Classic Driving News
Größter Spaß beim Tanken
Ein Buick Riviera im Alltag: Motor Klassik-Fotograf Hardy Mutschler fordert längere Lebensarbeitszeiten für Autos. Konsequenterweise fährt er daher seinen 1970er Buick Riviera im Alltag und behauptet, Fahrspaß habe nichts mit der Zustandsnote des Autos zu tun.
Höhere Mathematik: 30 Liter auf 100 km rechnen sich
"Der braucht doch mindestens 20 Liter" oder "der Tankwart ist bestimmt dein bester Freund". Haha, ich kann diese Sprüche einfach nicht mehr hören. Erstens braucht er fast 30 Liter, zweitens kenne ich noch immer keinen Tankwart persönlich, und drittens kommen diese Sprüche stets von Typen, die gerade ihrer Frau einen 40.000-Euro-Einkaufs-und-Kinder-in-die-Schule-fahr-SUV gekauft haben. Allein vom jährlichen Wertverlust kann ich mindestens hundertmal volltanken.
7, 5 Liter Hubraum und die Liebe auf den ersten Blick
Aber jetzt erst mal von Anfang an. Es war im September vor drei Jahren. Der Staat drohte mir mit Feinstaubenteignung meines geräumigen Geländewagens, also schickte ich ihn, gerade erst zehn geworden, gen Osten. Ich sah ihn nie wieder, und es brach mir das Herz. Mein Traum-Ami war jedoch noch total zerlegt, stand schon seit einem Jahr ganz hinten in der Werkstatt. Ein Ende der Arbeit war nicht absehbar. Also brauchte ich ein Auto, und der Typ brauchte das Geld. Per Zufall hatte ich den Wagen im Internet entdeckt, keine 50 Kilometer entfernt.
Fahrbereit, H-Kennzeichen und TÜV. Es war Liebe auf den ersten Blick: ein 70er Riviera mit 455er-Motor (das sind siebeneinhalb Liter) und, jetzt kommt's: 370 PS. SAE zwar, aber was soll's. Okay, die Innenausstattung ist zerfetzt, der blaue Lack weder original noch perfekt, aber dafür mit viel Hingabe vom Vorbesitzer über die verbrannte Nevadakarosserie gesprüht worden. Ein paar Blasen kommen hoch, und das Lenkspiel vermittelt das Gefühl, Steuermann auf einem Containerschiff zu sein. Müsste ich mal richten, aber es geht auch so. Man gewöhnt sich an vieles.
Das Auto ist nicht gut, aber gut genug. Gut genug, um damit zu fahren, und zwar im Alltag. Der Buick fährt von A nach B und sogar wieder zurück. Jeder Kilometer ist purer Spaß, endlich macht Auto fahren wieder Freude - und zwar der ganzen Familie. Mein Sohn stellt ohnehin klare Bedingungen, was die Fahrzeugwahl für die Fahrt in den Kindergarten angeht. Kein Wunder, hat er doch fast sein ganzes Leben mit diesem Wagen verbracht. "Buick faaahn", kam kurz nach Mama und Papa. Er ist eben genauso vergnügungssüchtig wie sein Vater. Außerdem darf er vorn sitzen, denn hinten gibt's nur Beckengurte.
"Hätte er Zustand eins oder zwei, könnte ich nicht mehr schlafen"
Wir fahren zusammen zum Einkaufen, machen Ausflüge und eben all die Dinge, die man mit einem Auto so macht. Dazu zählen auch die Fahrten zur Arbeit. Unterm Strich ein schonungsloses Leben, das der Buick mit Gleichmut akzeptiert. Nachts muss er unter der Laterne parken, weil er in keine Garage passt.
Hätte er Zustand eins oder zwei, könnte ich nicht mehr schlafen. Dann wäre der Riviera in einer Halle eingesperrt, mit einem sogenannten Autopyjama vor Staub geschützt und dürfte zweimal im Jahr zum US-Car-Treffen oder mal am Wochenende vor die Eisdiele. Ein Fünfeinhalb-Meter-Coupé im Schlafanzug? Lächerlich. Unter artgerechter Haltung verstehe ich etwas Anderes.
