Autonomes Fahren
Hände weg vom Lenkrad
Bei einem Test fährt der Prototyp von Mercedes wie von Geisterhand. Das soll den Fahrer entlasten. Doch entspannt ist anders.
Barcelona - Autonomes Fahren: Entmündigung oder Erleichterung? Tatsache ist: Alle Hersteller arbeiten daran, dem Fahrer hier und da (später vielleicht auch zu jeder Zeit) die Arbeit abzunehmen. Möchte keiner? Stimmt nicht, sagt Mercedes-Ingenieur Ralf Herrtwich. Gerade in monotonen Situationen wie bei langen Autobahnetappen mit Höchstgeschwindigkeit 120 würden sich viele Fahrer wünschen, einfach mal Däumchen drehen zu können.
Vor mir steht eine Mercedes-E-Klasse der scheidenden Generation. Äußerlich unscheinbar, aber im Inneren beladen mit den autonomen Fahrsystemen von übermorgen. Die künftigen Auflagen von S-Klasse und E-Klasse können bereits selbständig einem vorausfahrenden Fahrzeug folgen. Der Prototyp, den ich gleich, naja, sagen wir "fahren" werde, kann mehr: Er wechselt auch selbstständig die Fahrspur und überholt vorausfahrende Kriecher.
Für die Serie noch zu teuer
Sind solche Systeme überhaupt zulässig? Die meisten Verkehrsverordnungen fordern vom Hersteller, dass die permanente Aufmerksamkeit des Fahrers sichergestellt ist. Erste US-Bundesstaaten wie Nevada und Kalifornien
haben ihre Gesetze bereits der technischen Entwicklung angepasst. Bis 2020 will Google ein komplett autonomes Fahrzeug serienreif haben. Allerdings: Die Google-Sensorik kostet derzeit etwa 50.000 Dollar (rund 37.200 Euro) plus Auto. Für die Serie ist das (noch) zu viel. Im Mercedes-Prototypen steckt ausschließlich Sensorik, die bereits serienreif ist. Die Software dagegen befindet sich noch im Versuchsstadium.Langsam, mit Respekt vor dem schrecklich teuren Einzelstück, steuere ich die E-Klasse vom Hof. In der Ortschaft keine besonderen Vorkommnisse. Interessant wird es erst auf der nicht besonders vollen Autobahn. Hier droht weder Quer- noch Gegenverkehr. Auch Radfahrer gibt es keine. Mit den restlichen Herausforderungen soll der "Autobahnpilot" bereits klarkommen.
Viel Neugier, ein wenig Anspannung
"Aktivieren Sie doch einmal die Distronic", sagt Herr Desens, verantwortlicher Ingenieur an Bord. Ich wähle 120 km/h, auf diesem Abschnitt das Höchste der Gefühle. Der Benz setzt automatisch einen Sicherheitsabstand zu dem vor uns fahrenden roten Sattelschlepper und passt sich dessen Geschwindigkeit an. Mit viel Neugier und ein klein wenig Anspannung lasse ich das Lenkrad los und lege die Hände in den Schoß. Ab jetzt hat der Mercedes das Steuer in der Hand und folgt wie von Geisterhand dem gigantischen Truck.
So oder so ähnlich werden sich demnächst einige E- und S-Klassen durch dichten Verkehr wühlen, hofft Daimler. Aber wegen einer 80-km/h-Schleichfahrt auf der rechten Spur sind wir ja nicht hier.
Mit dem Schaltpaddel gebe ich dem Mercedes zu verstehen, dass ich die Spur wechseln möchte. Die E-Klasse weiß sofort, was zu tun ist. Sie blickt weit zurück, bis zu 200 Meter und auch in ihren toten Winkel. Dann blinkt sie ordnungsgemäß, zieht auf der Überholspur an dem Lkw vorbei und befolgt anschließend auch noch das Rechtsfahrgebot. Ich bin beeindruckt.Wir erhöhen die Schwierigkeit: Nun soll der High-Tech-Mercedes selbständig entscheiden, wann er überholen möchte. Kein Problem für den Benz. Wir ziehen an langen Kolonnen von 40-Tonnern, telefonierenden Bankern und Omis in alten Clios vorbei, ohne dass ich eingreife. Dann eine Schrecksekunde: Der Stern auf der Haube kommt der Mittelleitplanke aus Beton etwas zu nah.
