Land Rover Series 1 und Electric Defender im Vergleich
Fortschritt lässt sich nicht in Spaß messen
Optisch hat sich der Land Rover Defender in 64 Jahren kaum verändert. Technisch dagegen sehr: Wir vergleichen den Series 1 von 1949 mit der neuen Studie Electric Defender.
Genf – Ein Land Rover Series 1 von 1949 hat nur wenige bewegliche Teile. Aber ein paar davon stehen still. „Die Bremsen sind fest. Gib uns zehn Minuten, dann fährt er wieder“, erklärt mir Mike, der Mechaniker. Dann legt er Wagenheber und Hammer bereit. Toll, diese rustikalen Mittel. Besser ist nur sein breites britisches Englisch.
Eine Zigarettenlänge und diverse gezielte Hammerschläge dauert es, dann trennen sich Beläge und Trommel, der Landy ist einsatzbereit. Ach ja, die gute alte Zeit, als man Probleme mit Werkzeug und Oberarm-Schmalz löste statt mit Diagnosegeräten.
Series 1: Der erste Land Rover
Damals machte sich niemand Gedanken über Ergonomie oder Sicherheit. Der Series 1 ist funktional – that’s it! Ein paar Schalter und Armaturen zieren die Stirnwand aus Blech, das Kabel zum Scheibenwischermotor läuft deutlich sichtbar durch den Innenraum. Ich klemme mich hinter das dünne Volant. Der Durchmesser im Buslenker-Format hat seine Berechtigung: Hier steuert keine Servo-Pumpe ein paar Newton bei.
Wenige Zentimeter vor meinen Knien verläuft ein Stahlrohr. Sicherheitsgurte waren 1949 noch Zukunftsmusik, der Series 1 hat nicht einmal Blinker. Mit leichten Verrenkungen erreiche ich alle Pedale – es kann losgehen. Der originale 1,6-Liter-Benziner mit 51 PS und 137 Newtonmeter startet mit massiver Rauchentwicklung. Aber er läuft! Fast wie am ersten Tag. Vermute ich zumindest, das war ja schließlich 35 Jahre vor meiner Geburt.
64 Jahre und kein bisschen alt
Ich gebe Gas. Die Kupplung kommt erst, als meine Fußspitze fast gen Himmel zeigt, mein Beifahrer schmunzelt. Michael kommt ursprünglich aus Australien und passt auf den Landy und mich auf. Er erzählt, dass er schon viele Series 1 hatte. Den ersten im Alter von 14 Jahren. Geduldig beobachtet er mich, während ich das Lenkrad nach rechts zerre. Der Landy rollt – ohne jeden Komfort. Gibt es nicht, brauch ich nicht.
Vor dem Gelände-Parcours tauschen wir die Plätze. Michael aktiviert mit einer Öse auf dem Fahrzeugboden den permanenten Allrad-Antrieb, normalerweise ist die Vorderachse im Schubbetrieb entkoppelt. Wir steuern mit dem Series 1 auf einen blechernen Berg zu. Die erste Steigung nehmen wir mit Schwung, alle anderen Hindernisse für meinen Geschmack zu schnell. Meine linke Hand umklammert das Stahlrohr, die Rechte hält sich am Ersatzrad auf der Ladefläche fest. Komisch, irgendwie vermisse ich gerade die Gurte.
Tausche alt gegen neu
Fünf, sechs Hindernisse später atme ich aus. Im Auto wirken die Steigungen steiler, die Höhenunterschiede größer und die Böschungswinkel gewaltig. Unglaublich, mit welcher Leichtigkeit der alte Herr (also der Series 1) alles gemeistert hat. Unheimlich, wenn kurz nur zwei Räder Bodenkontakt hatten.
