650 Kilometer im McLaren 650S
Eine Reise an die Grenze von 650 PS
Best of 2014: Supersportwagen sind doch für die Straße viel zu schnell. Das dachte unser Redakteur Philipp Monse auch, und fuhr zu einer ganz besonderen Rennstrecke.
Goodwood Circuit - Es ist also alles Jamies Schuld. Jamie O'Leary vom Goodwood-Presse-Team. Eine Woche lang haben wir telefoniert, E-Mails geschrieben und versucht, die Sache wasserdicht zu bekommen. Es würde viel los sein auf der Strecke an diesem Tag, das hatte Jamie unmissverständlich klargemacht. Trotzdem wollte er mit den Marshalls reden, damit sie uns auf den Kurs lassen. Wir bräuchten schließlich nur ein paar Minuten; nur einmal über die Lavant-Gerade ballern und diese Fahrt fände ihr perfektes Ende.
Nur für VIPs
Drei Marshalls am Eingang des Goodwood Circuit: Auf unser Bitten zückt noch mal einer das Walkie-Talkie. Es folgt englisches Gebrabbel mit schottischem Akzent. Keine Chance. Vielleicht nochmal Jamie anrufen? Er geht wieder nicht ran.
Endet es so? Im – zugegeben – sehr schönen Vorgarten der Rennstrecke, auf der Bruce McLaren vor 44 Jahren sein Leben verlor? Die Marshalls blicken mitleidig drein. Was können sie schon dafür. Nette Kerle, mit breitem Grinsen. Einer hat schlechte Zähne. Ein anderer plaudert: David Beckham sei gerade auf der Strecke. Er drehe einen Werbespot für Jaguar. Wie gesagt, keine Chance. Aber schönes Auto.
Hinter uns tickt der schneeweiße McLaren 650S. Unter der wackeligen Glashaube auf seinem Rücken (niemals öffnen, wenn man den Eindruck von Qualität bewahren will) wabert die Hitze hervor. Die letzten 50 Kilometer waren die härtesten.
650 made me do it
Die Straßen waren nass und eng, das Heck nervös, der Schweißausbruch konstant. Es ging nicht anders. Dieser zweite Schub, der bei 5.000 Touren einsetzt und die Welt am Auto vorbei schiebt – man braucht ihn, hin und wieder und wieder...
So ist das immer, wenn das Ende absehbar ist; wie beim Kartfahren oder Snowboarden. Auf der letzten Abfahrt nochmal richtig Gas geben – und sich dann den Arm brechen.
Am McLaren ist nichts gebrochen - zum Glück. Aber die Tempolimits, nun ja. In Süd-England, genauer in West-Sussex, sieht man ständig Schilder mit einer Kamera drauf. Nur die Kamera sieht man nie. Und selbst wenn sie da wäre, in diesem Auto ist dir das irgendwann egal.
650 Kilometer im 650S
650 Kilometer haben wir mit dem McLaren 650S zurückgelegt. Vom Showroom in Düsseldorf zum Eurotunnel nach Calais, südlich an London entlang, am Werk in Woking vorbei und dann zum Goodwood Circuit.
Mit einem kaum bezahlbaren Auto wie dem 650S sind die unbezahlbaren Momente zahlreich: Die Anzugträger auf der Kö gucken, während man im Jeanshemd unter der Scheren-Tür abtaucht. Ein alter Engländer fragt, ob er nicht lieber weiterfahren solle und lacht dann heiser. Ein kleiner französischer Junge freut sich, weil er mal hinters Steuer darf. Doch am Ende geht es im 650S nur um eins: Einmal richtig die automobile Sau rauslassen.
Jeder Meter zählt
Mit 650 PS und 678 Newtonmetern im Rücken wird das Potential der speziell für den 650S entwickelten Pirelli P Zero Corsa MC1 schon in der Düsseldorfer Innenstadt an jeder Ampel getestet. Ja, prollig, total. Aber, wenn die Kilometer begrenzt sind, dann wird jede Sekunde existenziell, dann geht es um jedes km/h, um jedes zusätzliche Fauchen des 3,8-Liter-V8.
Wo bleibt die verdammte Autobahn? Schon nach wenigen Metern kommt die Ungeduld, viel zu spät die erste Auffahrt. Und dann geht das Heck quer. Kaum zu fassen, wie die Engländer das ESP ausgelegt haben; könnte auch sein, dass gar keins drin ist. Das Herz pumpt, der Hals ist nur noch ein Kloß. Den 650S nach ein paar Metern in die Planke geklatscht - das hätte gerade noch gefehlt.
Sobald das Heck wieder gerade steht, senkt man den Gasfuß erneut, diesmal behutsamer. Ruppiger Kandidat, der 650, viel schlimmer als ein 458 aus Maranello. Dabei hat die Sitzposition etwas von einem tiefergelegten Kleinwagen. Wie auf einer Bierkiste hockt man hinter dem abgeflachten Lenkrad; der Sitz geht nicht weiter runter.
Sex auf der Autobahn
Egal, einmal mit 330 über die Bahn ballern, das ist Freiheit. Der 650 rennt theoretisch 333 km/h schnell. Ein Griff an die Drehregler in der Mittelkonsole und Fahrwerk sowie Lenkung verhärten. Auf Wiedersehen Nicken, Rollen, Gieren; Hallo Querrillen. Schnelle lange Autobahn-Kurven, in denen es Sportlimousinen langsam aus den Latschen hebt, nimmt der McLaren als seien es Geraden. Die direkte Lenkung macht einen zum Meister über den Asphalt. Alles ist möglich.
