Berlins ungewöhnlichste Taxis: Peugeot 404, 1963
Fürs Oldie-Taxi braucht man Körperspannung
Neben zig Benzen steht manchmal ein besonderes Taxi am Stand. Diese Taxis und ihre Fahrer stellt Motor-Talk vor. Zum Start das älteste Hauptstadttaxi: ein Peugeot 404.
Von Haiko Prengel
Berlin - Für Matthias Zierau ist der Winter die beste Oldie-Zeit. An diesem eiskalten Februarmorgen legt der Berliner Taxifahrer im Schnee vor seiner Garageneinfahrt erst mal ein paar kesse Drift-Einlagen hin. Sozusagen als kleine Lockerungsübung für sich und seinen betagten Wagen.
„Heckantrieb”, schwärmt Zierau, während sein Peugeot 404 über die vereiste Einfahrt rutscht. „Das ist das Beste, was es es gibt!” Man merkt sofort: Dieser Mann hat Spaß am Autofahren, auch nach mehr als einem Vierteljahrhundert auf dem Bock.
Zierau ist wohl das, was man ein Berliner Original nennen würde. Und irgendwie passt dazu, dass er ursprünglich aus Duisburg kommt. 1990 zog er nach Berlin, seit 1991 fährt er Taxi. Anfangs wollte er so sein Jura-Studium finanzieren. Doch er blieb beim Taxifahren, und der Job wurde zum Beruf. „Dabei sagt meine Freundin immer: Taxifahren, das ist gar kein Beruf.”
Berlins ältestes Taxi
In seinem Fall ist es eher eine Passion. Der 52-Jährige liebt sein rustikales Dienstgefährt, einen elfenbeinfarbenen Peugeot 404 mit sympathischer Patina, der noch einen Tick älter ist als sein vollbärtiger Besitzer. Zierau wurde 1964 geboren, sein Peugeot ist Baujahr 1963.
Das macht die französische Limousine zum ältesten Taxi, das in Berlin Fahrgäste kutschiert. Und damit zu etwas Besonderem, gibt es Taxis in der Hauptstadt doch fast wie Sand am Meer: Knapp 8.000 Taxen waren dort 2016 gemeldet.
Im Meer der E-Klassen (aufgelockert durch Toyota Prius oder auch Erdgas-Touran) sticht Zieraus Peugeot 404 heraus wie ein Baguette aus der Schrippentüte. Die von Pininfarina gezeichnete Limousine hebt sich vom automobilen Einheitsbrei ab, allein die Stoßstangen aus rostfreiem Stahl sind eine Augenweide. Im Innenraum des Mittelklasse-Wagens der Sechziger Jahre dominiert Edelmetall statt Plastik. Sitze und Türverkleidungen sind aus Leder. Ja, sein 404 sei die „Deluxe-Variante”, betont Matthias Zierau.
Peugeot produzierte die elegante Mittelklasse-Limousine ab 1960. Damals gründeten sich in Liverpool die Beatles, ein Jahr später begann in Berlin der Bau der Mauer. Lange ist das her. Matthias Zierau wohnt im ehemaligen Ostteil der Stadt, auf der Halbinsel Stralau direkt an der Spree. Früher war das ein Naherholungsgebiet, doch seit einigen Jahren weicht das Grün immer neuen Eigentumswohnungen. Mütter bringen ihre Kinder mit dicken SUV zur Kita.
Nicht einmal Anschnallgurte hat das Taxi
Einem solchen Stadtpanzer muss Matthias Zierau mit seinem zierlichen Peugeot nun Platz machen. Dann beginnt die Sonderfahrt durch Berlins Szene-Stadtteil Friedrichshain. Es ruckelt und schaukelt, die Gänge legt der Taxifahrer sachte per Lenkradschaltung ein. Mit Komfort nach heutigen Maßstäben kann sein 404 nicht dienen. Die Fenster des Peugeot wollen per Hand gekurbelt werden, als Klimaanlage dient das Schiebedach. Nicht einmal Anschnallgurte gibt es in dem Oldie.
