Test: Opel Karl

Ein Parkplatzschnapper namens Karl

verfasst am Sat Jan 09 10:51:54 CET 2016

Opels Stadtflitzer leistet zwar nicht viel, bietet aber eine Menge. Zumindest in der Stadt. Wir waren zwei Wochen unterwegs im verstopften Straßengewirr des Rheinlands. Danach macht keiner Witze über Kalle Opel.

Berlin – Namen können manchmal eine Strafe sein. Meist für Kinder, selten für Autos. Karl ist so ein Beispiel. Wobei klar ist: Agila (so hieß der Vorgänger) war keinen Deut besser.

1. Gang: Die Basis

Vier Türen, verteilt auf nur 3,68 Meter Länge? Das klingt praktisch und ist es auch. Doch Konkurrenten wie Citroën C1, Renault Twingo, Hyundai i10 und VW Up sind noch kürzer, bieten aber ähnlich viel Platz. Dafür kostet der Karl weniger, auch als der zweitürige Opel Adam, von dem ihn ganze 2.450 Euro trennen. Der Platz im Karl reicht gerade so für vier, hinten fühlen sich aber eigentlich nur Kinder länger wohl. Und im trostlosen Kofferraum sind die Teppiche dünn, der Kunststoff ist billig. Als Fahrer muss einen das nicht stören, vorne wirkt der Kleinstwagen größer, stattlicher. Die Instrumente sind klar, die Oberflächen angemessen. Im Vergleich zu seinen Wettbewerbern wirkt er wertiger und solider.

2. Gang: Das Beste

Kleinstwagen gehören in die Stadt. Dort spielt der Karl seinen größten Vorteil aus: die Wendigkeit. Mit einem Wendekreis von 9,5 Metern macht das Wuseln durch dichten Verkehr und kleine Gassen richtig Spaß. Aber: Ein Smart ForFour oder ein Renault Twingo können das (auch dank Heckmotor) noch besser. Sie lassen sich auch auf kleinen Straßen stets in einem Zug wenden - nur 8,65 Meter brauchen sie für eine volle Umdrehung. In der Topausstattung „Innovation“ bietet der Karl serienmäßig fünf Sitze – vor allem aber bietet der Karl zwei Zentimeter mehr Platz als der Up. Das klingt nach wenig, macht aber selbst für Kinderbeine viel aus.

Der Motor des Karl ist ein kleiner Krawallmacher. Leicht grölend arbeitet der 1,0-Liter-Dreizylinder unter der Haube, leistet 75 PS. Für das Eintonnen-Wägelchen reicht das. In 13,9 Sekunden rollt Karl über 100, die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 170 km/h. Auch wenn im Fahrzeugschein des Erprobungswagens nur 161 km/h angeben sind. Bis 130 km/h zieht der Karl jedenfalls ordentlich, darüber wird es zäh und das Blech beginnt zu dröhnen.

Für die Strecken zwischen Wohnung, Kita und Job ist auch der Federungskomfort ausreichend. Mit einer Person an Bord bügelt das Fahrwerk noch Manches weg und schont die Insassen auch etwas mehr als der härter gefederte Adam. Straffe Sitze und eine höhenverstellbare Kopfstütze sind in der Klasse nicht selbstverständlich – beim Karl schon.

Bei der permanenten Stop-and-go-Gurkerei fließen - man kennt das - ein paar mehr als die versprochenen 4,5 Liter aus dem Tank. Bei uns waren es nach rund 800 Kilometer im Schnitt 6,2 Liter. Viel, aber auch nicht mehr als bei seinen Wettbewerbern. Für eine Lobeshymne reicht es also nicht bei Antrieb, Fahrwerk, Komfort. Aber man muss ehrlich sein: Viel mehr erwartet in dieser Klasse keiner, viel mehr leistet auch keiner.

3. Gang: Das Schwächste

Der Karl nennt sich Kleinstwagen - und nimmt das etwas zu wörtlich. Während beim VW Up beispielsweise 251 Liter in den Kofferraum passen, kann der Karl nur 206 Liter einladen. Damit passen in der Normalstellung nur zwei Wasserkästen nebeneinander rein. Der restliche Einkauf weicht dann auf den Beifahrerfußboden aus. Die Rücksitzlehnen lassen sich umklappen, aber das ist etwas umständlich: Dazu muss man nämlich die Sitzkissen hochkant stellen und die Kopfstützen entfernen. Erst dann lässt sich die Rückenlehne umlegen. Wer es einmal gemacht hat, der lässt es bei dem einen Mal.