Nur mit der Freiheit ist das so eine Sache. Die Bahn ist voll, nicht frei. 160, 200, 230, dann fliegt erneut der Carbon-Keramik-Anker (394er-Scheiben vorn, 380er hinten). Im Rückspiegel stellt sich der Flügel auf und bremst die Fuhre zusätzlich runter. Theoretisch kann man mit dem 650S aus 200 km/h binnen 123 Metern zum Stillstand kommen, behauptet McLaren – eine beruhigende Info, wenn wieder ein Meriva mit Kindernamenaufkleber auf die linke Spur zieht.
Wenn Leute behaupten, die Fahrt im Supersportwagen sei wie Sex, dann meinen sie die Fahrt auf der Rennstrecke und sie meinen guten, aufregenden Sex. Auf der deutschen Autobahn wird die Fahrt zum unterdrückten PS-Orgasmus. Härter, schneller, dann wieder Bremsen, Rollen, Schleichen. Stop-and-Go in Fast Forward. Zum Höhepunkt kommt man nie. Unfassbar wie sehr reiche Menschen leiden müssen.
Die Kilometer laufen ab
Schlimmer ist es nur in Holland – und Belgien – und Frankreich. Von vier Nockenwellen und 32 Ventilen bewegt sich die Hälfte scheinbar sinnlos. Der Biturbo hungert sich auf 12 Liter Durchschnittsverbauch herunter. Ziemlich genau das, was McLaren angibt. Respekt – hat das eigentlich im Dreizylinder-Focus schon mal jemand geschafft?
Auch egal, irgendwann merkt man, dass eine Sache schief läuft. Noch 100 Kilometer, 90, 80. Stockender Autobahnverkehr, englischer Vorstadtstau und Jamie geht einfach nicht ans Telefon. Wofür bezahlen sie den Mann eigentlich? Und was wird jetzt aus unserer Runde auf dem Goodwood Circuit?
Die englischen Landsträßchen sind ein Traum, wirklich. Die Sonne spiegelt sich im nassen Asphalt, Dampf steigt auf. Saftige Wiesen und Natursteinmauern fliegen vorbei. Alles wunderschön und gut, aber der McLaren, der gehört auf die Rennstrecke. Das spürt man; bei jedem Pfeifen der Turbos, bei jedem Quietschen der Reifen.
„The person you have called is temporarily not available“. Während man seinem Ziel näher kommt zerbröselt in Zeitlupe ein Traum. Fährt man in so einer Situation eigentlich schneller, oder langsamer? Schneller. Immer. Schneller.
Technische Daten – McLaren 650S
- Motor: 3,8-Liter-Biturbo-V8
- Getriebe: Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe
- Leistung: 650 PS
- Drehmoment: 678 Nm
- DIN-Gewicht: 1.428 Kg
- CO2: 275 g/km
- Verbrauch: 11,7 l pro 100 km
- Vmax: 333 km/h
- 0-100 km/h: 3,0 s
- 0-200 km/h: 8,4 s
- Kofferraumvolumen: gering
- Länge x Breite x Höhe in m: 4,51 x 2,09 x 1,20
- Preis: 231.500 Euro
Die hintere Hälfte in der Seitenansicht erinnert mich stark an den R8 😆
Schön geschriebener, unterhaltsamer Bericht. Besonders
lässt einen beruhigt ins WE starten.
Die Sicke unter dem Türgriff hat schon Ähnlichkeit, aber der im Gegesatz zum Audi sieht der McLaren einfach geil aus. 😆
Geile Karre, wie so viele andere auch... 😆
Den Audi R8 find ich jetzt optisch nicht soooo schlecht, allerdings auch kein Wagen, den man irgendwie vergleichen könnte. Über 700 Gebrauchte bei Mobile mit Preisen ab 45.000 Tacken. Sportwagen ja, aber Supersportwagen...? Eher nicht... 😜
Der ML sieht aus wie ein sportlicher Opel Ampera unter den Supersportwagen. Da gibt's wirklich schöneres und auffälligeres, zB Lambo.
auf den Kotflügel setzen und die Füße auf die Felge stellen als wär es ein Traktor 😕
cool kann man auch anders aussehen...
ansonsten ein schicker Renner…
Wo siehst du bitte Ähnlichkeiten zum kantigen Ampera?
Und auffälliger der Lamborghini - ja. Schöner - nein.
Irgendwie ziemlich wirr geschrieben, ich verstehe nur Bahnhof.
Der McLaren spricht mich jetzt auch nicht so wirklich an. Warum sich soviele Leute damit knipsen lassen wollen? Ich würd mich danach auf der Strasse wohl nicht mal umdrehen.
Spektakulär war seinerzeit der F1. Mittlerweile hat man sich am Design totgesehen, sieht alles immer gleich aus.
Ein toller Bericht zu einem tollen Auto. Schade, dass es mit Goodwood nicht geklappt hat. Hättet ihr nicht kurzfristig umbuchen können? Silverstone, Brands Hatch, Donington Park, Knockhill,... das sind wenigstens richtige Rundkurse mit Auslaufzonen.
Bergrennstrecken wie Goodwood gibt es in England auch an fast jeder Ecke. 😉
liegt auch daran, das Mclaren bei dem Model total einfallslos war. Der P1 ist aus meiner Sicht wirklich grandios, auch gegenüber dem F1.
Schon irgendwie geil. Aber so richtig anfreunden kann ich mich mit der Front nicht. Da find ich die R8 FL Front sogar schöner...
Kompliment an den Autor, sehr toll und unterhaltsam geschrieben! 😊
Ach ja? Ich würde eher sagen: peinlich geschrieben. Wie von einem RTL-Glotzer.
Vorweg: alle 3 Modelle sind Designhighlights, aber der MP4-12C war in meinen Augen optisch einige Schritte weiter, runder. Dem kleinen Modell jetzt die Front des P1 zu spendieren, ist schlicht Einheitsbrei.