Classic Driving News
Geländewagen, heute wie vor 33 Jahren
Irgendwie will man es kaum glauben, dass dieser Lada Niva wahrhaftig 30 Jahre alt ist und daherrollt, als sei er erst vorgestern vom Band im russischen Togliatigrad gefallen. Ein H-Kennzeichen ziert seit einigen Monaten seine Stoßstange und er dürfte der einzige Lada Niva sein, der es hierzulande so weit gebracht hat.
Aber was für einen Sinn macht es auch, werden viele nun denken, ein vergleichsweise wenig imageträchtiges Auto wie den Lada Niva drei Jahrzehnte lang aufzuheben, zu pflegen und zu schonen, solange man dieses Modell weiterhin fabrikneu und nahezu unverändert im Niedrigpreissektor erstehen kann? Besitzer Erik Schrader schmunzelt angesichts solcher Gedanken. Sein Lada Niva sei natürlich kein Spekulationsobjekt, dessen Wert angesichts des Exotenstatus in die Höhe schnellt, wenn man es nur lange genug aufhebt.
1979 im Harz neu gekauft
Die Bindung zu diesem Lada Niva sei eine rein persönliche Angelegenheit. Sein Vater habe den Lada Niva 1979 bei einem British Leyland- und Lada-Händler in Osterrode im Harz erstanden, und es handelte sich dabei um eines der ersten Exemplare des russischen Geländewagens, die in Deutschland ausgeliefert worden sind. Für rund 15.600 Mark erhielt Schrader senior damals laut Prospekt "ein echtes, robustes Allrad-Geländefahrzeug mit Limousinen-Charakter" - die Verantwortlichen, zu denen auch das Landwirtschaftsministerium zählte, hatten sich offensichtlich ein Auto in der Art des Range Rover gewünscht und Lada grünes Licht für die erste Eigenentwicklung gegeben - den Lada Niva.
Bis dahin durfte das Unternehmen an der Wolga nur alte, modifizierte Fiat-Modelle herstellen. Mit einem Offroader wie dem Lada Niva, der auf russischen Winterstraßen vorankommt und sich ebenso im Sumpf der Taiga behauptet, konnte man im mondänen Turin ohnehin nicht dienen. Der weitgesteckte Einsatzbereich diktierte schließlich die Eckdaten für den Lada Niva: kurzer Radstand (2.200 mm), viel Bodenfreiheit (22 cm), wenig Gewicht (1.285 kg) und möglichst minimale Karosserieüberhänge, um in der Botanik nirgendwo anzuecken.
Auf ein Facelift des Lada Niva wartet niemand mehr
Das ebenfalls kurzgehaltene, schnörkellose Lada Niva-Blechkleid mit Schrägheck erinnert ein wenig an die Golf-Urform und geriet, verglichen mit dem, was die Konkurrenz im Ostblock damals sonst noch im Angebot hatte, überraschend zeitlos. Nach über drei nahezu spurlos vorübergegangenen Jahrzehnten wartet beim Bestseller Lada Niva sowieso niemand mehr ernsthaft auf ein Facelift. Technisch griffen die Konstrukteure auf bereits bewährtes Material zurück, das im Zweifelsfall auch noch durch Handauflegen eines Schamanen auf der Tschuktschen-Halbinsel wieder instand gesetzt werden konnte.
Der 1,6-Liter-Benzinmotor mit obenliegender Nockenwelle des Lada Niva stammt aus dem Lada 1600 ES und leistet 76 PS. Viele dieser Triebwerke haben die rostanfällige Karosserie um Jahre überlebt und dienen, davon konnte sich der Autor vor einiger Zeit in der Mongolei selbst überzeugen, einer Nomadenfamilie auch schon mal als Notstromaggregat. Zurück zum Lada Niva: Ein sperrbares Zentraldifferenzial verteilt die Leistung gleichmäßig an alle Räder. Für den Ernstfall - und der trat in Sibirien täglich mindestens ein dutzend Mal ein - erhielt der Lada Niva ein zweistufiges Untersetzungsgetriebe, so dass Jägern und Fallenstellern acht Vorwärts- und zwei Rückwärtsgänge zur Verfügung standen.