"Das ist eben der Prototyp, der kann noch nicht alles so gut, wie er mal soll", schmunzelt Desens, während ich die Schwabenlimousine auf Kurs bringe. Ein Pieps bestätigt: Wir sind wieder auf Autopilot.
Von Entspannung kann keine Rede sein
Zwei, drei Mal braucht die Software meine Hilfe, insgesamt aber fahre ich auf der Autobahn fast nur mit dem Tempomat. Doch von Däumchen drehen und Entspannung kann keine Rede sein. Schließlich muss ich beurteilen, ob der Benz weiß, was er tut oder eben nicht. Für die Fahrt gegen standhafte Betonpfeiler ist der wertvolle Prototyp eindeutig nicht entwickelt worden.
Trotzdem bin ich beeindruckt: Endlich mal ein Stück Zukunft. Eine Entwicklung, die das Autofahren wirklich verändern könnte. Hier geht es nicht um 0,3 Liter weniger Kraftstoffverbrauch auf dem Prüfstand, sondern um etwas wirklich Neues. Fast so neu wie damals, als man sich von der Regel verabschiedete, dass jedes Fahrzeug von (mindestens) einem Pferd gezogen werden muss.
Wie weit ist diese Zukunft entfernt? Herrtwich lässt sich nicht festnageln, sagt nur: Es sind eher fünf als 20 Jahre. Übernächste S-Klasse? Kein Widerspruch.
Quelle: MOTOR-TALK
naja wer es brauch...
für entspanntes reisen steige ich in den Zug oder Flieger!
MFG Devil
Noch etwas weiterentwickeln, und dann können z.B. alte Leute die nicht mehr fahren können mit dem Auto von A nach B kommen ohne etwas bedienen zu müssen.
Finde ich gut.
Tja, damit wird dann der Stand der Taxifahrer endgültig aussterben...
Fuer LKWs waere das doch echt praktisch.
cool geschrieben, danke björn :-)
Für den LKW-Fahrer aber nicht. Der wäre nicht einmal mehr zum
Ein- oder Ausladen zu gebrauchen (das macht der Gabelstapler
allein, mit entsprechender Software).
Allerdings: Ein grösserer Crash eines fahrerlosen Fahrzeugs - und die
weitere Entwicklung dieser Systeme könnte abgebrochen werden.
Das ist dann eben die Heuchelei...
ein Crash mit dem neuen System -> System scheiße
1000 Crashs, weil die Leute einschlafen, rüberziehen ohne zu gucken usw... der Mensch ist halt nicht perfekt.
Ich finde die Entwicklung gut. Autobahnfahren ist langweilig (zum Spass fahrten im Schwarzwald hab ich gesehen, auf der Autobahn eher selten...) das soll das Auto ruhig von alleine können. Zug ist trozdem nichts für mich, weil es mich nicht ans Ziel (Kunden) bringt, sondern nur nah dran und 50-70 kg Gepäck etwas lästig sein könnten.
In meinem nächsten Auto werde ich definiv einen Abstandstempomaten haben. Auf unseren Autobahnen ist entspanntes Tempomatfahren ja nimmer oft möglich. Egal ob ich 130, 150 oder 170 einstelle, immer wieder ziehen langsamere vor einem raus und machen auch keinen Platz. Das ist schon nervig. Bei höhren Geschwindigkeiten ist das ja noch nachvollziehbar. Aber selbst 130 ist nur selten konstant möglich. Aber wie wir ja wissen, wir fahren immer agressiver, wen wunderts, bei so manch tiefenentspanntem Fahrer...
