Maserati 450 S beim Concorso d'Eleganza
Eine italienische Geliebte mit 480 PS
Beim Concorso d‘Eleganza stehen Autos im Sonnen- und Rampenlicht, die sonst im Verborgenen gepflegt werden. Wir haben den Eigner eines solchen Blechschatzes begleitet.
Cernobbio - Die kurzen Gasstöße lassen die feinen Kieselsteine scheinbar tanzen. Hach, was für ein Achtzylinder-Sound. Ungefiltert. Da steht der Besitzer und grinst, bis die Lachfalten an seinen Ohren ziehen. Dabei wird sein bestes Stück, der Maserati 450 S von 1956, gerade von drei Herren beäugt, als schauten sie auf Schweinehälften. Kritisch, akribisch, nahezu emotionslos. Und das beim Klang dieses Motors, der so klingt, wie ein Rennmotor klingen soll: laut und gewaltig.
Dieser Donner passt gar nicht zum bescheidenen Auftritt des Besitzers. Sanftmütig steht er bei seinem hochglanzpolierten Fahrzeug, in Jeans, Hemd, sein Blick verborgen hinter einer dunklen Sonnenbrille.
Einzigartigkeit ist die entscheidende Währung
Der 64-Jährige stellt sich zum dritten Mal mit einem Auto den Juroren des Concorso d‘Eleganza an der legendären Villa d’Este. Natürlich stets mit anderen Modellen. „Dennoch ist es jedes Mal etwas Besonderes und eine Ehre“, sagt er. Schriftlich bewerben kann sich zwar fast jeder mit entsprechendem Gefährt – doch schon über die Teilnahme entscheidet eine Jury. Gewählt wird nicht nach Leistung oder Preis, sondern nach Einzigartigkeit. Wer hier am Ende gewinnt, erntet Respekt und Lob, aber steigert vor allem den Wert seines Autos.
Das schätzt der Oldtimer-Enthusiast. Wie viele Autos er selbst besitzt, sagt er nicht. „Es sind ein paar, ein paar mehr.“, schmunzelt er. Deshalb hat er einen Mechaniker eingestellt. Und arbeitet selbst als Helfer in seiner Garage. „Früher hatte ich wenig Zeit zum Selbstschrauben. Jetzt lerne ich das von meinem Mechaniker – als helfende Hand.“ Vier Tage in der Woche.
„Ab sieben Uhr stehe ich in der Werkstatt, dann wird bis 19 Uhr geschraubt bis die Hände schwarz sind“. Nebenbei kümmert er sich um die Ersatzteile und die nötige Literatur. „Wir machen fast alles selbst, bis auf die Lackierarbeiten, die geben wir raus. Ob das stressige Arbeit für ihn ist? "Nein, das ist pure Freude und Entspannung“, sagt er und grinst zufrieden.
Autos mit Geschichte sind Leidenschaft
Vor drei Jahren ist er aus dem aktiven Berufsleben ausgestiegen. Seitdem widmet er sich sehr dem wertvollen Blech, vorwiegend italienischen Autos. „Wenn man jahrzehntelang hart gearbeitet hat, kann man später nicht gar nichts machen.“ Den ersten Oldtimer, einen Lamborghini Miura SV von 1970, kaufte er sich vor 30 Jahren. „Ich bin der Marke verfallen. Dass der aus einfachen Verhältnissen stammende Ferruccio Lamborghini aus dem Nichts so ein Unternehmen auf aufgebaut hat, das fasziniert mich bis heute.“
Es ist nicht die schiere Leistung, die ihn bei alten Autos interessiert. „Mich reizen die Formen und Kulturen italienischer Wagen und deren Geschichte.“ Dazu zählt das ganze Drumherum, die Einsätze, die Vorbesitzer und eine vollständige Dokumentation. Den Italo-Fan begeistern die ganz speziellen Fahrzeuge, wie Einzelstücke oder Prototypen. „Das Auto muss beim Kauf ein astreines Erscheinungsbild haben, ich muss mich sofort verlieben.“
Auch für die Jury ist die Exklusivität wichtig, denn perfekt restauriert sind hier alle Autos. Manche stehen auf dem Rasen perfekter da als bei ihrer Auslieferung. Das Leder hat keine Narben, der Lack glänzt unnatürlich. Merke: Zu viel Perfektion kann einem Auto die Seele rauben.
Patina ist genau so wichtig wie poliertes Blech
Nicht so der Maserati 450 S. Der Italiener hat glänzenden Lack, aber auch Patina. So ist die Innenseite des Blechs auf der rechten Seite von der Auspuffhitze braun angelaufen – Zeugnis flotter Fahrten. Die paar Macken sagen: ich werde noch bewegt – obwohl ich selten bin: Er ist der erste Prototyp von insgesamt zehn gebauten Fahrzeugen, ein reiner Rennwagen mit 4,5-Liter-V8 und 480 PS.