Älteren Herrschaften empfiehlt Zierau daher im Zweifel, besser nicht einzusteigen. Bei einer härteren Bremsung brauche man ohne Gurte ein Mindestmaß an „Körperspannung”, erklärt der Taxifahrer. Ansonsten könnte man mit dem Kopf auf dem Armaturenbrett aufschlagen. Andere Taxikunden lehnen die Mitfahrt in Zieraus Oldtimer von sich aus ab, insbesondere Touristen mit wenig Geschichtskenntnis. „Die sagen: 'In dem ollen Trabi fahr' ich nicht mit.'”
Natürlich ist Zieraus Peugeot kein Trabant, auch wenn der 404 mit 3,5 Millionen produzierten Exemplaren auch so etwas wie ein Volkswagen war, in Frankreich, vor 50 Jahren. Für viele ist der Peugeot gar der Inbegriff der französischen Mittelklasse-Limousine. Nur die Göttin, Citroëns DS, throne eine Klasse höher, adelte damals „auto, motor und sport”.
Mit der Göttin als Taxi hatte auch Matthias Zierau geliebäugelt. Nach Jahrzehnten als angestellter Taxi-Fahrer mit diversen Daimler-Modellen entschied er sich 2010 für den Schritt in die Selbständigkeit. Sein eigenes Taxi sollte ein Oldtimer sein, das stand fest. Am besten ein Modell von Ende der 50er-, Anfang der 60er-Jahre.
Das ergab eine gewisse Auswahl: Mercedes Heckflosse und Ponton, Volvo Amazon, Opel Kapitän. „Es kamen mehrere Modelle infrage”, berichtet Zierau. Die Citroën DS erwies sich auf dem Klassikermarkt als zu teuer und als zu schrauberunfreundlich. Bei anderen wie dem Opel Kapitän war die miese Ersatzteillage ein Ausschlusskriterium. Der Opel C-Rekord hätte eine Alternative sein können. „Aber der ist mir schon einen Tacken zu modern”, sagt Zierau.
170.000 Kilometer seit 2011
So entschied er sich letztlich für den Peugeot 404. Sein Wagen lief die ersten 28 Jahre in Südfrankreich. 1991 kam er nach Deutschland, wurde ein paar Jahre als Alltagsfahrzeug genutzt und teilrestauriert. „Die letzten zehn Jahre bis zu meinem Kauf verbrachte er als Liebhaber- und Sammlerfahrzeug und wurde nur gelegentlich bewegt”, berichtet Zierau.
Von Ende 2010 bis zum Frühjahr 2011 baute er den 404 dann zum Taxi um, inklusive diverser Reparaturen und einer Hohlraumversiegelung. Seit März 2011 ist der Oldie als Berliner Taxi zugelassen - und hat seitdem 170.000 Kilometer abgespult. Denn Zierau fährt sechs, manchmal sogar sieben Tage die Woche.
Matthias Zierau beweist mit seinem Peugeot, dass man alte Autos durchaus als Daily Driver fahren kann - vorausgesetzt man investiert regelmäßig in Pflege und Wartung. Manches repariert der Taxifahrer selbst, anderes lässt er von Peugeot-Spezialisten machen. Sein 404 sei schon regelmäßig in der Werkstatt, berichtet Matthias Zierau. Unter dem Strich sei das immer noch weitaus günstiger als die hohen Raten für einen Neuwagen.
„Es gab da mal eine Untersuchung”, sagt Zierau. Danach koste ein Toyota Prius als Taxi in den ersten fünf Jahren 300 bis 400 Euro pro Monat. Bei einem Daimler seien es 500 Euro. „Jede dieser Raten ist einfach weg”, sagt Zierau. Und im gewöhnlichen Drei-Schichten-Betrieb seien die Neuwagen nach kurzer Zeit durch. Sein Peugeot 404 steigt dagegen im Wert. Nicht viel, aber Tag für Tag.
404 als Elektroauto?
Bei aller Liebe zum alten Auto: Taxifahrer-Romantik ist nicht die Sache von Matthias Zierau. Den harten Beruf mag er nicht verklären. Klar gebe es gute Tage, wo man mal 30 Euro pro Stunde verdiene, sagt er. Aber es gebe auch genug, wo es nur 10 Euro sind. Berlins Taxifahrer gelten als barsch, mitunter auch unfreundlich. Andererseits: Wer jeden Tag gegen 8.000 andere Fahrer um die wirtschaftliche Existenz kämpfen muss, kann schon mal miese Laune bekommen.