Moderner Geländewagen - vor 33 Jahren
Mit Einzelradaufhängung und Scheibenbremsen an den Vorderrädern war der Lada Niva für damalige 4x4-Verhältnisse ein hochmodernes Fahrzeug. Das große Talent des Gelände-Lada Niva sprach sich rasch bis in den letzten Ostblockwinkel herum. Die Behörden in der ehemaligen DDR hätten gerne wesentlich mehr Exemplare erstanden, als ihnen letztendlich zugewiesen wurde. Zum Glück fanden sich andere Bezugsquellen, zum Beispiel ein großer Hamburger Autohändler. Von ihm erhielt die DDR-Außenhandelsabteilung KoKo, die für die Beschaffung von Embargo-Ware verantwortlich war, nur allzu bereitwillig viele Hundert Lada Niva für Förster und Landwirte zwischen Ostsee und Erzgebirge.
Dem Lada Niva von Erik Schrader blieben entsprechend harte Wald-, Feld- und Wieseneinsätze erspart. Bei einem Kilometerstand von nur 25.000 und einigen Jahren in einer beheizten Halle wirkt sogar das Interieur vergleichsweise neuwertig und versprüht mit PVC-Dachhimmel und vinylbezogenen Türenverkleidungen nach wie vor den humorlosen Charme einer russischen Grenzstation. Dennoch dürften Lada Niva-Besitzer sich mit einem Schlag in die automobile Oberliga versetzt gefühlt haben: verstellbare Rückenlehnen, Kopfstützen und Automatikgurte vorne wie hinten, dazu serienmäßig ein Zigarettenanzünder, drei Aschenbecher und ein Scheibenwischer mit Intervallschaltung. Die gute Heizung sorgt auch in Sibirien für warme Füße
Die gute Heizung sorgt auch in Sibirien für warme Füße
Mit fünf übersichtlich angeordneten Rundinstrumenten und mehreren Warnlampen behält der Lada Niva zudem kaum ein Geheimnis für sich. Als Fahrer wird man über Geschwindigkeit, Drehzahl, Öldruck, Wassertemperatur und Tankinhalt informiert, und wenn eines der Lämpchen im Lada Niva leuchtet, weiß man, dass entweder der Öldruck oder der Bremsflüssigkeitsspiegel unter ein bedrohliches Mindestmaß gesunken oder dass vielleicht doch das Zwischendifferenzial im Verteilergetriebe blockiert ist. Es könnte jedoch auch der Fall sein, dass die Vergaserluftklappe geschlossen, die Handbremse angezogen und der Tank einfach nur leer ist. Lada Niva-Besitzer wissen jedoch aus Erfahrung, dass diese Lampen gerne auch ohne besonderen Grund warnen.
Sie schätzen dafür umso mehr die kräftige Heizung des Offroaders, die im tiefsten Winter aus dem Lada Niva innerhalb von Minuten eine mobile Sauna macht und sicherlich mehr als nur einem ins Eis eingebrochenen Fischer am Baikalsee das Leben gerettet haben dürfte. So viel Ausstattung und Komfort hatte es auf den Pisten östlich des Urals in dieser Kombination wie im Lada Niva bisher noch nicht gegeben.
