VW-Käuferklagen wegen Abgasmanipulation gehen in zweite Runde
Erstes Berufungsverfahren läuft Anfang November
Das erste Verfahren eines VW-Käufers wegen Rückabwicklung des Kaufvertrages für seinen Passat geht in die nächst höhere Instanz. Da die erstinstanzlichen Entscheidungen der Gerichte uneinheitlich sind, wird nun mit grundsätzlicheren Urteilen gerechnet.
Celle - Anfang November gehen die Klagen von Autokäufern gegen den Autobauer Volkswagen und seine Händler in die nächste Instanz. Das Oberlandesgericht Celle verhandelt am 7. November im Berufungsverfahren die Klage eines Passat-Käufers zur Rückabwicklung des Kaufvertrages von 2013. Der hatte wegen der Software-Manipulation von Abgastests durch VW geklagt. Nach Angaben eines VW-Sprechers vom Freitagabend ist es das bisher erste Verfahren, für das in zweiter Instanz ein Verhandlungstermin angesetzt ist. Der Kläger bekam vom Landgericht Lüneburg im Wesentlichen Recht. Das beklagte Autohaus hatte die Rücknahme des Fahrzeugs abgelehnt.
Volkswagen sieht keinen Anhaltspunkt für einen durch die Abgas-Betrügereien entstandenen Schaden an den betroffenen Autos und will bei entsprechenden Entscheidungen jeweils in Berufung gehen. Bei vielen Landgerichten in Deutschland laufen derzeit Klagen von Käufern auf Rückabwicklung und Schadenersatz, zur genauen Zahl will sich der Konzern nicht äußern. Gemessen an den in Deutschland rund 2,5 Millionen betroffenen Diesel-Motoren ist sie aber gering.
Die erstinstanzlichen Entscheidungen der Gerichte sind uneinheitlich, daher wird mit grundsätzlicheren Urteilen in höheren Instanzen gerechnet. Knackpunkt könnte werden, wie lang die Umrüstung der betroffenen Fahrzeuge noch dauert und welche Zeiträume den Kunden für die Nachbesserung aus Sicht der Gerichte zugemutet werden kann. Ursprünglich wollte VW mit der Umrüstung der 8,5 Millionen in Europa betroffenen Diesel Ende dieses Jahres durch sein, nach derzeitigem Stand peilt man in Wolfsburg aber nun den Herbst 2017 an. Bislang hat VW für rund 60 Prozent der Fahrzeuge die Freigaben zur Umrüstung durch das zuständige Kraftfahrtbundesamt (KBA) und will allen betroffenen VW-Besitzern bis Ende des Jahres Lösungen anbieten.
Quelle: dpa
Die 2. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld hat in der Sache Aktenzeichen 2 O 72/16 das beklagte Autohaus zur Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises unter Abzug einer Nutzungsentschädigung Zug-um-Zug gegen Übergabe des Fahrzeuges Audi A6 Avant 2.0 TDI verurteilt.
https://www.justiz.nrw.de/.../2_O_72_16_Urteil_20160914.html
Als Entscheidungsgrund wird u. a. angeführt:
Diese Begründung ist falsch.
Begründung:
Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 692/2008 bestimmt, dass bei Fahrzeugen, die nach den Emissionsgrenzwerten von Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 typgenehmigt wurden, die einschlägigen Vorschriften erfüllt sind, wenn das Fahrzeug gemäß der UN/ECE-Regelung Nr. 83 genehmigt worden ist.
Verordnung (EG) Nr. 692/2008:
http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/ALL/?uri=CELEX:32008R0692
Verordnung (EU) 2016/427 der Kommission vom 10. März 2016 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 692/2008 hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 6) (Text von Bedeutung für den EWR)
Verordnung (EU) 2016/427:
http://eur-lex.europa.eu/.../?...
An keiner Stelle wird in der (Emissions-Grund-) Verordnung (EG) Nr. 715/2007 die Einhaltung der Grenzwerte von z. B. EU5-NOx-Emissionen im Realbetrieb unter allen Betriebszuständen gefordert. Hier spricht lediglich intensiv und nachdrücklich der politische Wille, weil präzise Bestimmungen in der v. g. Verordnung nicht vorhanden sind und der Rechtsprechung nichts anderes übrig bleibt, als auszulegen, was der Gesetzgeber gemeint haben könnte.