Szenenwechsel. Ich pilotiere nun selbst einen Landy, aber einen brandneuen. Die Studie Electric Defender soll zeigen, was Land Rover in 65 Jahren dazugelernt hat. Groß ist er geworden, riesig im Vergleich zum Series 1. 25 Zentimeter breiter und je nach Ausführung bis zu 1 Meter länger – trotzdem hat meine rechte Schulter Kontakt zur Tür.
Los, trau dich!
Mit 95 E-PS und 330 Newtonmeter erklimmt der zwei Tonnen schwere Electric Defender problemlos den Hügel. Der Series 1 ist 850 Kilogramm leichter. Mit gesperrten Differenzialen stört sich der elektrifizierte Offroader nicht daran, dass ich stehen bleibe und wieder anfahre. Der Antriebsstrang stammt aus dem Serienmodell und hat sich tausendfach im Gelände bewährt. Der einzige Schwachpunkt des Autos sitzt hinter dem Steuer.
Per Handzeichen weist mich ein Instruktor über die Strecke. Der Electric Defender meistert alle Hindernisse souveräner als sein Urahn. Das liegt vor allem am Drehmoment, das immer voll da ist, wenn man es braucht. Aber auch an den technischen Helfern wie der Servolenkung.
Laut und robust ist er immer noch, der Motor surrt wie ein gerade verzahntes Getriebe. Richtige Türen und einstellbare Sitze sind besser, moderner, als man erwarten würde.
Land Rover Electric Defender: Keine Serienproduktion
Wenn die Lithium-Ionen-Phosphat-Akkus vollständig geladen sind, klettert der Electric Defender bis zu acht Stunden lang im Gelände. Auf der Straße reicht das für maximal 80 Kilometer. Deshalb bleibt der E-Landy ein Versuchs-Fahrzeug – obwohl er durch 80 Zentimeter tiefes Wasser fahren kann. Land Rover will mit sieben Exemplaren Erfahrungen für zukünftige Projekte sammeln. Noch dieses Jahr kommt ein Range Rover mit Hybrid-Antrieb, später sollen Ein Plug-In-Hybrid und eine Variante mit Range-Extender folgen.
Land Rover Series 1 und Electric Defender: Technische Daten
Der erste Landy
- Motor: 1,6-Liter-Benziner
- Getriebe: Viergang-Schaltgetriebe, Allradantrieb mit (abschaltbarem) Freilauf
- Leistung: 51 PS
- Drehmoment: 137 Nm
- Gewicht: 1.177 Kilogramm
- Höchstgeschwindigkeit: Knapp 100 km/h
- Beschleunigung: Etwa 10 Minuten bei leichtem Gefälle
- Länge x Breite x Höhe in m: 3,57 x 1,55 x 1,87
- Bauzeitraum: 1948 - 1958
Der Electric Defender
- Motor: Elektromotor
- Getriebe: Eingang-Getriebe
- Leistung: 95 PS
- Drehmoment: 330 Nm
- Gewicht: 2.050 bis 2.160 kg (je nach Aufbau)
- Reichweite: 80 km oder 8 Stunden im Gelände
- Höchstgeschwindigkeit: 112 km/h
Quelle: MOTOR-TALK
Wie konnte man denn damals aus 1,6l "nur" 51PS, aber 137Nm generieren?
Stimmt, 137 Nm sind für einen 1,6er selbst in den 1990ern recht viel gewesen.
Der Rest geht über die Gleichung Drehmoment man Drehzahl mal 2 mal Pi ergibt Leistung.
Naja das werden britische bhp sein - gemessen ohne Nebenaggregate dafür mit viel Optimismus. 😉
Doch, lässt er sich (basta!) ... 😆
Ein langweiler Fortschritt ist zum ...
Ein cooler Fortschritt (z. B. Spritsparen kann Spaß machen!) 😆
Weil das "heilige Drehmoment" nur ein Teilaspekt von mehreren ist. Siehe oben Meehsters Formel.