Nicht ganz so souverän behauptet sich ein 30 Jahre alter Lada Niva auf den engen gewundenen Straßen des nördlichen Schwarzwaldes. Bis Tempo 100 vergehen mit viel Glück 22 Sekunden, aber Raum für so viel Anlauf bietet die gewundene Topografie praktisch nirgendwo. Maximal 80 Sachen sind auf Dauer ein guter Kompromiss, bis dahin begnügt sich der Lada Niva zumindest ansatzweise mit einer Fahrspur, und die eindrucksvolle Geräuschkulisse von Motor, Reifen, Getriebe und Gelenkwellen lässt gerade noch eine Unterhaltung mit dem Nachbarn zu. Weil seine Rallye-erprobte Guilia kurzfristig ausfiel, erzählt Motorsport-Fan Schrader während der Fahrt zu einem Waldweg, hätte er sich im April eben mit dem Lada Niva unter die Sportwagen im Startfeld zur Baden Classic gemischt. "Bei den vielen schnellen Orientierungsprüfungen mit Durchschnittsgeschwindigkeiten von 45 Stundenkilometern war mit dem Lada Niva erwartungsgemäß nichts zu holen." Der Niva kennt kaum Grenzen - und kommt fast überall durch und hoch
Der Niva kennt kaum Grenzen - und kommt fast überall durch und hoch
Die Stunde eines Lada Niva schlägt im Gelände. Absätze und tiefe Gräben überquert er anstandslos und ohne aufzusetzen, und ein mitteleuropäisches Schlammloch wird von diesem russischen Überlebenskünstler mit Missachtung bestraft. Vermutlich wird es im Schwarzwald nur sehr wenige Wege geben, vor denen ein Lada Niva mit zugeschaltetem Untersetzungsgetriebe zurückschreckt. Besitzer von Mercedes G-Modellen oder einem Land Rover Defender sollten gelegentlich in den Rückspiegel schauen - dieser vergleichsweise leichte Winzling kommt weit. Sehr weit sogar.
Nur gelegentlich scheitert so ein Lada Niva an sich selbst. Die geringe Drehmoment-Ausbeute des kleinen Vierzylinders macht ihm in extremen Situationen schon arg zu schaffen. Wenn irgendwo auf einem Acker tatsächlich einmal ein Lada Niva festsitzt, dann könnte der Grund dafür eine verrauchte Kupplung sein. Vielleicht hat er aber auch nur gehalten, um mit seinem 19-teiligen Bordwerkzeugset einem havarierten Lkw aus der Patsche zu helfen, irgendwo zwischen Irkutsk und Wladiwostock. Freundlich genug dafür sieht er aus der Lada Niva, erst recht nach 30 Jahren.
Quelle: Motor Klassik
Schön geschrieben!
So einen NIVA hatte ich in den 90ern als Dienstwagen. Der hatte schon das 5-Ganggetriebe, aber noch den alten 1600er Vergasermotor. Der Verbrauch lag je nach Geländeanteil bei 12 bis 16 l/100 km. Dafür war der Tank dann doch ein bisschen klein.
Die Wohlfühlgeschwindigkeit lag so zwischen 80 und 90 km/h, als Spitze hat er bergab 125 geschafft. Das aber bei einer Geräuschkulisse, die klar macht: für so etwas ist der nicht gebaut.
Der Nachfolger war dann ein kurzer V20 mit dem kleinen Diesel. Vom Komfort her und den Fahrleistungen kein Vergleich, im Wald habe ich mir aber ein paar mal den kleinen NIVA zurückgewünscht. Ein großer Vorteil der Allradkonstruktion ist, dass man die Untersetzung ohne zwangsweise Sperrung des mittleren Differentials einlegen kann. Das gibt es meines Wissens nach nicht oft. Beim Rangieren mit Anhänger im engen Gelände eine gute Sache, vor allem für die Kupplung.
Grüße
Ralf
Absoluter Kultwagen und eines Tages will ich auch mal einen Fahren am liebsten in seiner Heimat😎
Hatte den Artikel seinerzeit in der Motorklassic gelesen-und mich über diesen Ostexoten gefreut.
Mehr davon.
Ein Auto das fast gegen jeden im Gelände besser ist für wenig Geld. Selbst in Bayern werden die im Winter eingesetzt. 😉
wie schon gesagt wurde, einfach ein kultfahrzeug. einfache und robuste technik, geländegängigkeit ohne kompromisse.
grüße
hier in DE als Spaßfahrzeug mag ja noch angehen.