Der Buick dankt es mir mit Zuverlässigkeit, stehen geblieben ist er in drei Jahren nur einmal, ausgerechnet am Ostersonntag vor dem Haus der Schwiegereltern, naja. Aber immerhin habe ich dem Abschleppwagenfahrer den Tag gerettet, der fuhr erst mal bei sich Zuhause vorbei, um seine Digitalkamera zu holen. Auch die "aber was sagt eigentlich deine Frau dazu"-Zweifler kann ich beruhigen. Meine findet das Auto nämlich toll.
Größte Herausforderung: Parkhäuser
Sehr zu meiner Verwunderung begeistert der Buick auch alle anderen. Hätte ich gar nicht erwartet, kein böses Wort, nur Zustimmung. Bis auf Frau K. in unserer Straße, die ab und zu den Kopf schüttelt, reagieren alle positiv. Aber Frau K. darf man sowieso nicht allzu ernst nehmen. Eigentlich müsste ich von allen Passanten einen Euro kassieren, die mit nach oben gestreckten Daumen und Dauergrinsen hinterher schauen. Auf der Autobahn werden Handykameras auf einen gerichtet, neulich hätte dabei einer beinahe seinen Golf in die Leitplankegepfeffert.
Und im Vorbeifahren sehe ich Kinder, die mit dem Finger zeigen und ihren Vätern Fragen stellen, die diese vermutlich nicht beantworten können. Selbst die Ordnungshüter lassen schon mal an der Ampel die Scheibe runter und fordern: Gib mal Gas, aber richtig! Ich glaube, es liegt daran, dass die meisten den Riviera gar nicht als Auto wahrnehmen, eher glauben sie wohl an eine Art Erscheinung, denken vielmehr an ein UFO oder so was in der Art.
Folglich auch kein "was für ein netter Oldie"-Geschwafel, und es hat auch noch nie einer gesagt: "Schau mal Schatz, so einen hatte Onkel Peter früher auch." Oder: "Darauf hab ich damals das Autofahren gelernt." Alles Sätze, die Fahrern vieler anderer Klassiker wohl vertraut sind. Die größte Herausforderung sind Parkhäuser. Hier wird klar, was vorausschauendes Fahren bedeutet. Angeschrieben ist immer die maximale Höhe, leider nie die Breite und die Länge.
Allein die Motorhaube misst fast drei Quadratmeter
In Italien hat man zur gleichen Zeit aus so viel Blech einen ganzen Fiat 500 gepresst. Und bei Autobahnbaustellen muss ich eben auf der rechten Spur fahren, theoretisch zumindest. Noch ein paar Worte zum Thema Kosten und Vernunft. Der autosachverständige Bekannte oder Nachbar fragt im Schwabenland ja zur Einordnung gerne mal: Was koschded sowas? Geht ihn zwar nichts an, aber so viel sei verraten: Der Buick ist kein teures Auto. Kaufpreis: ein knappes Jahr SUV-Wertverlust(siehe oben). Eigener Wertverlust: Null. Steuer und Versicherung: 310 Euro. Ersatzteile sind nicht teuer, leider nur etwas schwierig zu bekommen.
Und wer keine 25.000 Kilometer im Jahr fahren will, kann ja mal den Spritmehrverbrauch in Fahrspaß umrechnen. Neulich gab es den ersten Frost, und irgendeiner fragte mich streng: "Aber im Winter melden Sie ihn doch bestimmt ab?" Natürlich nicht, lohnt sich gar nicht, die Gebühren sind viel zu hoch. Außerdem verfügt der Riviera über eine prima Heizung und Winterreifen. Nur auf Glatteis möchte ich nicht mehr fahren, das Vergnügen hatte ich einmal - es gibt Lustigeres.
Den größten Spaß habe ich natürlich immer noch beim Tanken
Kein Wunder, ich mach ja nichts anderes. Da wird man stets angequatscht. Beispiel? Da steht ein älterer Herr mit einem glänzenden 116er-Mercedes-6,9-Liter und füllt Super Plus ein. Ich fahre längsseits und mache den Motor aus. Sagt er: "Der klingt aber besser als meiner." Sage ich: "Kein Wunder, Sie haben ja auch viel weniger Hubraum." Er sagt nichts mehr. Als er weggefahren ist, tut es mir leid.