Ein System das selbst lenkt, kann ich mir irgendwann auch vorstellen. Man bedenke, man sitzt im Auto und reist wie im Zug. Es wäre sogardenkbar, dass man im Auto arbeiten kann. Der moderne Dienstreisende hat sein Büro in Form von einem Laptop und eines Smart Phones immer dabei. Ich schätze das Potential dieser Technik für Unternehmen hoch ein. Dienstreisen wären damit von weniger langen, unproduktiven Zeiten geprägt.
Lachen musste ich bei dem Satz, dass die nächste S-Klasse Automatisch den Sicherheitsabstand hält. Das kann mein Golf auch schon 😆 und zwar nicht der Golf 8 sondern der aktuelle.
Wo hast du das gelesen? Im Artikel steht, dass künftige S-Klassen vorausfahrenden Fahrzeugen folgen können, also auch die Spur halten. Kann das dein Golf? Nein.
Die Distronic gibt es bei Mercedes seit 1998.
Was macht das System denn wenn ich da Tempo 90 einstelle und vor mir ein LKW auftaucht?
Klar vom Gas gehen und auf eine Lücke werten.
Aber wie wird die Lücke erkannt bzw. wie wird agiert und wie groß ist die Sensorreichweite?
Denn mit Tempo 90 muss die Lücke schon recht groß sein oder aber entsprechend Beschleunigt werden.
Wird dann etwa von 90 auf 130 Beschleunigt damit der mit 130km/h sich nähernde Verkehr kein Problem bekommt und die Lücke passt oder wartet das System auf eine entsprechend große Lücke oder wird einfach nur mit 90 raus gezogen und wenn da jemand mit 200 sachen ankommt hat der pech gehabt?
Na hoffentlich läuft das System nicht auf Basis von Microsoft Windows ;-)
Bestenfalls stürzt das System einfach bei 150 km/h in einer langgezogenen Linkskurve auf der Autobahn nur ab.
Schlimmstenfalls berechnet Windows bei Tempo 180 km/h ein Lenkradvollausschlag auf schnurgerader Autobahn.
Aber bevor ich hier ein bekanntes OS schlecht mache, in andere Betriebssysteme hätte ich auch nicht unbedingt mehr Vertrauen...
Schon alleine, wenn ich das lese... bei was soll dies den Autofahrer entlasten? - Beim Autofahren!? 🙄
Wer mit Lenken, Gas geben und eventuell noch schalten (welch Horror!) bereits überfordert ist, sollte Bahn fahren. Ach ja, und gleichzeitig muss man ja auch noch auf die Straße schauen, eventuell seinen Blick in einen Spiegel wenden... kann man ja keinem zumuten, sowas.
Ganz ehrlich: So technisch fortgeschritten und "Premium" die aktuellen Entwicklungen von MB auch sein mögen, ich finde sie bedrohlich.
Ich muss mich da Kruegerl anschliessen.
Ich find es zwar sehr interessant, was technisch möglich ist, aber ich bin der Meinung, dass der Tempomat schon genug Entspannung bringt. Und ich schlafe eher am Steuer ein, wenn ich gar nichts mehr machen muss, als wenn ich wenigstens noch lenken und aufmerksam sein muss. Ich muss auch zugeben, dass ich dem System dabei nicht vertrauen würde. Ich habe das lieber selber unter Kontrolle alles.
Wenn ich das korrekt gelesen habe, dann "schaut" der MB 200 m zurück? Wenn ich mir eine Situation ausdenke, wo ich einem Lastwagen folge (ca. 90 km/h) und dann ausschere um zu beschleunigen, einer jedoch mit 250 km/h von hinten angebrettert kommt, weiss ich nicht, ob diese 200 m ausreichen, um solch eine Situation einzuschätzen für die Maschine. Gut das können leider Gottes auch zahllose richtige Fahrer nicht, aber es geht ja um die Sache an sich.
Ich spreche da jetzt nur für mich. Ich kann auch verstehen, wenn man davon total begeistert ist 😊