Aber 1993 in Moskau "durfte" ich ein Jahr lang den Niva bei Fahrten zwischen Moskau und Odinshovo erleben. Auf diesen dreissig + Kilometern wäre jede Milch zu Butter geworden, egal ob auf Überlandstrassen oder unbefestigten Wegen und es war ein regelrechter Kampf des "Piloten", den Niva kontrolliert auf einer Fahrspur zu bewegen (bei Tempo 80)
Dass beim Kauf einiger fabrikneuer Nivas durch unsere Firma sogar einige Bauteile fehlen konnten (an zwei Wagen hintere Dämpfer) sei nur am Rande erwahnt, da solche "Kleinigkeiten" zum Alltag gehören sollten
Da wird man ja richtig nostalgisch ... 😉
Bild 1 zeigt meinen Niva, Bild 2 einen Ersatzteilspender, der dem beschriebenem Niva nahe kommt, aber nur zehn Jahre geschafft hat (total verrostet).
Schönes Auto, bin schon vor etwa 18 Jahren in Russland in einem mitgefahren. Bei uns im Ort steht auch ein Niva, hat schon was dieses Auto, vor allem im Gelände überlegen.
Schöne LADA-Fotos sind das. Ich fuhr letzten Sommer mit einem gemieteten Lada Niva durch Island, toll was der Wagen so alles geschafft hat inklusive Flussdurchfahrten und Steilhängen aus losem Lavageröll. Und er ist einfach schön nostalgisch zu fahren, kein ESP, kein ABS, kein Schnickschnack sondern Technik pur.
In Russland kauft man nun anstatt klassisches Niva die Chevi Nivas. Die Russen behaupten, dass er die zweite Generation von Niva ist. Das Auto ist schöner, viel moderner, ein Bißchen größer, zuverlässiger, aber trotzdem made in Russia, also die Zuverlässigkeit hat ihre Grenzen 😊 Der klassische Niva hat auch 5-türige lange Version.
Niva heißt auf altrussisch "Ährenfeld" und er mag keine schotterige Straßen - die Karosserie bricht langsam auseinander.
Ich würde mir einen klassischen Niva gerne in Deutschland kaufen, wenn er nicht so rostanfällig wäre (in Russland Rost ist nicht sehr schlimm, weil da gibt's kein TÜV) und Servo hätte. Der Chevi Niva ist mir noch zu teuer, aber es wäre Klasse so was in Deutschland zu fahren - im Autoscout gibt's jetzt nur eine Anzeige vom Chevi Niva.
MfG,
Paul.
Mein Niva-Cabriolet (siehe Foto weiter oben) hatte eine Servolenkung von ZF, die - soweit ich weiss - vom Importeur nachgerüstet wurde. Daher gab es auch gleich ein kleines Lenkrad von Raid dazu. Ob es diese Ausstattung noch gibt oder wie lange es die gab, weiss ich leider nicht.
So ein Cabrio-Niva mit Servo kostet vielleicht schon viel für berühmte russische Qualität 😊, aber der Niva von Atiz sieht sehr schön aus und mit Servolenkung ist es viel komfortabler damit zu fahren, übrigens habe ich 27 Jahre in Russland/UdSSR gelebt aber nie einen Niva-Cabriolet gesehen. Tolles Exemplar! Als Neuwagen mit guter Karosseriekonservierung wäre das prima, aber als Gebrauchter gibt so was extrem selten und kostet relativ viel. Ich persönlich habe schon zu viel von der puristischen Freude mit 4 Ladas in Russland gehabt, aber für Sumpfgegend oder für Fans ist das Auto wunderbar.
Mobile spuckt als Neupreis für EU-Importe schlanke 6990 Euro aus, für einen Kult-Offroader nun wirklich ein Schnäppchen.
Den im Artikel genannten Design-Vergleih mit dem Golf 1 finde ich gar nicht mal voll daneben, wenn mir auch immer der Renault 4 ähnlicher erschien. Wahrscheinlich, weil beide auf einem Plattform-Rahmen ruhen.
Der NIVA hat wie alle Ladas eine selbstragende Karosserie.
Grüße
Ralf
um so schlimmer, dass er dann noch so rostfreudig ist.