Quelle: Motor Klassik
War einer meiner liebsten Berichte aus der Ausgabe.😊
Sehr schöner beitrag 😊
Schön geschrieben und soo wahr. Ich hatte nie einen " Big Block" , aber einige "Small Blocks" ( z.B. 5,7 L ). Wenn diese original belassen sind, kann man sich über den Verbrauch nur wundern und selbst das 30 - l - Szenario verliert seine Schrecken. Diese Autos sind nicht gut und nicht schlecht. Sie sind amerikanisch. Es gibt einiges an der Verarbeitung auszusetzen, aber das Fahrgefühl ist grandios.
Ein richtiges "Männerauto" 😆
Ich sage ja immer wieder.....Humraum ist durch nix zu ersetzen...außer durch Hubraum
Geiles Teil ... und 7 Liter Hubraum. Soviel verbraucht meiner auf 100 Kilometer 😉 Hätte ich auch gern...
Was ist "Humraum" 😜
Super Bericht !!!
Ich musst grad so 😆 ....besonders an der Stelle mit dem Fiat 500...sehr Geil.
Ich habe ja nun selber so einen "unvernünftigen" haufen Blech den ich auch ausnahmslos im Alltag nutze, von daher spricht mir der Bericht ein wenig aus der Seele.
schöööön
sehr schön geschrieben...kann ich alles vollkommen nachvollziehen...
Schöner Bericht, solche teilweise ähnliche erfahrungen hatte ich mit meinem 75ér 6.6 Pontiac Grand Prix auch erlebt, aber schon ne weile her (90-94). Der 500ér Fiat, der eigentlich meine Einstiegstüren beinhaltete, war eines der Kauf entscheidenden Argumente des Verkäufers an mich, konnte mich von dem Gedanken, das der da reinpasst ins Blech, nicht mehr bis heute los reisen.Und der Neid das man Sprit verbraucht, naja der geht ja schon los, wenn man ne´n 3 Liter Gurke bewegt, höre ich immer wenn ich mit meinem 20 Jahren alten Seni 3.0 unterwegs bin und dann auch noch nur 100 Oktan Tanke, oh je, das ist dann für die meisten zuviel.
Ich Sage immer, " Ihr zahlt eure monatlichen raten und werkstatt", und ich Tanke für alle Autos eben 100ér Sprit.
Das Leben kann auch mit alten Autos schön sein!
Oh man, ist das ein großartiges Auto. Bei 7,5 Liter Hubraum kommt man(n) doch so richtig auf Touren.
Und aus dem Bericht dazu spricht echte Liebe und Leidenschaft.
So etwas möchte ich gerne viel häufiger sehen und lesen 😊
Genau, Klassiker gehören im Alltag gefahren, nicht im Museum weggesperrt.
Schade, daß das H-Kennzeichen Autogas-Umrüstungen mittlerweile ausschließt, sonst würde Dir Tanken noch mehr Spaß machen!
Ähm, wenn der genannte Buick 30 Liter Sprit auf 100 km braucht, hat der Mann einen seltsamen Fahrstil oder an dem Wagen ist definitiv was kaputt, verstellt oder anderweitig nicht so, wie es sein soll!
Ein sorgfältig gewarteter und sauber eingestellter Riviera mit 455er Maschine hat bei gesitteter Fahrweise einen Verbrauch zwischen etwa 15 und 22 Litern Super verbleit auf 100 km. Er liegt damit etwa gleichauf mit Lincoln Mark III und Cadillac Eldorado, die sich in änlichen Regionen aufhalten. Solche Exzesse treten üblicherweise auf, wenn ohne entsprechende Abstimmarbeit oder Kenntnis an Vergaser, Zündung, Nockenwelle und Auspuff rumgedoktert wird...
Bei einem muß ich allerdings uneingeschränkt zustimmen: die Buicks der 70er sind extrem robuste und zuverlässige Autos. Das gilt auch für die anderen Modelle der Marke.
Den 40.000Euro SUV will ich aber nicht sehen... der war bestimmt nicht für die Frau, sondern für die Kinder zum spielen.
toll geschrieben... und ein hübsches Schätzchen!
Ich finde den Look dieser alten Ami's absolut geil... würd zu gern auch mal sowas fahren.