Verordnung (EG) Nr. 715/2007:
http://eur-lex.europa.eu/legal-content/de/TXT/?uri=CELEX%3A32007R0715
Was hat den Verordnungsgeber seinerzeit dazu bewogen, die Verordnung (EG) Nr. 715/2007 derart zu entschärfen und Bauteilschutz zu ermöglichen? Der Expertenrat hat dazu Stellung bezogen:
Mit den damals technisch verfügbaren Mitteln konnten die niedrigen NOx-Emissionen auf Grenzwertniveau unter normalen realen Betriebsbedingungen unmöglich realisiert werden, bereits auf dem Rollprüfstand wurden die physikalischen Grenzen bei vielen Herstellern erreicht. Die Folgen waren und sind defekte AGR-Ventile und Versottungen in der AGR-Abgasminderungsstrecke
Der vorbezeichnete Audi A6 Avant 2.0 TDI ist typgenehmigt und erfüllt die EU5-Abgasnorm unter Inanspruchnahme von Bauteilschutz, allerdings in einer
verbotenennicht ausdrücklich zulässigen Variante, die lt. VW zivilrechtlich keinen Mangel darstellt.Wie wenig präzise die Bestimmungen in der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 sind, gipfelt in der Tatsache, dass das KBA sich genötigt sah, VW zu veranlassen, die Unzulässigkeit der Abschalteinrichtung selbst zugegeben, weil nach Recht und Gesetz die Unzulässigkeit nicht gerichtsfest nachzuweisen war. Nun vertritt VW verwaltungsrechtlich den Standpunkt, es gebe eine Pflicht zur Teilnahme am Rückruf.
Den politisch verantwortlichen Personen auf EU-Ebene und den nationalen Ebenen steht das Wasser bis zum Halse.
Wer mehr zu diesem Thema wissen möchte und Hintergründe in Erfahrung bringen möchte, der sollte das nachfolgend verlinkte Hörfunk-Feature, veröffentlicht von Bayern 2, nicht verpassen:
http://www.br.de/.../abgas-skandal-diesel-100.html
http://cdn-storage.br.de/.../...91fd-6998-4df6-8f1f-5190c9c80beb_3.mp3
Wenn das kein Mangel ist, warum wird das Auto zwangsstillgelegt, wenn man dem Rückruf nicht folgt?
Das ist rechtlich ja noch gar nicht entschieden, mal schauen ob ein Halter es darauf ankommen lässt und ob die Behörden es auch darauf ankommen lassen.
Steht alles noch in den Sternen.
Der Entzug der Typzulassung berührt nicht die Betriebserlaubnis oder Zulassung des einzelnen Fahrzeugs.
Dazu eine Stellungnahme des AvD:
https://www.avd.de/.../?...
Mal eine ganz blöde Frage, wenn ein Händler zu Rücknahme gezwungen wird, wer bestimmt dann den genauen Preis und wie hoch/niedrig darf/soll er sein? Ich nehme, wenn die Händler die Fahrzeuge zurücknehmen müssen, dann zum üblichen Marktwert bzw HEK. Deswegen kann ich irgendwie die ganzen Klagen nicht verstehen.
z.B so
Bruttokaufpreis Golf VII 32.150 Euro, vom Kunden gefahrene Strecke 10.000 km, erwartbare Gesamtlaufleistung 200.000 km. Nutzungsvergütung = 1.607,50 Euro (32.150 Euro x 10.000 km : 200.000 km).
Ist das irgendwo festgehalten oder nur ausgedachte Theorie? Wie bestimmt man die erwartbare Laufleistung? Wie bestimmt man den Grad der Abnutzung die von 100 Faktoren wie Pflege, Fahrprofil, Fahrweise abhängt?
Das ist gängige Praxis und die erwartbare Laufleistung ist meist der Streitpunkt vor Gericht.
In dem Beitrag werden die Zahlen nicht richtig dargestellt.
Auch wenn 2,5 Millionen Fahrzeuge betroffen sind, so kann nur ein wesentlich geringerer Anteil klagen. Dazu muss die gesetzliche Gewährleistung noch laufen, die ja 2 Jahre beträgt. Also maximal Fahrzeuge ab Erstzulassung September 2013.
Der Autor sollte zu Richtigstellung mal diese Zahl bei VW recherchieren.
VG MOK1.9
Ok klingt einleuchtend. Das gilt aber nur für Verschleiß zzgl. Eventuelle Beschädigung (die ein Händler immer findet.)
Um beim Beispiel des im Artikel genannten VW Passat zu bleiben : Kaufpreis 40.000, jährliche Km-Leistung 25.000.
Nach 2 Jahren und 50.000km ergibt sich eine Nutzungsgebühr von 8000€, plus beschädigte Felgen hier und da paar Kratzer, wohl eher 10.000-12.000€. Oder rund 25-30% Wertverlust. Das würde genau dem üblichen Marktwert bzw Händlereinkaufspreis entsprechen.
So soll es auch sein, denn es wird angestrebt, dass niemand einen Nachteil hat. Beide Parteien sollen gerecht behandelt werden. Hier geht es nicht um Strafe oder Schuld sondern um einen zumutbaren bzw. nicht zumutbaren Mangel.
Die angestrebte Umrüstung der 8,5 Millionen in Europa betroffenen Diesel bis Ende dieses Jahres kann mittlerweile jedenfalls als endgültig gescheitert betrachtet werden.
Ich war sowieso der Meinung, man hätte VW kräftig zur Kasse bitten sollen und das Geld Sinnvoll eingesetzt. Aufforstung Renaturalisierung Strassensanierung usw.
Das ein Grundsatzurteil zugunsten eines VAG Fahrzeugbesitzer gefällt wird, wäre der Supergau für die Händler.
Günstiger als mit einer Wandlung kann keiner Auto fahren.