeordnet, was eine lange Trennung von der Familie bedeutete. Mit einem Stundenlohn von 50 Pfennigen verdienten sie abzüglich ihrer Unterbringungskosten weniger, als sie als Arbeitslose an Unterstützung bekommen hätten. Untergebracht waren die Arbeiter in Behelfsquartieren wie Zelten, Baracken, Scheunen und Ställen. Auf 13 Quadratmetern waren 10 Mann untergebracht, ohne sanitäre Einrichtungen. Die Schichtarbeit störte den wenigen verbleibenden Schlaf. Essen und Trinkwasser mussten von weither besorgt werden. Bei der Hitze in den Baracken war es unmöglich, Lebensmittel zu lagern, ganz zu schweigen von den unsäglichen Umständen in den fast unbeheizten und löcherigen Unterkünften im Winter. Zur Arbeitsstelle mussten die Arbeiter bis zu 16 km zu Fuß hin und abends wieder zurückgehen. Hinzu kam die schlechte Ernährung. So waren nicht nur Schwächeanfälle an der Tagesordnung, sondern ein bis dahin unbekanntes Leiden kam auf: die »Schipperkrankheit«, Ermüdungsbrüche der unteren und oberen Wirbelsäule. Die Beiträge zur Krankenkasse wurden bei Autobahn-Bauarbeitern auf das Vierfache des normalen Satzes erhöht. Und auf jeden sechsten fertigen Autobahnkilometer kam ein tödlich verunglückter Arbeiter.
Streik und Arbeitsverweigerung waren bei den politischen Gegebenheiten undenkbar, und selbst eine Krankmeldung konnte den Verdacht auf Vorsätzlichkeit wecken, sodass unter Umständen eine Deportation ins KZ drohte. Unter noch schlimmeren Umständen mussten die Juden arbeiten, die als Bestandteil ihrer Erniedrigung ab 1938 beim Autobahnbau eingesetzt wurden.
(c) Von Hans-Werner Deppe
Trotzdem ist der Artikel interssant und gut. Nur finde ich sollte man es nicht so einfach stehen lassen, dass zwischen 1935 und 1939 ja sooo viele Autobahnkilometer entstanden sind. Ich finde es gehört einfach zu unserer Verantwortung dazuzuschreiben, dass sie unter schrecklisten Bedingungen entstanden sind!
Grüße
S.