Mit seinem alten Peugeot 404 macht Matthias Zierau deshalb gern auch Ausflugs- und Sonderfahrten, etwa Hochzeiten oder Foto-Shootings. Das bringt etwas Abwechslung und gutes Geld. Außerdem überlegt er, seinen 404 zum Elektroauto umbauen zu lassen: „Das ist mein großer Traum”, sagt er.
Denn irgendwie gefallen ihm die modernen Elektroautos schon. Dieses leise, entspannte Cruisen mit der ganz besonderen Leistungsentfaltung. „Und eigentlich muss dafür ja nur der Motor an die Kardanwelle angeflanscht werden, mal vereinfacht gesagt”, meint der Taxifahrer. Ansonsten könnte sein geliebter Peugeot 404 der Alte bleiben, inklusive Heckantrieb.
Weiterlesen Reportage: Toyota-Taxis in Berlin Deutschlands einziges Cabrio-Taxi
Technische Daten: Peugeot 404 (1960-1975)
- Motor: Reihenvierzylinder-Benziner
- Hubraum: 1,618 cm³
- Leistung: 65 PS (48 kW)
- Getriebe: Viergang-Lenkradschaltung
- 0-80 km/h: 14 s
- Höchstgeschwindigkeit: 140 km/h
- Verbrauch: ca. 11,0 l/100 km
- Leergewicht: 1.070 Kilogramm
- Länge: 4,418 m
- Breite: 1,625 m
- Höhe: 1,450 m
- Radstand:2,650 m
Der Typ ist 52? Ich dachte, das wäre ein Hipster in den Mitt-Dreißigern. 😱
Wäre nicht uncool, einen Oldie auf E-Motor umzustellen. Vielleicht kann er dafür ja einen E-Ampera ausschlachten 😆.
j.
Geile Sache, wenn ich das nächste mal in Berlin bin werde ich die Augen offen halten und wenn möglich eine Taxifahrt im Oldtimer machen.😊
Coole Karre! Würde ich sofort einsteigen wollen, wenn ich in Berlin wär.
Berlin hält jung! 😉
Und immer auf die Körperspannung achten! 😆
Oder bringt dich frühzeitig ins Grab, wie man es nimmt. 😆
Zum Auto:
Einfac toll, wenn man so ein Schätzchen nahezu jeden Tag bewegt. Zeigt, dass die alten Kisten eben doch halten. Mit entsprechend Pflege.
Und mit 65 PS driften, wenn auch auf Schnee. 😆
"Im Meer der E-Klassen (aufgelockert durch Toyota Prius oder auch Erdgas-Touran)"...
Als Jemand, der täglich durch Berlin pendelt, würde ich diese Aussage korrigieren: im Meer der Toyota Pius (aufgelockert durch E-Klassen, Dacia-Lodgy, MCV und einigen Erdgas-Touran)"...
Mercedes verliert seit Jahren sichtbar Marktanteile in der Taxi-Flotte. Es gibt gefühlt weitaus mehr Pius, mit einigem Abstand dann die anderen Marken.
Fragt man einen der Kutscher warum, kommt fast immer die Sprache auf Haltbarkeit und Zuverlässigkeit, so legendär, wie einst bei Taxen von MB. Alles längst Geschichte, zu unzuverlässig, zu teuer in der Wartung und nicht zuletzt: die Unsicherheit, den Diesel betreffend. Berlins Senatsgrüne basteln gerade wieder am Dieselfahrverbot für die Innenstadt. Wer investiert dann noch in einen Diesel und in eine weitere aufwendige Abgasnachbehandlung, je nachdem, welche Verordnung wann beschlossen wird.
Der Dieselmarkt ist bei Taxen praktisch tot.
Topic: das Taxi ist mir nicht unbekannt. Es ist immer mal im Stadtbild zu sehen. Feine Sache, allerdings ohne Gurte im Stadtverkehr nicht jedermanns Ding. Dennoch eine sympathische Geschäfts-Idee. Ich wünsche dem Eigner weiterhin viel Erfolg.
