Autonomes Fahren: Fahrt in einem computergesteuerten Audi auf der A9
Fahren ohne zu steuern
Auf der A9 dürfen Hersteller ihre autonomen Fahrzeuge testen. Die Mitfahrt in einem Audi zeigt: Der Autopilot funktioniert, zumindest bei überschaubaren Verkehrslagen.
Ingolstadt - Nach einer Viertelstunde werden wir angehupt. Der wütende Fahrer eines VW Passat gestikuliert wild auf der Nebenspur. Warum wir mit 130 km/h auf der Mittelspur fahren und nicht ganz rechts, will er vermutlich wissen. Etwas hilflos zeige ich ihm meine Hände: "Ich bin das gar nicht - das Auto fährt selbst."
Autobahn A9, Ingolstadt Richtung München. Autohersteller können hier Wagen testen, die auch längere Strecken ganz ohne Eingriff des Fahrers zurücklegen. Elektromotoren und selbstfahrende Autos, da sind sich viele Experten einig, werden die Branche so drastisch verändern wie zuletzt die Erfindung des Autos selbst.
Nicht den Anschluss verlieren
In den USA, wo Google, Tesla und angeblich auch Apple an selbstfahrenden Autos arbeiten, sind Testfahrten im Straßenverkehr schon etwas länger möglich. Es gibt eine Art Wettbewerb zwischen verschiedenen Standorten, wer die schnellsten Schritte in der Gesetzgebung macht.
Auf der A9 können Hersteller wie Mercedes und BMW seit vergangenem Jahr ihre Prototypen testen. Ich sitze auf dem Fahrersitz eines Audi. Daneben ein Audi-Entwickler, der mit Fahrschulpedalen eingreifen könnte, wenn das Auto nicht tut, was es soll. Nachdem wir auf die Autobahn gefahren sind, habe ich zwei Knöpfe am Lenkrad gedrückt, das Steuer zieht sich dann automatisch ein Stück ins Armaturenbrett zurück - der Wagen übernimmt die Lenkung.
In Deutschland geht das bislang nur in einem eng begrenzten Rahmen. Eigentlich alle Hersteller sehen sich als Speerspitze - einen echten Vorsprung hat bislang aber noch keiner herausgefahren. "Die Autobauer sind weitgehend auf der gleichen Höhe", sagt Hermann Winner von der TU Darmstadt. Er gehört zu den führenden deutschen Experten beim Thema Autonomes Fahren.
Zwar haben viele Hersteller inzwischen Fahrzeuge auf dem Markt, die auf der Autobahn mit einem Tempomaten die Geschwindigkeit halten und mittels Spurassistent auf der Strecke bleiben - aber das geht nur ein paar Sekunden. Danach muss der Fahrer die Hände wieder ans Lenkrad legen, verlangt das Kraftfahrt-Bundesamt für die Zulassung.
Der Datenpool muss wachsen
Auch technisch sind die Autos noch nicht in der Lage, alles selbst zu machen. "In den nächsten 30 Jahren werden wir es nicht erleben, dass ein Auto immer und überall autonom fährt", sagt Experte Winner voraus. "Dafür braucht es noch sehr viel mehr Denkleistung im Auto." Winner meint damit unter anderem, dass Entwickler noch mehr und umfangreichere Algorithmen programmieren müssen, die das Auto in allen Situationen richtig reagieren lassen.
Denn es sind vor allem fehlende Daten, die den ganz großen Entwicklungssprung bislang verhindern. Das Auto ist zwar vollgestopft mit Sensoren (Radar, Laser, Kamera), die die Umgebung wahrnehmen, aber der Computer weiß noch nicht in jeder Situation, wie er richtig reagieren soll. Auch schlechtes Wetter kann es den Kameras schwer machen, die Fahrbahnmarkierungen noch richtig zu deuten. Außerdem sind bislang kaum Autos miteinander vernetzt, um sich gegenseitig über Baustellen, Unfälle und andere Hindernisse zu informieren.
Auf dem Rücksitz schimpft jetzt Audi-Fahrwerkschef Horst Glaser über den Passat-Fahrer, der uns anhupt. "Einfach weiterfahren", sagt er. "Das ist so einer mit Erziehungsauftrag, da gehen wir überhaupt nicht drauf ein." Das Auto wisse nun mal, dass man in einigen 100 Metern auf der Mittelspur fahren muss, weil die rechte Spur zur Lkw-Spur wird. Der Passat-Fahrer überholt rechts.