Hohes Drehmoment bei niedrigem Drehzahlnieveau wird duch die Endübersetzung herabgesetzt. Mäßiges Drehmoment bei hohem Drehzahlniveau wird verstärkt. So einfach ist das. Aber sage das mal einem modernen Dieselfahrer... Ansonsten will ich das jetzt nicht weiter vertiefen, das wäre dann zu sehr am Thema vorbei.
Mir gefällt der alte besser. Damit steht man nachts nach 80 Kilometern nicht wie ein Idiot neben der Landstraße. Ersatzkaanister ist für das Elektrowunder prinzipbedingt auch keiner erhältlich...
Als Studie ist er prima, aber ihm jetzt Alltagsqualitäten zuzuschreiben wäre nonsens.
Das würd ich gern verstehen - was meinst du damit?
Ou , das Getriebe mit einem Gang ist zu doof, dass sollte doch original bleiben und
das ist dann eine super Lachnummer 😆
1949 + 45 = 1994?!
Ich kann mir nicht vorstellen das der Autor erst 18 bzw. 19 Jahre alt ist😉
Hoppla - da hab ich mich aus Versehen jünger gemacht. 😊
Danke, ist korrigiert.
Gruß aus der Werkstatt
Constantin
Da es konsequent aus dem ersten Artikel übernommen wurde, würde mich jetzt doch nochmal interessieren, ob die Elektroversion mehr Differentialsperren hat als jene eine für's Mitteldiff. Das wäre genau die Ausführung des Serienmodells - und damit kann ich eben nur ein Differential sperren, nicht mehrere... 😉
Ganz einfach: Die Angabe ist falsch, es wurde mal wieder nicht richtig recherchiert.
Der 1,6 Liter Motor hatte 108 Nm, 137 Nm hatte der 2 Liter Motor von 1952.
Achja der gute alte Defender, man muss ihn einfach mögen. 😊
Die Grundlage ist daß Kraft (Drehmoment) ohne Bewegung keine Leistung vollbringen kann. Ein Stein der am Boden liegt drückt auf den Boden. Aber nützt das irgendjemandem? Nein. Da ist keine Leistung rauszuholen.
Leistung ist Kraft x Weg(Weg=Bewegung=Drehzahl) genauso wie es oben in der vollständigen Formel steht. Interessant ist die Kraft am Rad, da sollten wir uns einig sein. Z.B. ein Benzinmotor von 1965 hat 100NM bei 4000 Umdr., Nenndrehzahl 6.000 Umdr. Der Diesel im gleichen Modell hat meinetwegen 121NM bei 2000 Umdr., Nenndrehzahl 4.000 Umdr. Weil das Drehzahlniveau des großen Diesels niedriger ist muß länger übersetzt werden, damit mit der gleichen Leistung die gleiche Geschwindigkeit erreicht werden kann. Also ist die Hinterachse um soviel länger übersetzt und schmälert die Kraft am Hinterrad (das Drehmoment) um den selben Betrag. Und schon ist der werbewirksame Drehmomentvorteil futsch.
Ich weiß ein Beispiel wo es wirklich gelungen ist den ganzen Drehmomentvorteil komplett zu nutzen, in Zugkraft umzusetzen.
Hier: http://www.schlepperfreunde-muehleip.de/holder.busenbach.jpg 😆
Diesen kleinen Einachsschlepper gab es mit Benzin- sowie mit Dieselmotor. Holder hat es damals nicht für besonders erstrebenswert gehalten, die Übersetzung an das viel niedrigere Drehzahlniveau des Diesels anzupassen. Im endergebnis wars dann ein lahme Schnecke, aber ein Drehmoment daß daß sich die Antriebswellen bald aufgewickelt hätten. Später haben die das dann irgendwann korrigiert, hat aber Jahre gedauert.
Das ganze ist jetzt etwas gekürzt wiedergegeben....
Toller bebildeter Bericht. Vielen Dank dafür!
Reichweite: 80 km oder 8 Stunden im Gelände...
8 Stunden im Gelände. Ich bezweifle diese Reichweite