Ich muss bald sowieso nach Berlin... Da kann ich mich ja mal mit dem 404 kutschieren lassen!
Aber bzgl. Benztaxen... Auch im Bremer Raum werden die Taxis immer seltener mit einem Stern an der Stirn gesichtet. In Bremen nehmen Amis die Überhand (Crown Victoria, Dodge Charger, Astrovan, und letztens noch eine Caprice gesehen) - alles auf Autogas. Aber auch einige S-Klassen als W220. Und Diesel werden langsam rar, nur noch die ollen Dieseltaxen von Mercedes. Wobei bei mir im Landkreis auch einige XC90 als Taxis bewegt werden, wie in Bremen ein V70, S80 und 940er Volvo.
Den Wandel finde ich gut. Die Luft ist merklich besser am Taxistand und man sieht seltener Ruß aufsteigen wenn ein elfenbeinfarbiges Auto sich in Bewegung setzt.
… und vor allem könnte die Kiste auch ein wenig gepflegter sein (oder liegt's an der gruseligen Bildqualität?)!
Ernsthaft: So ein Oldtimer-Taxi sollte das Aushängeschild der (Berliner) Taxi-Innung sein und das kann der – sorry – abgeranzte 404 nun wirklich nicht leisten.
… und kommt mir bitte nicht mit Patina, der abgewetzte Teppich und das versiffte (Kunst)Leder auf Beifahrersitz und Rücksitzbank haben mit Patina nun gar nichts zu tun, sondern nur mit mangelnder Pflege.
In Köln und Umgebung sind ein paar Oldtimer-Taxis unterwegs, die bei weitem nicht so mies aussehen wie der hier vorgestellte Wagen aus der Hauptstadt. Die Unternehmerin mit den beiden BMW E23 ist sogar MT-Mitglied – vielleicht porträtiert die Redaktion ja mal Gerti und ihre Autos?
Bei uns im Raum Köln - Bonn: 80% W212. Einige erste W213. Den anderen Schrott à la VW Touran, Dacia Soundso oder Toyota Haumichblau will doch kein Mensch. Wer schon für ein Taxi in die Tasche greift, möchte auch Mercedes fahren.
Übrigens: In den USA stirbt gerade das klassische Taxigeschäft. Uber killt die alle. Ist nur ne Frage der Zeit, wann die Bastion D auch fällt.
Zum Thema: In Köln fährt ein perfekter BMW 2800 als Taxi rum. Finde ich immer wieder lustig, den zu sehen. In hell-Elfenbein selbstverständlich. Und immer klinisch sauber.
Seit März 2011 wurde dieses Auto 170000 km gefahren, dafür sieht er (auch in natura! 😉) gut aus, ist eben kein Oldie-Show-Ausstellungsstück sondern ein täglich gefahrenes, über 50 Jahre altes Auto!
Ja, sowas soll es tatsächlich noch geben. 😜 Ich behaupte jedoch mal, den meisten Fahrgästen ist das herzlich egal. Wer schon für ein Taxi in die Tasche greift, möchte ein sauberes Fahrzeug und einen kompetenten Fahrer, einen der sich auskennt , gewisse Manieren hat und einen nicht bescheisst!
Die Marke ist dabei gänzlich unwichtig. Aber, jeder setzt halt andere Prioritäten...
Den 404 sieht man auch heute noch ab und zu im Süden Frankreichs, vor allem als Pick-Ups auf Wochenmärkten. Und natürlich in Afrika zusammen mit dem 504.
Beliebt waren auch damals schon die Diesel-Versionen. Die waren flotter als die Benze und genauso unkaputtbar. Und der 404 fuhr sich deutlich besser als die Kisten mit dem Stern.
Ich würde gern damit gefahren werden.
Komme gerade aus NYC zurück. Fast überall sieht man V8 SUV in schwarz (Chevy Suburban, GMC Denali, usw), die alles vollstehen und im Leerlauf auf Kundschaft warten.
Alles Uber SUB (die auch Uber Black und Uber Standard bedienen dürfen).
Für Uber gilt nämlich nicht, dass die Taxis sparsam sein müssen. Die klassischen Yellow Cab sind jetzt eher Nissan NV200, Prius oder C-Max Energi