In der Baustelle lenkt der Fahrer
Ansonsten läuft es aber schon recht rund. Das Auto schlängelt sich durch den dichten Feierabendverkehr, wechselt zwischen Fahrspuren hin und her, überholt. Manchmal zieht der Wagen stark nach links, fährt fast auf dem Seitenstreifen. "Das liegt an der Neigung der Fahrbahn", sagt Glaser. "Daran arbeiten wir noch." Etwa ab 2020 peilt Audi die Serienreife für dieses sogenannte pilotierte Fahren auf der Autobahn an.
An einer Baustelle muss ich dann aber wieder selbst ans Steuer: "Der Autopilot wird in 15 Sekunden deaktiviert", kündigt das Fahrzeug an. "Bitte übernehmen Sie." Überall dort, wo der Verkehr nicht mehr in ganz geregelten Bahnen läuft, gehen die Entwickler auf Nummer sicher.
Und richtig schwierig ist es für die Techniker, Autos autonom durch die Stadt fahren zu lassen. Dort gibt es natürlich noch viel mehr Unwägbarkeiten als auf der Autobahn: Fußgänger, Leuchtreklame, Linksabbieger, Parkplatzsucher. Bis sich der Fahrer auch hier serienmäßig zurücklehnen und dauerhaft die Hände vom Steuer nehmen kann, dürfte es noch Jahrzehnte dauern. "Es ist eine unglaublich neue Technologie", mahnt TU-Experte Winner. "Da werden wir noch viele Überraschungen und Fehlschläge erleben."
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Hoffentlich bleiben uns solche Bilder wie von der winkenden Frau zukünftig wirklich erspart....
Besteht nicht die latente Gefahr dass ein (müder) Fahrer, welcher sich ja dann um nichts mehr kümmern muss, während der Fahrt einfach einschläft?
Und wo ist jetzt konkret der Unterschied zu den existierenden Autopiloten von Tesla und Mercedes?
Es wurde mal gesagt (ich glaube von Volvo), daß es fünf Stufen des autonomen Fahrens gäbe.
Wo sind die bestehenden Systeme nach Ansicht von Audi einzuordnen, und wo das hier vorgestellte?
Ich halte von "Pilotiertem Fahren" auch nicht viel, da es dem Fahrer die Verantwortung nur scheinbar abnimmt. Dieser vertraut dem Auto nach und nach immer mehr und driftet gedanklich vollkommen weg (ja, vielleicht wirklich bis hin zum Einschlafen). Dabei ist der Autopilot aber mit jeder Kleinigkeit, die von der Norm abweicht überfordertet (sogar von der Fahrbahnneigung?!) und muss eigentlich immer wieder an den Fahrer übergeben. Dann soll der doch lieber gleich komplett bei der Sache bleiben.
Entweder die Dinger können vollständig autonom fahren, oder sie könnten es nicht. Diese halbgaren Zwischen-Varianten halte ich aber für gefährlich.
Das Fahrzeug kann nicht einmal selbstständig die Spur halten, weil die Fahrbahn (vollkommen normal) geneigt ist. Ich würde sagen: Stufe 0.
Wenn ich bei meinem Golf 5 mit Tempomat die Hände und Füße von Lenkrad/Pedale nehme, dann fährt der auch ein paar hundert Meter gerade aus, bis er wegen der Fahrbahnneigung allmählich abdriftet. Irgendwie klingt der Bericht, als wenn Audi da nur wenig weiter wäre.
Ahja 🙄
Tesla und Mercedes wechseln nur auf Aufforderung die Spur. Dh. wenn der Fahrer kein Überholmanöver einleitet (durch Antippen des Blinkers), würden Mercedes und Tesla einfach nur die Geschwindigkeit entsprechend des Vorausfahrenden reduzieren.
Damit sind die Systeme nicht weiterentwickelt als die Seriensysteme bei Audi, lediglich den assistierten Spurwechsel gibt es bei Audi noch nicht.
Ich habe von einem Journalisten gelesen, der ebenfalls eine Testfahrt mit dem Audi gemacht hat. Der Grad, in dem die Audi-Steuerung einen Schritt weiter ist als das, was man bislang schon serienmäßig kaufen kann, ist folgender: Der Audi ist in der Lage, selbstständig zu entscheiden, wann er welche Spur benutzt. Er kann also auf Autobahnen vollautomatische Überholmanöver einleiten und ausführen. Dazu ist bei den bisher existierenden Systemen von Tesla und Mercedes noch eine Entscheidung und ein manuelles Kommando des Fahrers erforderlich.