Und auch elektronisch steht nicht alles zum Besten beim Karl. So tauchten während der Testfahrt ein paar Fehlermeldungen im Display auf. Besonders beliebt: Fehlercode 77. Eine Doppelseite im Bordbuch gibt freundlicherweise Auskunft, was das bedeutet. Auf Seite 82 steht: Fehlercode 77: „Wartung erforderlich: Spurassistent/Frontkamera.“ Statt der Wartung hilft aber auch: Motor ausstellen und wieder anmachen. Leider nur für ein paar Tage. Dann war die Meldung wieder da. Auf dem Weg zum Opel Händler erlosch sie wieder. Also wieder zurück aus der Stadt. Seltsam.

4. Gang: Das Überflüssigste

Opel preist den Karl als preiswertes Modelle ein. Die Basisversion Selection kostet 9.500 Euro – inklusive Fensterkurbeln. Die Edition-Ausstattung (ab 10.650 Euro) mit elektrischen Fensterhebern und Sitzhöhenverstellung für den Fahrer sollte es schon sein. Doch Opel ist nicht der einzige Hersteller, der bei der Ausstattung spart: Der fünftürige Skoda Citigo mit 75 PS kostet mindestens 10.790 Euro, mit elektrischen Fensterhebern vorne mindestens 11.240 Euro.

Die Version Innovation mit Klimaautomatik, Radio, Lederlenkrad und Zentralverriegelung kostet 13.155 Euro. Isofix-Halterungen schlagen mit 170 Euro zu Buche und die Metalliclackierung mit 465 Euro. Warme Hände im Winter gibt es mit dem Komfortpaket und der integrierten Lenkrad- und Sitzheizung ab 395 Euro. Mit Spurassistent, Sitzheizung und Schiebedach kostet der Kleinstwagen dann schnell 15.000 Euro – viel Geld für ein von Opel als günstig angepriesenes Auto. Zu viel Geld. Der über 30 Zentimeter längere Corsa fängt als Fünftürer auch schon bei 12.765 Euro an.

5. Gang: Das Wissenswerte

Mit dem Nachfolger der Blechdose Agila (2000-2014) trennt sich Opel aus der Kooperation mit Suzuki. Doch der Karl wird bei GM in Korea gebaut, läuft dort als Chevrolet Spark. Demnächst soll er als Vauxhall Viva auch in Großbritannien auf den Markt kommen. Opel betont aber, dass der Karl in Rüsselsheim entwickelt wurde.

 

6. Gang: Das Besondere

Die Opel-Marketingabteilung nannte den Karl angeblich nach dem Sohn des Firmengründers Adam Opel. Der schrieb sich allerdings Carl. Oder vielleicht ist der Name auch eine Ehrerbietung an den aktuellen Vorstandsvorsitzenden Karl-Thomas Neumann? Wir wissen es nicht.

Der Basispreis von 9.500 Euro ist zwar Augenwischerei, aber: Auch ein besser ausgestatteter Karl mit elektrischen Fensterhebern kostet weniger als die Konkurrenten. Der Citroën C1 Feel mit fünf Türen und elektrischen Fensterhebern kommt auf 11.050 Euro, der Hyundai i10 Trend kostet 11.870 Euro, der Seat Mii Style mit 75 PS kommt auf 10.790 Euro, der Skoda Citigo mindestens auf 11.240 Euro und der 75-PS-Up auf 11.375 Euro. Wer hätte das gedacht?

Ausrollen und Fazit

Der Opel Karl ist das richtige Auto für die Stadt: klein, wendig, spritzig und praktisch. Ein Parkplatzschnapper im Feierabendverkehr. Über den Kofferraum im Handtaschen-Format kann man hinwegsehen. Über manuelle Fensterheber in der Basisausstattung aber nicht. Das ist zu viel Basis. Selbst für einen konservativen Namen wie Karl.

TECHNISCHE DATEN: OPEL KARL

  • Motor: 1,0-Liter-Dreizylinder-Benziner
  • Getriebe: Fünfgang manuell
  • Leistung: 75 PS (55 kW)
  • Max. Drehmoment: 95 Nm
  • 0-100 km/h: 13,9 s
  • Höchstgeschwindigkeit: 170 km/h
  • Verbrauch: 4,5 l/100 km
  • CO2: 104 g/km
  • Testverbrauch: 6,2 l/100 km
  • Länge: 3,67 m
  • Breite: 1,69 m
  • Höhe: 1,47 m
  • Radstand: 2,38 m
  • Leergewicht: 939 kg
  • Kofferraum: 206 - 940 (1.013) l
  • Preis ab: 9.500
  • Testwagenpreis: 12.900 Euro