Stuttgart wird Feinstaub-Grenzwerte auch 2020 nicht erreichen

Grüne Verzweiflung im "Drecksloch" Stuttgart

verfasst am Tue Jul 21 18:05:09 CEST 2015

Im ARD-Tatort wurde Stuttgart zuletzt als "Drecksloch" diffamiert. Im Talkessel herrscht eine hohe Feinstaubbelastung und eine schnelle Verbesserung ist nicht in Sicht.

Die Grenzwerte für Feinstaub- und Stickstoffdioxidbelastung werden in Stuttgart regelmäßig überschritten
Quelle: picture alliance / dpa

Stuttgart - Es gibt ein Lastwagen-Durchfahrtsverbot, die Umweltzone mit Fahrverboten für ältere Dreckschleudern und Tempo 40 gilt auch schon streckenweise. Geholfen hat das alles kaum. Seit Jahren kämpfen vor allem Stuttgart und Leipzig, aber auch viele andere Großstädte, mit gefährlichem Feinstaub. Der Ärger wegen deutlich zu hoher Stickstoffdioxidwerte wächst. Brüssel macht Druck. In Stuttgart müssen vor allem Politiker der Grünen handeln und womöglich das Autofahren verbieten - ausgerechnet in der Stadt der Autohersteller.

Bisherige Versuche reichen nicht aus

Das starke Verkehrsaufkommen im Talkessel von Stuttgart führt zu einer hohen Luftverschmutzung
Quelle: picture alliance / dpa

Es ist die Kessellage, die Baden-Württembergs Landeshauptstadt diese Probleme bringt. Auf den Straßen staut sich der Verkehr, an der Messstation Neckartor ist die Luft so schlecht wie nirgendwo sonst in Deutschland. Geltende EU-Grenzwerte für Feinstaub und Stickstoffdioxid werden regelmäßig überschritten. Und zwar nicht nur am Neckartor und knapp drum herum, "sondern an einem Großteil der viel befahrenen Straßen in und um Stuttgart", wie die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz (LUBW) betont.

Das bedeutet: Nicht nur das Neckartor ist dreckig, sondern weite Teile der Stadt. Umweltzone, Durchfahrtsverbote und Tempolimit hätten zwar zu einer Verbesserung der Luft im Talkessel geführt, berichtet die LUBW. Den Durchbruch habe es aber nicht gebracht. Laut einer Prognoserechnung werden die EU-Grenzwerte auch 2020 überschritten - und zwar entlang etlicher Kilometer Straße im Stadtzentrum. Brüssel wird unruhig, Vertragsverletzungsverfahren laufen. Geldstrafen drohen.

Regierung muss weiter Maßnahmen auf den Weg bringen

Feinstaub verstärkt Herzkreislauf- und Atemwegserkrankungen. Die kleinsten Teilchen können bis in die Lungenbläschen und den Blutkreislauf gelangen. Jetzt folgte die nächste Ermahnung aus Brüssel, denn auch beim Stickstoffdioxid kann Stuttgart die EU-Vorgaben wie viele weitere deutsche Städte regelmäßig nicht einhalten. Land und Stadt, Verkehrsminister Winfried Hermann und Oberbürgermeister Fritz Kuhn (beide Grüne), müssen mehr tun als bisher.

Am 27. Juli wollen sie sich auf ein neues Maßnahmenpaket für den Luftreinhalteplan einigen. Weitere Fahrverbote, Umweltspuren und schärfere Schadstoffnormen sind im Gespräch. Je langsamer die Werte sinken, desto eher könnte die blaue Umweltplakette kommen. Damit würden Tausende Dieselfahrzeuge ausgesperrt, die die Schadstoffnorm Euro 6 nicht erfüllen. Auch Fahrverbote sind denkbar, bei denen an Tagen mit hoher Luftbelastung abwechselnd Autos mit gerader und ungerader Nummer fahren dürfen.

Künftig könnten in Stuttgart Tausende Dieselfahrzeuge ausgesperrt werden
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Mobilitätsgipfel soll neue Lösungen bringen

Am Mittwoch lädt Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) zum sogenannten Mobilitätsgipfel für die Region Stuttgart. Mit Verbänden sollen Wege aus den Stau- und Umweltbelastungen der Landeshauptstadt gefunden werden.

Ausgerechnet die Umweltschützer drohen jedoch mit dem Fernbleiben. So lange im Beschlusspapier etwa der Ausbau wichtiger Zufahrtsstraßen nach Stuttgart Platz finde, werde man nicht unterzeichnen, kündigte der Geschäftsführer des BUND-Regionalverbands Stuttgart, Gerhard Pfeifer, an. Wer Straßen ausbaue, "schaufelt nur mehr Verkehr rein".

Nach Angaben des Deutschen Städtetags gibt es bundesweit rund 240 Luftreinhaltepläne. Diese seien schön und gut, im Kern müsse der Bund aber mehr tun, um die Umweltgifte an der Quelle, sprich am Auspuff, zu bekämpfen. "Trotz nachweisbarer Erfolge belasten Feinstaub und Stickstoffdioxid die Gesundheit der betroffenen Bürger weiter", heißt es in einem Beschluss des Präsidiums.

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