Was ebenfalls ein schwieriges Forschungsfeld ist: Situativ entscheiden, ob das Auto eine Situation allein bewältigen kann - und zwar mit Fehlerquote null - oder ob es die Kontrolle an den Fahrer übergibt. Dabei ist es wichtig, eine möglichst lange Vorwarnzeit zu erreichen. Hier stehen alle bereits käuflichen Assistenzsysteme noch ganz am Anfang. Sie belassen den Fahrer in seiner Verantwortung. Das geht so weit, dass Mercedes Sensoren ins Lenkrad baut, die checken, ob der Fahrer das Lenkrad in der Hand hat und jederzeit ohne Vorwarnung übernehmen kann.
Im Zusammenhang mit autonomem Fahren gibt es noch unendlich viel zu erforschen. Tesla und Google behaupten, dass autonome Autos grundsätzlich sicherer seien als manuell gelenkte. Das würde ich noch nicht behaupten. Man müsste zum Beispiel mal erforschen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein Autofahrer in einer engen Autobahnbaustelle einen Fahrfehler macht - wenn er zuvor zwei Stunden inaktiv dämmernd im Auto gesessen hat und erst zehn Sekunden vor Befahren der Baustelle zur Übernahme des Steuers alarmiert wurde. Es kann auch nicht im Sinne des Erfinders sein, wenn autonome Autos bei Problemen einfach ihre Geschwindigkeit auf Schritttempo drosseln, um mit der Situation klar zu kommen.
Ich werde mich erst dann aktiv um ein Auto mit Selbstfahr-Assistenten bemühen, wenn diese so weit fortgeschritten sind, dass mir der Gesetzgeber offiziell erlaubt, mich während der Fahrt um etwas anderes zu kümmern als um die Überwachung des Autos. Und so weit sind wir noch nicht.
Sehr beruhigend zu hören, dass sich durch die autonom fahrenden Autos kaum etwas verändern wird. Selbst an den Erhalt der allseits beliebten Mittelspurschleicher wurde gedacht 😆
Die größte Hürde für mich persönlich sind die rechtlichen und ethischen Fragen. Wer haftet, wenn das autonome Auto aufgrund eines Ausweichmanövers in eine Gruppe von Kindern fährt? Schließlich reicht es nicht immer einfach in die Bremse zu steigen und stehen zu bleiben, manchmal sind eben auch aktive Eingriffe nötig um einen Unfall zu verhindern. Alles zwar sehr abstrakte Beispiele, passiert aber trotzdem tagtäglich auf den Straßen. Autonome Autos können sich gegenseitig berechnen, Menschen kann man aber nicht berechnen. Da hilft nur Instinkt und Intuition. Autonome Autos werden erst dann perfekt funktionieren, wenn es umzäunte Straße und Ausgangssperren für Menschen gibt.
Technik Schnick-Schnack hin oder her......
Das, was das Mädel auf dem Titelbild macht, macht man auch in einem 30 Jahre alten Fahrzeug ohne irgend ein Computer-Gedöns. 😆
Zwar nicht wirklich lange...... aber das geht..😊
Autonomes fahren darf einfach niemals erlaubt werden. Basta. Die Entmündigung des Menschen wäre enorm.
Das ist eigentlich recht simpel: Wenn das Auto so sicher ist, dass es sicherer fährt als der Mensch, dann haftet nicht der Mensch, sondern der Autohersteller. Du kannst sicher sein, dass in den entsprechenden Abteilungen der Versicherer schon Berechnungen darüber angestellt werden, unter welchen Voraussetzungen sie bereit sind, autonom fahrende Autos zu versichern. Ich weiß, dass Mercedes-Benz einen Think-Tank finanziert, der genau an diesen ethischen Fragen forscht. Was ist zum Beispiel, wenn sich Menschen aus der Tatsache, dass ein Computer-Auto alles tut, um einen Unfall zu vermeiden, einen Spaß machen und Computer-Autos absichtlich blockieren? Lauter solche Sachen.
Wie groß ist denn die Mündigkeit des Menschen, wenn er in einem Zug sitzt?
Die halbgaren Zwischenvarianten braucht es nun mal, um von Entwicklungsstand 0 zu 100 zu kommen. Ob und in welchem Umfang das den Weg in die Serienreife packt, und was davon maximal mal in Versuchsfahrzeugen durch die Gegend gondeln darf, wird wohl der Gesetzgeber entscheiden müssen. Und DAS wird eine sehr spannende Geschichte, denn sehr gute Argumente gibt es für beide Seiten (wenn man mal die Betonkopffraktion "ich find's doof, also darf es nicht passieren" außen vor lässt 😊).
Das ist aber ein sehr dünnes Argument.
Ich hätte ein paar dagegen, aber so wie der Beitrag geschrieben ist, gehe ich mal davon aus, dass du deinen Standpunkt hast und nicht wirklich an einer Diskussion interessiert bist 😉