Unter der Fantuzzi-Karosserie steckt pure Renntechnik. Ein Auto, gebaut, um bei Weltmeisterschaftsläufen die Ferrari abzuhängen. Doch 1957 wird das Reglement geändert und das Auto geht in die USA. Bei einem der ersten Rennen sitzt der junge Carol Shelby hinterm Lenkrad. Über den nun größeren Motor soll er gesagt haben: „Hubraum ist wichtiger als Wohnraum.“
Bis 1964 wird der Maserati über Rennstrecken in den USA gejagt, danach nur noch selten eingesetzt. Über einen Vermittler findet der Enthusiast das Auto. „Ich wollte schon lange einen Sportwagen aus den 50er-Jahren. So ein Auto kann man nicht suchen, das muss einem zurollen. Vor einem Jahr hatte ich dann Glück und bekam den Maserati angeboten.“ Beim Klassiker stimmen Karosserie, Motor und Getriebe noch überein, er hat eine sogenannte Matching-Number.
Das bedeutet, das Auto ist mit diesen Teilen vor rund 60 Jahren im Werk in Modena so zusammengesetzt worden. Die Jury ist begeistert: Das Auto wird an dem Wochenende zum besten Auto der Show gekürt. Mehr Bestätigung kann ein Besitzer hier am Comer See nicht erhalten, die absolute Krönung seiner Sammlung.
Italienischer Umgang mit lauten Motoren
Darin befinden sich fast nur italienische Autos. Kein Zufall. Von seinem Heimatdorf aus war er in nur zwei Stunden in Italien, was er oft ausnutzte. „Dort habe ich mich in die Autos verliebt, in den Sound und in das Design. Noch heute begeistert ihn die italienische Lebensart, der Umgang mit den Autos. „Wenn man hier mit lauten Motoren durch die Gegend fährt, heben Passanten ihre Daumen, das ist in der Schweiz und auch in Deutschland unvorstellbar.“
Deshalb fährt er meist zurückhaltend mit seinen Schätzchen. „Jedes Auto sollte mindestens zweimal im Jahr bewegt werden, sonst bekommt es Standschäden“, sagt der Schweizer. Das aber nur bei Sonnenschein und trockener Straße. Für schlechtes Wetter und weite Strecken wählt er einen Audi RS5.
Valentino Balboni schlendert durch den Park, kommt am Maserati vorbei und hält mit dem Besitzer und seiner Frau einen Plausch. Der ehemalige Lamborghini-Cheftestfahrer und das Ehepaar sind seit mehr als 35 Jahren befreundet. Nicht nur, weil der Besitzer Italien so liebt. Er besitzt auch ein paar Lamborghini-Fahrzeuge. Neben dem 5-95-Zagato-Prototypen ein paar Meter weiter besitzt der Klassik-Enthusiast den ersten jemals gebauten Lamborghini. Das verbindet. Für immer.
Traumhaftes Auto! Btw. 480PS? Andere Quellen geben 400PS bzw. 300kw also 408PS an, evtl. ein Zahlendreher?
Der Besitzer hat mir erzählt, dass der Motor beim ersten Test 400 PS hatte. Im Laufe des ersten Jahres wurde die Leistung aber auf 480 PS gesteigert. In den USA lief der Maserati übrigens Anfang der 1960er zeitweise noch mit einem größeren V8. Der war aber nicht original.
Soso, hat das der junge Shelby also gesagt.
Wie hat er denn das gesagt? Vielleicht z.B. "Cubic capacity is more important than housing space" ? Oder "Engine displacement is more important than living space" ?
Ja, ein wirklich toller Spruch aus dem Englischen. 😮
Ah, ok das ist natürlich eine Erklärung, dann sind das die Daten von genu diesem Wagen und nicht die allgemeinen Daten des Modells. 😊
Darüber bin ich auch am rätseln😆
Einstein hat auch 95% der Sprüche nie gesagt, die man ihm zuschreibt.
Automobile Kultur at its best!
Wahnsinn, so viele schöne Autos auf einem Fleck.
Ich glaube, ich würde an Reizüberflutung sterben...
Wunderschön!
Tja früher wurden Auto noch Gebaut, Heute werden Autos aus Preforms auf Wunschgröße Aufgepumpt.
Da sind Lautsprecher im Auspuff und sonstige akustische Hilfen überflüssig, wo bleibt der Audiostream.😎
Damals waren sogar Rennwagen bildschön .
Allein der Blick auf den Motor lässt einem das Herz aufgehen. Am schönsten aber finde ich es, wenn solche Schätze auch noch bewegt werden und nicht nur in irgendeiner Sammler-Garage rumstehen.
Steht ja nicht in irgendeiner Garage, steht bei dem Schweizer, mich stört das nicht .
Er stellt ihn ja bei so einem Event der Öffentlichkeit vor .
Wenn ich den Artikel richtig gelesen habe, dann wird dieses Schmuckstück auch noch relativ regelmäßig auf der Straße bewegt. Und genau das finde ich gut.